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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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damit nicht etwa die Röhrenbauten der Lehm¬
wespen, die überall aus den Mauerfugen des
Stalles hervorragten, obschon es anmuthig genug
war, in beschaulicher Mittagsstunde das Aus-
und Einfliegen der emsigen Thierchen zu beob¬
achten; ich meine den viel größeren Bau der
alten und ungewöhnlich stattlichen Dorfkirche.
Bis an das Schindeldach des hohen Thurmes
war sie von Grund auf aus Granitquadern auf¬
gebaut und beherrschte, aus dem höchsten Punkt
des Dorfes sich erhebend, die weite Schau über
Haide, Strand und Marschen. -- Die meiste
Anziehungskraft für mich hatte indeß das Innere
der Kirche; schon der ungeheure Schlüssel, der
von dem Apostel Petrus selbst zu stammen schien,
erregte meine Phantasie. Und in der That er¬
schloß er auch, wenn wir ihn glücklich dem alten
Küster abgewonnen hatten, die Pforte zu manchen
wunderbaren Dingen, aus denen eine längst ver¬
gangene Zeit hier wie mit finsteren, dort mit
kindlich frommen Augen, aber immer in geheim¬
nißvollem Schweigen zu uns Lebenden aufblickte.

damit nicht etwa die Röhrenbauten der Lehm¬
wespen, die überall aus den Mauerfugen des
Stalles hervorragten, obſchon es anmuthig genug
war, in beſchaulicher Mittagsſtunde das Aus-
und Einfliegen der emſigen Thierchen zu beob¬
achten; ich meine den viel größeren Bau der
alten und ungewöhnlich ſtattlichen Dorfkirche.
Bis an das Schindeldach des hohen Thurmes
war ſie von Grund auf aus Granitquadern auf¬
gebaut und beherrſchte, aus dem höchſten Punkt
des Dorfes ſich erhebend, die weite Schau über
Haide, Strand und Marſchen. — Die meiſte
Anziehungskraft für mich hatte indeß das Innere
der Kirche; ſchon der ungeheure Schlüſſel, der
von dem Apoſtel Petrus ſelbſt zu ſtammen ſchien,
erregte meine Phantaſie. Und in der That er¬
ſchloß er auch, wenn wir ihn glücklich dem alten
Küſter abgewonnen hatten, die Pforte zu manchen
wunderbaren Dingen, aus denen eine längſt ver¬
gangene Zeit hier wie mit finſteren, dort mit
kindlich frommen Augen, aber immer in geheim¬
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[6/0020] damit nicht etwa die Röhrenbauten der Lehm¬ wespen, die überall aus den Mauerfugen des Stalles hervorragten, obſchon es anmuthig genug war, in beſchaulicher Mittagsſtunde das Aus- und Einfliegen der emſigen Thierchen zu beob¬ achten; ich meine den viel größeren Bau der alten und ungewöhnlich ſtattlichen Dorfkirche. Bis an das Schindeldach des hohen Thurmes war ſie von Grund auf aus Granitquadern auf¬ gebaut und beherrſchte, aus dem höchſten Punkt des Dorfes ſich erhebend, die weite Schau über Haide, Strand und Marſchen. — Die meiſte Anziehungskraft für mich hatte indeß das Innere der Kirche; ſchon der ungeheure Schlüſſel, der von dem Apoſtel Petrus ſelbſt zu ſtammen ſchien, erregte meine Phantaſie. Und in der That er¬ ſchloß er auch, wenn wir ihn glücklich dem alten Küſter abgewonnen hatten, die Pforte zu manchen wunderbaren Dingen, aus denen eine längſt ver¬ gangene Zeit hier wie mit finſteren, dort mit kindlich frommen Augen, aber immer in geheim¬ nißvollem Schweigen zu uns Lebenden aufblickte.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/20>, abgerufen am 25.04.2024.