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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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glühte gleich einem Christkind wie von innerem Rosenlichte.

"Nun, John?" sagte Rick wieder, "Du schweigst? Ja, Alter, dem müssen alle Teufel weichen!"

Und mit demselben schlug das Kind seine dunklen Augen aus und, die Aermchen nach dem Vater streckend, rief es: "Papa, mein Papa!"

Da riß Rick es ungestüm aus den Kissen und preßte das schöne Ding an sein Herz und küßte es vielmal und flüsterte ihm heimliche Worte in sein Ohr, so leise, daß ich nichts davon verstand. Ich sah es wohl, sein Herz war voll, und was er seinem Weib nicht geben konnte, das verschwendete er an das unvernünftige kleine Wesen.

Und doch, Nachbar; in späteren Jahren, und auch jetzt noch kommt es mir oftmals, es habe derzeit das Kind ihn dennoch wohl verstanden und sei nichts davon verloren gegangen.

- - Am andern Tage kam ich nach dem Abendbrote zu ihm, er saß am Stubenfenster mit untergeschlagenen Armen und schaute auf die enge stille Gasse; das Riekchen hatte ich bei meinem Eintritt in der Küche rumoren hören.

"Nun, Rick," rief ich, "was fängst Du für Mäuse?"

glühte gleich einem Christkind wie von innerem Rosenlichte.

„Nun, John?“ sagte Rick wieder, „Du schweigst? Ja, Alter, dem müssen alle Teufel weichen!“

Und mit demselben schlug das Kind seine dunklen Augen aus und, die Aermchen nach dem Vater streckend, rief es: „Papa, mein Papa!“

Da riß Rick es ungestüm aus den Kissen und preßte das schöne Ding an sein Herz und küßte es vielmal und flüsterte ihm heimliche Worte in sein Ohr, so leise, daß ich nichts davon verstand. Ich sah es wohl, sein Herz war voll, und was er seinem Weib nicht geben konnte, das verschwendete er an das unvernünftige kleine Wesen.

Und doch, Nachbar; in späteren Jahren, und auch jetzt noch kommt es mir oftmals, es habe derzeit das Kind ihn dennoch wohl verstanden und sei nichts davon verloren gegangen.

– – Am andern Tage kam ich nach dem Abendbrote zu ihm, er saß am Stubenfenster mit untergeschlagenen Armen und schaute auf die enge stille Gasse; das Riekchen hatte ich bei meinem Eintritt in der Küche rumoren hören.

„Nun, Rick,“ rief ich, „was fängst Du für Mäuse?“

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[32/0036] glühte gleich einem Christkind wie von innerem Rosenlichte. „Nun, John?“ sagte Rick wieder, „Du schweigst? Ja, Alter, dem müssen alle Teufel weichen!“ Und mit demselben schlug das Kind seine dunklen Augen aus und, die Aermchen nach dem Vater streckend, rief es: „Papa, mein Papa!“ Da riß Rick es ungestüm aus den Kissen und preßte das schöne Ding an sein Herz und küßte es vielmal und flüsterte ihm heimliche Worte in sein Ohr, so leise, daß ich nichts davon verstand. Ich sah es wohl, sein Herz war voll, und was er seinem Weib nicht geben konnte, das verschwendete er an das unvernünftige kleine Wesen. Und doch, Nachbar; in späteren Jahren, und auch jetzt noch kommt es mir oftmals, es habe derzeit das Kind ihn dennoch wohl verstanden und sei nichts davon verloren gegangen. – – Am andern Tage kam ich nach dem Abendbrote zu ihm, er saß am Stubenfenster mit untergeschlagenen Armen und schaute auf die enge stille Gasse; das Riekchen hatte ich bei meinem Eintritt in der Küche rumoren hören. „Nun, Rick,“ rief ich, „was fängst Du für Mäuse?“

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/36>, abgerufen am 18.04.2024.