Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

lachende Freude, wenn er nur ihren Namen nannte; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie "Anna" hieß.

Als die Gläser leer waren, wollte ich aufstehen; aber er hielt mich zurück und zog seine Uhr. "Noch nicht, John!" sagte er "es ist erst Zehn: sie schläft noch nicht."

Ich verstand ihn wohl; und so tranken wir noch weiter, und es war nach Elf, als wir davon gingen.

Noch an ein paar anderen Abenden saßen wir dort; aber jedesmal ein Viertelstündchen länger; und auf meine zwei Gläser trank Rick allemal drei; ich sah so viel, er war schon satt von seinem Tugendmuster und schätzte sie am höchsten, wenn sie schlief "Rick," sagte ich, "nimm Dich in Acht, das dritte Glas, das ist des Teufels!" Aber er lachte. "Es ist nur ein Zeitvertreib, John; um ein paar Wochen ist mein Schiff wieder flott; und dann giebt's wieder Arbeit und guten Schlaf!"

Am Tage darauf war meine Zeit in Hamburg abgelaufen; wir schüttelten uns die Hände, das Riekchen nickte sanft, und auch die kleine Anna gab mir ihr Patschchen und sagte kläglich: "De, Ohm Jiew!" Dann begleitete Rick mich auf mein Schiff.



lachende Freude, wenn er nur ihren Namen nannte; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie „Anna“ hieß.

Als die Gläser leer waren, wollte ich aufstehen; aber er hielt mich zurück und zog seine Uhr. „Noch nicht, John!“ sagte er „es ist erst Zehn: sie schläft noch nicht.“

Ich verstand ihn wohl; und so tranken wir noch weiter, und es war nach Elf, als wir davon gingen.

Noch an ein paar anderen Abenden saßen wir dort; aber jedesmal ein Viertelstündchen länger; und auf meine zwei Gläser trank Rick allemal drei; ich sah so viel, er war schon satt von seinem Tugendmuster und schätzte sie am höchsten, wenn sie schlief „Rick,“ sagte ich, „nimm Dich in Acht, das dritte Glas, das ist des Teufels!“ Aber er lachte. „Es ist nur ein Zeitvertreib, John; um ein paar Wochen ist mein Schiff wieder flott; und dann giebt’s wieder Arbeit und guten Schlaf!“

Am Tage darauf war meine Zeit in Hamburg abgelaufen; wir schüttelten uns die Hände, das Riekchen nickte sanft, und auch die kleine Anna gab mir ihr Patschchen und sagte kläglich: „De, Ohm Jiew!“ Dann begleitete Rick mich auf mein Schiff.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="34"/>
lachende Freude, wenn er nur ihren Namen nannte; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie &#x201E;Anna&#x201C; hieß.</p>
        <p>Als die Gläser leer waren, wollte ich aufstehen; aber er hielt mich zurück und zog seine Uhr. &#x201E;Noch nicht, John!&#x201C; sagte er &#x201E;es ist erst Zehn: sie schläft noch nicht.&#x201C;</p>
        <p>Ich verstand ihn wohl; und so tranken wir noch weiter, und es war nach Elf, als wir davon gingen.</p>
        <p>Noch an ein paar anderen Abenden saßen wir dort; aber jedesmal ein Viertelstündchen länger; und auf meine zwei Gläser trank Rick allemal drei; ich sah so viel, er war schon satt von seinem Tugendmuster und schätzte sie am höchsten, wenn sie schlief &#x201E;Rick,&#x201C; sagte ich, &#x201E;nimm Dich in Acht, das dritte Glas, das ist des Teufels!&#x201C; Aber er lachte. &#x201E;Es ist nur ein Zeitvertreib, John; um ein paar Wochen ist mein Schiff wieder flott; und dann giebt&#x2019;s wieder Arbeit und guten Schlaf!&#x201C;</p>
        <p>Am Tage darauf war meine Zeit in Hamburg abgelaufen; wir schüttelten uns die Hände, das Riekchen nickte sanft, und auch die kleine Anna gab mir ihr Patschchen und sagte kläglich: &#x201E;De, Ohm Jiew!&#x201C; Dann begleitete Rick mich auf mein Schiff.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0038] lachende Freude, wenn er nur ihren Namen nannte; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie „Anna“ hieß. Als die Gläser leer waren, wollte ich aufstehen; aber er hielt mich zurück und zog seine Uhr. „Noch nicht, John!“ sagte er „es ist erst Zehn: sie schläft noch nicht.“ Ich verstand ihn wohl; und so tranken wir noch weiter, und es war nach Elf, als wir davon gingen. Noch an ein paar anderen Abenden saßen wir dort; aber jedesmal ein Viertelstündchen länger; und auf meine zwei Gläser trank Rick allemal drei; ich sah so viel, er war schon satt von seinem Tugendmuster und schätzte sie am höchsten, wenn sie schlief „Rick,“ sagte ich, „nimm Dich in Acht, das dritte Glas, das ist des Teufels!“ Aber er lachte. „Es ist nur ein Zeitvertreib, John; um ein paar Wochen ist mein Schiff wieder flott; und dann giebt’s wieder Arbeit und guten Schlaf!“ Am Tage darauf war meine Zeit in Hamburg abgelaufen; wir schüttelten uns die Hände, das Riekchen nickte sanft, und auch die kleine Anna gab mir ihr Patschchen und sagte kläglich: „De, Ohm Jiew!“ Dann begleitete Rick mich auf mein Schiff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/38
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/38>, abgerufen am 19.04.2024.