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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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bürsten!" Sie warf sich über das Thier und
wischte zärtlich mit ihrer Schürze ihm das Blut
fort, das noch aus Nas' und Schnauze rann; dann
hob sie aufs Neue an zu zetern.

"Bist Du bald fertig?" rief Hauke ihr zu,
"dann laß Dir sagen: ich will Dir einen Kater
schaffen, der mit Maus- und Rattenblut zu-
frieden ist!"

Darauf ging er, scheinbar auf nichts mehr
achtend, fürbaß. Aber die todte Katze mußte ihm
doch im Kopfe Wirrsal machen; denn er ging, als
er zu den Häusern gekommen war, dem seines
Vaters und auch den übrigen vorbei und eine
weite Strecke noch nach Süden auf dem Deich der
Stadt zu.

Inmittelst wanderte auch Trien' Jans auf dem-
selben in der gleichen Richtung; sie trug in einem
alten blaucarrirten Kissenüberzug eine Last in
ihren Armen, die sie sorgsam, als wär's ein Kind,
umklammerte; ihr greises Haar flatterte in dem
leichten Frühlingswind. "Was schleppt Sie da,
Trina?" frug ein Bauer, der ihr entgegenkam.
"Mehr, als Dein Haus und Hof," erwiderte die
Alte; dann ging sie eifrig weiter. Als sie dem

bürſten!” Sie warf ſich über das Thier und
wiſchte zärtlich mit ihrer Schürze ihm das Blut
fort, das noch aus Naſ' und Schnauze rann; dann
hob ſie aufs Neue an zu zetern.

„Biſt Du bald fertig?” rief Hauke ihr zu,
„dann laß Dir ſagen: ich will Dir einen Kater
ſchaffen, der mit Maus- und Rattenblut zu-
frieden iſt!”

Darauf ging er, ſcheinbar auf nichts mehr
achtend, fürbaß. Aber die todte Katze mußte ihm
doch im Kopfe Wirrſal machen; denn er ging, als
er zu den Häuſern gekommen war, dem ſeines
Vaters und auch den übrigen vorbei und eine
weite Strecke noch nach Süden auf dem Deich der
Stadt zu.

Inmittelſt wanderte auch Trien' Jans auf dem-
ſelben in der gleichen Richtung; ſie trug in einem
alten blaucarrirten Kiſſenüberzug eine Laſt in
ihren Armen, die ſie ſorgſam, als wär's ein Kind,
umklammerte; ihr greiſes Haar flatterte in dem
leichten Frühlingswind. „Was ſchleppt Sie da,
Trina?” frug ein Bauer, der ihr entgegenkam.
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[27/0039] bürſten!” Sie warf ſich über das Thier und wiſchte zärtlich mit ihrer Schürze ihm das Blut fort, das noch aus Naſ' und Schnauze rann; dann hob ſie aufs Neue an zu zetern. „Biſt Du bald fertig?” rief Hauke ihr zu, „dann laß Dir ſagen: ich will Dir einen Kater ſchaffen, der mit Maus- und Rattenblut zu- frieden iſt!” Darauf ging er, ſcheinbar auf nichts mehr achtend, fürbaß. Aber die todte Katze mußte ihm doch im Kopfe Wirrſal machen; denn er ging, als er zu den Häuſern gekommen war, dem ſeines Vaters und auch den übrigen vorbei und eine weite Strecke noch nach Süden auf dem Deich der Stadt zu. Inmittelſt wanderte auch Trien' Jans auf dem- ſelben in der gleichen Richtung; ſie trug in einem alten blaucarrirten Kiſſenüberzug eine Laſt in ihren Armen, die ſie ſorgſam, als wär's ein Kind, umklammerte; ihr greiſes Haar flatterte in dem leichten Frühlingswind. „Was ſchleppt Sie da, Trina?” frug ein Bauer, der ihr entgegenkam. „Mehr, als Dein Haus und Hof,” erwiderte die Alte; dann ging ſie eifrig weiter. Als ſie dem

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/39>, abgerufen am 28.03.2024.