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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Haidekrauts die Immen und weißgrauen Hum¬
meln und rannte unter den dürren Stengeln
desselben der schöne, goldgrüne Laufkäfer; hier
in den Duftwolken der Eriken und des harzigen
Gagelstrauches schwebten Schmetterlinge, die nir¬
gends sonst zu finden waren. Mein ungeduldig
dem Elternhause zustrebender Freund hatte oft
seine liebe Noth, seinen träumerischen Genossen
durch all' die Herrlichkeiten mit sich fort zu bringen;
hatten wir jedoch das angebaute Feld erreicht,
dann ging es auch um desto munterer vorwärts,
und bald, wenn wir nur erst den langen Sand¬
weg hinaufwateten, erblickten wir auch schon über
dem dunklen Grün einer Fliederhecke den Giebel
des Pastorhauses, aus dem das Studirzimmer
des Pastors mit seinen kleinen, blinden Fenster¬
scheiben auf die bekannten Gäste hinabgrüßte.

Bei den Pastorsleuten, deren einziges Kind
mein Freund war, hatten wir allezeit, wie wir
hier zu sagen pflegen, fünf Quartier auf der
Elle, ganz abgesehen von der wunderbaren Natu¬
ralverpflegung. Nur die Silberpappel, der einzig

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Haidekrauts die Immen und weißgrauen Hum¬
meln und rannte unter den dürren Stengeln
deſſelben der ſchöne, goldgrüne Laufkäfer; hier
in den Duftwolken der Eriken und des harzigen
Gagelſtrauches ſchwebten Schmetterlinge, die nir¬
gends ſonſt zu finden waren. Mein ungeduldig
dem Elternhauſe zuſtrebender Freund hatte oft
ſeine liebe Noth, ſeinen träumeriſchen Genoſſen
durch all' die Herrlichkeiten mit ſich fort zu bringen;
hatten wir jedoch das angebaute Feld erreicht,
dann ging es auch um deſto munterer vorwärts,
und bald, wenn wir nur erſt den langen Sand¬
weg hinaufwateten, erblickten wir auch ſchon über
dem dunklen Grün einer Fliederhecke den Giebel
des Paſtorhauſes, aus dem das Studirzimmer
des Paſtors mit ſeinen kleinen, blinden Fenſter¬
ſcheiben auf die bekannten Gäſte hinabgrüßte.

Bei den Paſtorsleuten, deren einziges Kind
mein Freund war, hatten wir allezeit, wie wir
hier zu ſagen pflegen, fünf Quartier auf der
Elle, ganz abgeſehen von der wunderbaren Natu¬
ralverpflegung. Nur die Silberpappel, der einzig

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[3/0017] Haidekrauts die Immen und weißgrauen Hum¬ meln und rannte unter den dürren Stengeln deſſelben der ſchöne, goldgrüne Laufkäfer; hier in den Duftwolken der Eriken und des harzigen Gagelſtrauches ſchwebten Schmetterlinge, die nir¬ gends ſonſt zu finden waren. Mein ungeduldig dem Elternhauſe zuſtrebender Freund hatte oft ſeine liebe Noth, ſeinen träumeriſchen Genoſſen durch all' die Herrlichkeiten mit ſich fort zu bringen; hatten wir jedoch das angebaute Feld erreicht, dann ging es auch um deſto munterer vorwärts, und bald, wenn wir nur erſt den langen Sand¬ weg hinaufwateten, erblickten wir auch ſchon über dem dunklen Grün einer Fliederhecke den Giebel des Paſtorhauſes, aus dem das Studirzimmer des Paſtors mit ſeinen kleinen, blinden Fenſter¬ ſcheiben auf die bekannten Gäſte hinabgrüßte. Bei den Paſtorsleuten, deren einziges Kind mein Freund war, hatten wir allezeit, wie wir hier zu ſagen pflegen, fünf Quartier auf der Elle, ganz abgeſehen von der wunderbaren Natu¬ ralverpflegung. Nur die Silberpappel, der einzig 1 *

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/17>, abgerufen am 18.04.2024.