Büchermachern auf den Hals werfen kann, ohne daß sie darüber unwillig zu werden oder zu erröthen brauchen, giebt es den- noch einen, gegen den sich das Gefühl je- des ehrlichen Mannes empört. Dieser Vorwurf, den der Verfasser von einer ge- wissen Klasse von Lesern schon bey der bloßen Ansicht des Titelblattes erwartet, ist nichts geringers als -- die göttliche Wahrheit in der geschloßnen Hand behalten zuhaben.
Wahrheit und Unwahrheit stehen be- kanntlich sehr weit auseinander. Geflis- sentlich Unwahrheit verbreiten, ist das schänd- lichste und für die Menschheit schädlichste Geschäfte, welchem sich ein Schriftsteller preis geben kann; aber Wahrheit zurückbe- halten wo es Noth thut (und daß es je- zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht bewiesen werden) ist ein Verdienst, welches zwar nur undankbare Früchte trägt, zu des- sen Erwerbung aber ein sehr aufgeklärter und durch praktische Welt und Menschen-
Buͤchermachern auf den Hals werfen kann, ohne daß ſie daruͤber unwillig zu werden oder zu erroͤthen brauchen, giebt es den- noch einen, gegen den ſich das Gefuͤhl je- des ehrlichen Mannes empoͤrt. Dieſer Vorwurf, den der Verfaſſer von einer ge- wiſſen Klaſſe von Leſern ſchon bey der bloßen Anſicht des Titelblattes erwartet, iſt nichts geringers als — die goͤttliche Wahrheit in der geſchloßnen Hand behalten zuhaben.
Wahrheit und Unwahrheit ſtehen be- kanntlich ſehr weit auseinander. Gefliſ- ſentlich Unwahrheit verbreiten, iſt das ſchaͤnd- lichſte und fuͤr die Menſchheit ſchaͤdlichſte Geſchaͤfte, welchem ſich ein Schriftſteller preis geben kann; aber Wahrheit zuruͤckbe- halten wo es Noth thut (und daß es je- zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht bewieſen werden) iſt ein Verdienſt, welches zwar nur undankbare Fruͤchte traͤgt, zu deſ- ſen Erwerbung aber ein ſehr aufgeklaͤrter und durch praktiſche Welt und Menſchen-
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[X/0020]
Buͤchermachern auf den Hals werfen kann,
ohne daß ſie daruͤber unwillig zu werden
oder zu erroͤthen brauchen, giebt es den-
noch einen, gegen den ſich das Gefuͤhl je-
des ehrlichen Mannes empoͤrt. Dieſer
Vorwurf, den der Verfaſſer von einer ge-
wiſſen Klaſſe von Leſern ſchon bey der
bloßen Anſicht des Titelblattes erwartet,
iſt nichts geringers als — die goͤttliche
Wahrheit in der geſchloßnen Hand
behalten zuhaben.
Wahrheit und Unwahrheit ſtehen be-
kanntlich ſehr weit auseinander. Gefliſ-
ſentlich Unwahrheit verbreiten, iſt das ſchaͤnd-
lichſte und fuͤr die Menſchheit ſchaͤdlichſte
Geſchaͤfte, welchem ſich ein Schriftſteller
preis geben kann; aber Wahrheit zuruͤckbe-
halten wo es Noth thut (und daß es je-
zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht
bewieſen werden) iſt ein Verdienſt, welches
zwar nur undankbare Fruͤchte traͤgt, zu deſ-
ſen Erwerbung aber ein ſehr aufgeklaͤrter
und durch praktiſche Welt und Menſchen-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/20>, abgerufen am 28.03.2024.
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