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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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werfen, aber nur einen flüchtigen Blick: denn
um alles auf einmal zu sehen, würden wir wahr-
scheinlich nichts sehen.

Die Physiognomie der Residenz ist la-
chend. Gerade, breite und zum Theil sehr lan-
ge Straßen, die sich häufig in stumpfen und spi-
tzen Winkeln durchschneiden -- große freye
Plätze -- Mannigfaltigkeit in der Bauart der
Häuser -- endlich die vielen Kanäle und der
schöne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge-
schmackvollen Einfassungen, machen den großen
Anblick heiter und angenehm. In Ansehung der
Regelmäßigkeit und Anlage zur Schönheit läßt
Petersburg sich nur mit wenigen großen Städten
in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge
seiner Palläste und der fortdaurenden Aufmerk-
samkeit auf die Verbesserung seiner fehlerhaften
Anlage, kann nie eine schöne Stadt werden, und
London ist es nur in seinen neuerbauten Theilen.
Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Rück-
sicht auf schöne Regelmäßigkeit, aber Petersburg
hat mehr große Anlagen. Dort stößt das Auge
seltner auf leere unbebaute Plätze oder hölzerne
Hütten; hier findet man mehrere Paläste und
große Privatgebäude, breitere Straßen und eine

werfen, aber nur einen fluͤchtigen Blick: denn
um alles auf einmal zu ſehen, wuͤrden wir wahr-
ſcheinlich nichts ſehen.

Die Phyſiognomie der Reſidenz iſt la-
chend. Gerade, breite und zum Theil ſehr lan-
ge Straßen, die ſich haͤufig in ſtumpfen und ſpi-
tzen Winkeln durchſchneiden — große freye
Plaͤtze — Mannigfaltigkeit in der Bauart der
Haͤuſer — endlich die vielen Kanaͤle und der
ſchoͤne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge-
ſchmackvollen Einfaſſungen, machen den großen
Anblick heiter und angenehm. In Anſehung der
Regelmaͤßigkeit und Anlage zur Schoͤnheit laͤßt
Petersburg ſich nur mit wenigen großen Staͤdten
in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge
ſeiner Pallaͤſte und der fortdaurenden Aufmerk-
ſamkeit auf die Verbeſſerung ſeiner fehlerhaften
Anlage, kann nie eine ſchoͤne Stadt werden, und
London iſt es nur in ſeinen neuerbauten Theilen.
Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Ruͤck-
ſicht auf ſchoͤne Regelmaͤßigkeit, aber Petersburg
hat mehr große Anlagen. Dort ſtoͤßt das Auge
ſeltner auf leere unbebaute Plaͤtze oder hoͤlzerne
Huͤtten; hier findet man mehrere Palaͤſte und
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[14/0048] werfen, aber nur einen fluͤchtigen Blick: denn um alles auf einmal zu ſehen, wuͤrden wir wahr- ſcheinlich nichts ſehen. Die Phyſiognomie der Reſidenz iſt la- chend. Gerade, breite und zum Theil ſehr lan- ge Straßen, die ſich haͤufig in ſtumpfen und ſpi- tzen Winkeln durchſchneiden — große freye Plaͤtze — Mannigfaltigkeit in der Bauart der Haͤuſer — endlich die vielen Kanaͤle und der ſchoͤne Newafluß mit ihren dauerhaften und ge- ſchmackvollen Einfaſſungen, machen den großen Anblick heiter und angenehm. In Anſehung der Regelmaͤßigkeit und Anlage zur Schoͤnheit laͤßt Petersburg ſich nur mit wenigen großen Staͤdten in Europa vergleichen. Paris, trotz der Menge ſeiner Pallaͤſte und der fortdaurenden Aufmerk- ſamkeit auf die Verbeſſerung ſeiner fehlerhaften Anlage, kann nie eine ſchoͤne Stadt werden, und London iſt es nur in ſeinen neuerbauten Theilen. Berlin wetteifert mit jeder andern Stadt in Ruͤck- ſicht auf ſchoͤne Regelmaͤßigkeit, aber Petersburg hat mehr große Anlagen. Dort ſtoͤßt das Auge ſeltner auf leere unbebaute Plaͤtze oder hoͤlzerne Huͤtten; hier findet man mehrere Palaͤſte und große Privatgebaͤude, breitere Straßen und eine

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/48>, abgerufen am 24.04.2024.