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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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fleißes, um ein Beyspiel zu geben, siebzehn
Menschen in siebzehnerley verschiedenen auf ein-
ander folgenden Beschäftigungen zur Verferti-
gung einer Stecknadel gebraucht. Durch diese
Vereinzelung der Arbeit wird der Mechanismus
derselben zur höchsten Vollkommenheit gebracht,
und also die Produktion in einem nicht zu be-
rechnenden Verhältniß vergrößert. Der kleine
Markt, den die Nachbarschaft dem Künstler
darbietet, wird bald mit seinen Produkten über-
laden; der Preis derselben fällt, und er sieht
sich gezwungen, entweder zu hungern, oder --
einen neuen und größern Markt zu suchen. So
entsteht der Handel, ohne welchen keine Ver-
theilung der Arbeit, folglich keine Vervollkomm-
nung derselben, folglich keine Bequemlichkeit,
kein Luxus statt finden kann.

Diese und ähnliche Betrachtungen, in wel-
che sich der Beobachter beym Anblick menschlicher
Thätigkeit verliert, sind der fruchtbarste Kom-
mentar über die Schilderungen, die wir von
dem wirklichen Zustande einzelner Völker in die-
sem oder jenem Zeitpunkte ihrer Kultur erhalten.
Bald reißt die Größe des Gegenstandes und die
Kühnheit des menschlichen Unternehmungsgei-

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fleißes, um ein Beyſpiel zu geben, ſiebzehn
Menſchen in ſiebzehnerley verſchiedenen auf ein-
ander folgenden Beſchaͤftigungen zur Verferti-
gung einer Stecknadel gebraucht. Durch dieſe
Vereinzelung der Arbeit wird der Mechanismus
derſelben zur hoͤchſten Vollkommenheit gebracht,
und alſo die Produktion in einem nicht zu be-
rechnenden Verhaͤltniß vergroͤßert. Der kleine
Markt, den die Nachbarſchaft dem Kuͤnſtler
darbietet, wird bald mit ſeinen Produkten uͤber-
laden; der Preis derſelben faͤllt, und er ſieht
ſich gezwungen, entweder zu hungern, oder —
einen neuen und groͤßern Markt zu ſuchen. So
entſteht der Handel, ohne welchen keine Ver-
theilung der Arbeit, folglich keine Vervollkomm-
nung derſelben, folglich keine Bequemlichkeit,
kein Luxus ſtatt finden kann.

Dieſe und aͤhnliche Betrachtungen, in wel-
che ſich der Beobachter beym Anblick menſchlicher
Thaͤtigkeit verliert, ſind der fruchtbarſte Kom-
mentar uͤber die Schilderungen, die wir von
dem wirklichen Zuſtande einzelner Voͤlker in die-
ſem oder jenem Zeitpunkte ihrer Kultur erhalten.
Bald reißt die Groͤße des Gegenſtandes und die
Kuͤhnheit des menſchlichen Unternehmungsgei-

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[9/0025] fleißes, um ein Beyſpiel zu geben, ſiebzehn Menſchen in ſiebzehnerley verſchiedenen auf ein- ander folgenden Beſchaͤftigungen zur Verferti- gung einer Stecknadel gebraucht. Durch dieſe Vereinzelung der Arbeit wird der Mechanismus derſelben zur hoͤchſten Vollkommenheit gebracht, und alſo die Produktion in einem nicht zu be- rechnenden Verhaͤltniß vergroͤßert. Der kleine Markt, den die Nachbarſchaft dem Kuͤnſtler darbietet, wird bald mit ſeinen Produkten uͤber- laden; der Preis derſelben faͤllt, und er ſieht ſich gezwungen, entweder zu hungern, oder — einen neuen und groͤßern Markt zu ſuchen. So entſteht der Handel, ohne welchen keine Ver- theilung der Arbeit, folglich keine Vervollkomm- nung derſelben, folglich keine Bequemlichkeit, kein Luxus ſtatt finden kann. Dieſe und aͤhnliche Betrachtungen, in wel- che ſich der Beobachter beym Anblick menſchlicher Thaͤtigkeit verliert, ſind der fruchtbarſte Kom- mentar uͤber die Schilderungen, die wir von dem wirklichen Zuſtande einzelner Voͤlker in die- ſem oder jenem Zeitpunkte ihrer Kultur erhalten. Bald reißt die Groͤße des Gegenſtandes und die Kuͤhnheit des menſchlichen Unternehmungsgei- A 5

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/25>, abgerufen am 29.03.2024.