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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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packte ihn noch fester; "wollen sehen, wer's von uns
Beiden am längsten aushält!"

Plötzlich fielen die Hinterbeine der großen
Katze schlaff herunter, und Hauke ging ein paar
Schritte zurück und warf sie gegen die Kathe der
Alten. Da sie sich nicht rührte, wandte er sich
und setzte seinen Weg nach Hause fort.

Aber der Angorakater war das Kleinod seiner
Herrin; er war ihr Geselle und das Einzige, was
ihr Sohn, der Matrose, ihr nachgelassen hatte,
nachdem er hier an der Küste seinen jähen Tod
gefunden hatte, da er im Sturm seiner Mutter
beim Porrenfangen hatte helfen wollen. Hauke
mochte kaum hundert Schritte weiter gethan haben,
während er mit einem Tuch das Blut aus seinen
Wunden auffing, als schon von der Kathe her
ihm ein Geheul und Zetern in die Ohren gellte.
Da wandte er sich und sah davor das alte Weib
am Boden liegen; das greise Haar flog ihr im
Winde um das rothe Kopftuch: "Todt!" rief sie,
"todt!" und erhob dräuend ihren mageren Arm
gegen ihn: "Du sollst verflucht sein! Du hast
ihn todtgeschlagen, Du nichtsnutziger Strandläufer;
Du warst nicht werth, ihm seinen Schwanz zu

packte ihn noch feſter; „wollen ſehen, wer's von uns
Beiden am längſten aushält!”

Plötzlich fielen die Hinterbeine der großen
Katze ſchlaff herunter, und Hauke ging ein paar
Schritte zurück und warf ſie gegen die Kathe der
Alten. Da ſie ſich nicht rührte, wandte er ſich
und ſetzte ſeinen Weg nach Hauſe fort.

Aber der Angorakater war das Kleinod ſeiner
Herrin; er war ihr Geſelle und das Einzige, was
ihr Sohn, der Matroſe, ihr nachgelaſſen hatte,
nachdem er hier an der Küſte ſeinen jähen Tod
gefunden hatte, da er im Sturm ſeiner Mutter
beim Porrenfangen hatte helfen wollen. Hauke
mochte kaum hundert Schritte weiter gethan haben,
während er mit einem Tuch das Blut aus ſeinen
Wunden auffing, als ſchon von der Kathe her
ihm ein Geheul und Zetern in die Ohren gellte.
Da wandte er ſich und ſah davor das alte Weib
am Boden liegen; das greiſe Haar flog ihr im
Winde um das rothe Kopftuch: „Todt!” rief ſie,
„todt!” und erhob dräuend ihren mageren Arm
gegen ihn: „Du ſollſt verflucht ſein! Du haſt
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[26/0038] packte ihn noch feſter; „wollen ſehen, wer's von uns Beiden am längſten aushält!” Plötzlich fielen die Hinterbeine der großen Katze ſchlaff herunter, und Hauke ging ein paar Schritte zurück und warf ſie gegen die Kathe der Alten. Da ſie ſich nicht rührte, wandte er ſich und ſetzte ſeinen Weg nach Hauſe fort. Aber der Angorakater war das Kleinod ſeiner Herrin; er war ihr Geſelle und das Einzige, was ihr Sohn, der Matroſe, ihr nachgelaſſen hatte, nachdem er hier an der Küſte ſeinen jähen Tod gefunden hatte, da er im Sturm ſeiner Mutter beim Porrenfangen hatte helfen wollen. Hauke mochte kaum hundert Schritte weiter gethan haben, während er mit einem Tuch das Blut aus ſeinen Wunden auffing, als ſchon von der Kathe her ihm ein Geheul und Zetern in die Ohren gellte. Da wandte er ſich und ſah davor das alte Weib am Boden liegen; das greiſe Haar flog ihr im Winde um das rothe Kopftuch: „Todt!” rief ſie, „todt!” und erhob dräuend ihren mageren Arm gegen ihn: „Du ſollſt verflucht ſein! Du haſt ihn todtgeſchlagen, Du nichtsnutziger Strandläufer; Du warſt nicht werth, ihm ſeinen Schwanz zu

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/38>, abgerufen am 28.03.2024.