Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Herr, Euer Pferd, es ist so ruhig, als
ob es Böses vorhabe!"

Hauke lachte und nahm das Pferd selbst am
Zügel, das sogleich liebkosend den Kopf an seiner
Schulter rieb. Von den Arbeitern sahen einige
scheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob
das Alles sie nicht kümmere, aßen schweigend ihre
Frühkost, dann und wann den Möven einen Brocken
hinaufwerfend, die sich den Futterplatz gemerkt hatten
und mit ihren schlanken Flügeln sich fast auf ihre
Köpfe senkten. Der Deichgraf blickte eine Weile
wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie
sie die zugeworfenen Bissen mit ihren Schnäbeln
haschten; dann sprang er in den Sattel und ritt,
ohne sich nach den Leuten umzusehen, davon; einige
Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen
ihm fast wie Hohn. "Was ist das?" sprach er
bei sich selber. "Hatte denn Elke recht, daß sie
Alle gegen mich sind? Auch diese Knechte und
kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen
Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächst?"

Er gab seinem Pferde die Sporen, daß es
wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un-
heimlichen Glanze freilich, mit dem sein früherer

— „Herr, Euer Pferd, es iſt ſo ruhig, als
ob es Böſes vorhabe!”

Hauke lachte und nahm das Pferd ſelbſt am
Zügel, das ſogleich liebkoſend den Kopf an ſeiner
Schulter rieb. Von den Arbeitern ſahen einige
ſcheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob
das Alles ſie nicht kümmere, aßen ſchweigend ihre
Frühkoſt, dann und wann den Möven einen Brocken
hinaufwerfend, die ſich den Futterplatz gemerkt hatten
und mit ihren ſchlanken Flügeln ſich faſt auf ihre
Köpfe ſenkten. Der Deichgraf blickte eine Weile
wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie
ſie die zugeworfenen Biſſen mit ihren Schnäbeln
haſchten; dann ſprang er in den Sattel und ritt,
ohne ſich nach den Leuten umzuſehen, davon; einige
Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen
ihm faſt wie Hohn. „Was iſt das?” ſprach er
bei ſich ſelber. „Hatte denn Elke recht, daß ſie
Alle gegen mich ſind? Auch dieſe Knechte und
kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen
Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächſt?”

Er gab ſeinem Pferde die Sporen, daß es
wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un-
heimlichen Glanze freilich, mit dem ſein früherer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="146"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Herr, Euer Pferd, es i&#x017F;t &#x017F;o ruhig, als<lb/>
ob es Bö&#x017F;es vorhabe!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Hauke lachte und nahm das Pferd &#x017F;elb&#x017F;t am<lb/>
Zügel, das &#x017F;ogleich liebko&#x017F;end den Kopf an &#x017F;einer<lb/>
Schulter rieb. Von den Arbeitern &#x017F;ahen einige<lb/>
&#x017F;cheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob<lb/>
das Alles &#x017F;ie nicht kümmere, aßen &#x017F;chweigend ihre<lb/>
Frühko&#x017F;t, dann und wann den Möven einen Brocken<lb/>
hinaufwerfend, die &#x017F;ich den Futterplatz gemerkt hatten<lb/>
und mit ihren &#x017F;chlanken Flügeln &#x017F;ich fa&#x017F;t auf ihre<lb/>
Köpfe &#x017F;enkten. Der Deichgraf blickte eine Weile<lb/>
wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie<lb/>
&#x017F;ie die zugeworfenen Bi&#x017F;&#x017F;en mit ihren Schnäbeln<lb/>
ha&#x017F;chten; dann &#x017F;prang er in den Sattel und ritt,<lb/>
ohne &#x017F;ich nach den Leuten umzu&#x017F;ehen, davon; einige<lb/>
Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen<lb/>
ihm fa&#x017F;t wie Hohn. &#x201E;Was i&#x017F;t das?&#x201D; &#x017F;prach er<lb/>
bei &#x017F;ich &#x017F;elber. &#x201E;Hatte denn Elke recht, daß &#x017F;ie<lb/>
Alle gegen mich &#x017F;ind? Auch die&#x017F;e Knechte und<lb/>
kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen<lb/>
Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wäch&#x017F;t?&#x201D;</p><lb/>
        <p>Er gab &#x017F;einem Pferde die Sporen, daß es<lb/>
wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un-<lb/>
heimlichen Glanze freilich, mit dem &#x017F;ein früherer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0158] — „Herr, Euer Pferd, es iſt ſo ruhig, als ob es Böſes vorhabe!” Hauke lachte und nahm das Pferd ſelbſt am Zügel, das ſogleich liebkoſend den Kopf an ſeiner Schulter rieb. Von den Arbeitern ſahen einige ſcheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob das Alles ſie nicht kümmere, aßen ſchweigend ihre Frühkoſt, dann und wann den Möven einen Brocken hinaufwerfend, die ſich den Futterplatz gemerkt hatten und mit ihren ſchlanken Flügeln ſich faſt auf ihre Köpfe ſenkten. Der Deichgraf blickte eine Weile wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie ſie die zugeworfenen Biſſen mit ihren Schnäbeln haſchten; dann ſprang er in den Sattel und ritt, ohne ſich nach den Leuten umzuſehen, davon; einige Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen ihm faſt wie Hohn. „Was iſt das?” ſprach er bei ſich ſelber. „Hatte denn Elke recht, daß ſie Alle gegen mich ſind? Auch dieſe Knechte und kleinen Leute, von denen Vielen durch meinen neuen Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächſt?” Er gab ſeinem Pferde die Sporen, daß es wie toll in den Koog hinabflog. Von dem un- heimlichen Glanze freilich, mit dem ſein früherer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/158
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/158>, abgerufen am 19.04.2024.