Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

fahren und abgeladen; nicht nur zur Bedeckung
des leichteren Materials, wie Sand und lose Erde,
dessen man an den Binnenseiten sich bediente,
wurde das Stroh benutzt; allmälig wurden einzelne
Strecken des Deiches fertig, und die Grassoden,
womit man sie belegt hatte, wurden stellenweis
zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit fester
Strohbestickung überzogen; bestellte Aufseher gingen
hin und her und, wenn es stürmte, standen sie
mit aufgerissenen Mäulern und schrieen ihre Befehle
durch Wind und Wetter; dazwischen ritt der Deich-
graf auf seinem Schimmel, den er jetzt ausschließlich
in Gebrauch hatte, und das Thier flog mit dem
Reiter hin und wieder, wenn er rasch und trocken
seine Anordnungen machte, wenn er die Arbeiter
lobte oder, wie es wohl geschah, einen Faulen
oder Ungeschickten ohn' Erbarmen aus der Arbeit
wies. "Das hilft nicht!" rief er dann; "um
Deine Faulheit darf uns nicht der Deich verderben!"
Schon von Weitem, wenn er unten aus dem Koog
heraufkam, hörten sie das Schnauben seines Rosses,
und alle Hände faßten fester in die Arbeit: "Frisch
zu! Der Schimmelreiter kommt!"

War es um die Frühstückszeit, wo die Arbeiter

fahren und abgeladen; nicht nur zur Bedeckung
des leichteren Materials, wie Sand und loſe Erde,
deſſen man an den Binnenſeiten ſich bediente,
wurde das Stroh benutzt; allmälig wurden einzelne
Strecken des Deiches fertig, und die Grasſoden,
womit man ſie belegt hatte, wurden ſtellenweis
zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit feſter
Strohbeſtickung überzogen; beſtellte Aufſeher gingen
hin und her und, wenn es ſtürmte, ſtanden ſie
mit aufgeriſſenen Mäulern und ſchrieen ihre Befehle
durch Wind und Wetter; dazwiſchen ritt der Deich-
graf auf ſeinem Schimmel, den er jetzt ausſchließlich
in Gebrauch hatte, und das Thier flog mit dem
Reiter hin und wieder, wenn er raſch und trocken
ſeine Anordnungen machte, wenn er die Arbeiter
lobte oder, wie es wohl geſchah, einen Faulen
oder Ungeſchickten ohn' Erbarmen aus der Arbeit
wies. „Das hilft nicht!” rief er dann; „um
Deine Faulheit darf uns nicht der Deich verderben!”
Schon von Weitem, wenn er unten aus dem Koog
heraufkam, hörten ſie das Schnauben ſeines Roſſes,
und alle Hände faßten feſter in die Arbeit: „Friſch
zu! Der Schimmelreiter kommt!”

War es um die Frühſtückszeit, wo die Arbeiter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="144"/>
fahren und abgeladen; nicht nur zur Bedeckung<lb/>
des leichteren Materials, wie Sand und lo&#x017F;e Erde,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en man an den Binnen&#x017F;eiten &#x017F;ich bediente,<lb/>
wurde das Stroh benutzt; allmälig wurden einzelne<lb/>
Strecken des Deiches fertig, und die Gras&#x017F;oden,<lb/>
womit man &#x017F;ie belegt hatte, wurden &#x017F;tellenweis<lb/>
zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit fe&#x017F;ter<lb/>
Strohbe&#x017F;tickung überzogen; be&#x017F;tellte Auf&#x017F;eher gingen<lb/>
hin und her und, wenn es &#x017F;türmte, &#x017F;tanden &#x017F;ie<lb/>
mit aufgeri&#x017F;&#x017F;enen Mäulern und &#x017F;chrieen ihre Befehle<lb/>
durch Wind und Wetter; dazwi&#x017F;chen ritt der Deich-<lb/>
graf auf &#x017F;einem Schimmel, den er jetzt aus&#x017F;chließlich<lb/>
in Gebrauch hatte, und das Thier flog mit dem<lb/>
Reiter hin und wieder, wenn er ra&#x017F;ch und trocken<lb/>
&#x017F;eine Anordnungen machte, wenn er die Arbeiter<lb/>
lobte oder, wie es wohl ge&#x017F;chah, einen Faulen<lb/>
oder Unge&#x017F;chickten ohn' Erbarmen aus der Arbeit<lb/>
wies. &#x201E;Das hilft nicht!&#x201D; rief er dann; &#x201E;um<lb/>
Deine Faulheit darf uns nicht der Deich verderben!&#x201D;<lb/>
Schon von Weitem, wenn er unten aus dem Koog<lb/>
heraufkam, hörten &#x017F;ie das Schnauben &#x017F;eines Ro&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
und alle Hände faßten fe&#x017F;ter in die Arbeit: &#x201E;Fri&#x017F;ch<lb/>
zu! Der Schimmelreiter kommt!&#x201D;</p><lb/>
        <p>War es um die Früh&#x017F;tückszeit, wo die Arbeiter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0156] fahren und abgeladen; nicht nur zur Bedeckung des leichteren Materials, wie Sand und loſe Erde, deſſen man an den Binnenſeiten ſich bediente, wurde das Stroh benutzt; allmälig wurden einzelne Strecken des Deiches fertig, und die Grasſoden, womit man ſie belegt hatte, wurden ſtellenweis zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit feſter Strohbeſtickung überzogen; beſtellte Aufſeher gingen hin und her und, wenn es ſtürmte, ſtanden ſie mit aufgeriſſenen Mäulern und ſchrieen ihre Befehle durch Wind und Wetter; dazwiſchen ritt der Deich- graf auf ſeinem Schimmel, den er jetzt ausſchließlich in Gebrauch hatte, und das Thier flog mit dem Reiter hin und wieder, wenn er raſch und trocken ſeine Anordnungen machte, wenn er die Arbeiter lobte oder, wie es wohl geſchah, einen Faulen oder Ungeſchickten ohn' Erbarmen aus der Arbeit wies. „Das hilft nicht!” rief er dann; „um Deine Faulheit darf uns nicht der Deich verderben!” Schon von Weitem, wenn er unten aus dem Koog heraufkam, hörten ſie das Schnauben ſeines Roſſes, und alle Hände faßten feſter in die Arbeit: „Friſch zu! Der Schimmelreiter kommt!” War es um die Frühſtückszeit, wo die Arbeiter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/156
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/156>, abgerufen am 19.04.2024.