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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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droben den Zweig, woran die Birnen saßen, zu sich heranzubiegen. Ich stand in plötzlichem Besinnen; auch die alte Stimme war mir bekannt. Eine untersetzte grauhaarige Gestalt aus meinen Hamburger Schülerjahren tauchte vor mir aus, daneben ein Kinder-, ein Mädchenangesicht. "Wenn er es wäre!" dachte ich bei mir selber; "und Riewe heißt er, vielleicht John Riew'!"

Da hörte ich einen Krach; und als ich ausblickte, sah ich es vor mir durch die Luft zur Erde fahren; ein gebrochener Ast baumelte oben von dem Baum herab; es war kein Zweifel, der Junge war herabgestürzt. "Man hat noch den Tod von Dir!" schrie der Alte. "Sind denn die Planken heil geblieben?" Und gleichzeitig hatte er sich gebückt und wollte dem Jungen auf die Beine helfen.

Der aber war schon ausgesprungen. "Thut nichts!" sagte er, sich zuckend seine Hüfte reibend. "Unkraut vergeht nicht, Ohm!"

Der Alte brummte etwas, das ich nicht mehr verstand; denn ich fürchtete, auf meinem Platz entdeckt zu werden, und hatte deshalb meine Wanderung fortgesetzt. Aber sein Gesicht war mir zugewandt gewesen, und ich wußte nun, es war mein alter Capitän John Riew', der sich dies Haus gebaut hatte. Noch

droben den Zweig, woran die Birnen saßen, zu sich heranzubiegen. Ich stand in plötzlichem Besinnen; auch die alte Stimme war mir bekannt. Eine untersetzte grauhaarige Gestalt aus meinen Hamburger Schülerjahren tauchte vor mir aus, daneben ein Kinder-, ein Mädchenangesicht. „Wenn er es wäre!“ dachte ich bei mir selber; „und Riewe heißt er, vielleicht John Riew’!“

Da hörte ich einen Krach; und als ich ausblickte, sah ich es vor mir durch die Luft zur Erde fahren; ein gebrochener Ast baumelte oben von dem Baum herab; es war kein Zweifel, der Junge war herabgestürzt. „Man hat noch den Tod von Dir!“ schrie der Alte. „Sind denn die Planken heil geblieben?“ Und gleichzeitig hatte er sich gebückt und wollte dem Jungen auf die Beine helfen.

Der aber war schon ausgesprungen. „Thut nichts!“ sagte er, sich zuckend seine Hüfte reibend. „Unkraut vergeht nicht, Ohm!“

Der Alte brummte etwas, das ich nicht mehr verstand; denn ich fürchtete, auf meinem Platz entdeckt zu werden, und hatte deshalb meine Wanderung fortgesetzt. Aber sein Gesicht war mir zugewandt gewesen, und ich wußte nun, es war mein alter Capitän John Riew’, der sich dies Haus gebaut hatte. Noch

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[12/0016] droben den Zweig, woran die Birnen saßen, zu sich heranzubiegen. Ich stand in plötzlichem Besinnen; auch die alte Stimme war mir bekannt. Eine untersetzte grauhaarige Gestalt aus meinen Hamburger Schülerjahren tauchte vor mir aus, daneben ein Kinder-, ein Mädchenangesicht. „Wenn er es wäre!“ dachte ich bei mir selber; „und Riewe heißt er, vielleicht John Riew’!“ Da hörte ich einen Krach; und als ich ausblickte, sah ich es vor mir durch die Luft zur Erde fahren; ein gebrochener Ast baumelte oben von dem Baum herab; es war kein Zweifel, der Junge war herabgestürzt. „Man hat noch den Tod von Dir!“ schrie der Alte. „Sind denn die Planken heil geblieben?“ Und gleichzeitig hatte er sich gebückt und wollte dem Jungen auf die Beine helfen. Der aber war schon ausgesprungen. „Thut nichts!“ sagte er, sich zuckend seine Hüfte reibend. „Unkraut vergeht nicht, Ohm!“ Der Alte brummte etwas, das ich nicht mehr verstand; denn ich fürchtete, auf meinem Platz entdeckt zu werden, und hatte deshalb meine Wanderung fortgesetzt. Aber sein Gesicht war mir zugewandt gewesen, und ich wußte nun, es war mein alter Capitän John Riew’, der sich dies Haus gebaut hatte. Noch

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Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/16>, abgerufen am 29.03.2024.