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Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Aber der Schulmeister sagt es doch.

Er schüttelte den Kopf. Das ist vorbei, sagte er.

Ich nahm nun die erhandelten Bilderchen aus meinem Skizzenbuch. Sind das deine Malereien? fragte ich.

Er nickte.

Wie hast du denn das zu Stande gebracht?

Ich habe es so gesehen, erwiderte er.

Recht so! rief ich. Und es ist auch so; es ist nur seltsam, daß nicht auch die Andern -- fast hätte ich gesagt: wir Andern -- es so sehen.

Er blickte mich fragend an, er verstand das nicht. Aber ich schrie ihm zu: Und du willst kein Maler werden, Junge? Was in aller Welt denn sonst?

Eine Weile zupfte er schweigend an seinen Fingern; dann sagte er: Ich werde ein Bauer, wie mein Vater.

Und doch, Paul, begann ich noch einmal, hast du nicht leben wollen, weil du nicht malen durftest.

Eine jähe Röthe schoß über das blasse Antlitz. Weßhalb sagen Sie mir das? sagte er zitternd.

Weil ich dir helfen möchte, Paul, erwiderte ich; denn bei den Todten ist nun einmal keine Hülfe.

Er schlug langsam die Augen zu mir auf und blickte mich fast angstvoll an. Ich suche einen tüchtigen Schüler, fuhr ich fort. Was meinst du, willst du es mit mir versuchen? Dabei gab ich ihm das Skizzenbüchlein aufgeschlagen in die Hand.

Es war doch, als wenn es plötzlich in den dunklen Augen blitzte; wie auf eine Offenbarung schaute er auf

Aber der Schulmeister sagt es doch.

Er schüttelte den Kopf. Das ist vorbei, sagte er.

Ich nahm nun die erhandelten Bilderchen aus meinem Skizzenbuch. Sind das deine Malereien? fragte ich.

Er nickte.

Wie hast du denn das zu Stande gebracht?

Ich habe es so gesehen, erwiderte er.

Recht so! rief ich. Und es ist auch so; es ist nur seltsam, daß nicht auch die Andern — fast hätte ich gesagt: wir Andern — es so sehen.

Er blickte mich fragend an, er verstand das nicht. Aber ich schrie ihm zu: Und du willst kein Maler werden, Junge? Was in aller Welt denn sonst?

Eine Weile zupfte er schweigend an seinen Fingern; dann sagte er: Ich werde ein Bauer, wie mein Vater.

Und doch, Paul, begann ich noch einmal, hast du nicht leben wollen, weil du nicht malen durftest.

Eine jähe Röthe schoß über das blasse Antlitz. Weßhalb sagen Sie mir das? sagte er zitternd.

Weil ich dir helfen möchte, Paul, erwiderte ich; denn bei den Todten ist nun einmal keine Hülfe.

Er schlug langsam die Augen zu mir auf und blickte mich fast angstvoll an. Ich suche einen tüchtigen Schüler, fuhr ich fort. Was meinst du, willst du es mit mir versuchen? Dabei gab ich ihm das Skizzenbüchlein aufgeschlagen in die Hand.

Es war doch, als wenn es plötzlich in den dunklen Augen blitzte; wie auf eine Offenbarung schaute er auf

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[0046] Aber der Schulmeister sagt es doch. Er schüttelte den Kopf. Das ist vorbei, sagte er. Ich nahm nun die erhandelten Bilderchen aus meinem Skizzenbuch. Sind das deine Malereien? fragte ich. Er nickte. Wie hast du denn das zu Stande gebracht? Ich habe es so gesehen, erwiderte er. Recht so! rief ich. Und es ist auch so; es ist nur seltsam, daß nicht auch die Andern — fast hätte ich gesagt: wir Andern — es so sehen. Er blickte mich fragend an, er verstand das nicht. Aber ich schrie ihm zu: Und du willst kein Maler werden, Junge? Was in aller Welt denn sonst? Eine Weile zupfte er schweigend an seinen Fingern; dann sagte er: Ich werde ein Bauer, wie mein Vater. Und doch, Paul, begann ich noch einmal, hast du nicht leben wollen, weil du nicht malen durftest. Eine jähe Röthe schoß über das blasse Antlitz. Weßhalb sagen Sie mir das? sagte er zitternd. Weil ich dir helfen möchte, Paul, erwiderte ich; denn bei den Todten ist nun einmal keine Hülfe. Er schlug langsam die Augen zu mir auf und blickte mich fast angstvoll an. Ich suche einen tüchtigen Schüler, fuhr ich fort. Was meinst du, willst du es mit mir versuchen? Dabei gab ich ihm das Skizzenbüchlein aufgeschlagen in die Hand. Es war doch, als wenn es plötzlich in den dunklen Augen blitzte; wie auf eine Offenbarung schaute er auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:17:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:17:45Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/46>, abgerufen am 28.03.2024.