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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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Büchermachern auf den Hals werfen kann,
ohne daß sie darüber unwillig zu werden
oder zu erröthen brauchen, giebt es den-
noch einen, gegen den sich das Gefühl je-
des ehrlichen Mannes empört. Dieser
Vorwurf, den der Verfasser von einer ge-
wissen Klasse von Lesern schon bey der
bloßen Ansicht des Titelblattes erwartet,
ist nichts geringers als -- die göttliche
Wahrheit in der geschloßnen Hand
behalten zuhaben
.

Wahrheit und Unwahrheit stehen be-
kanntlich sehr weit auseinander. Geflis-
sentlich Unwahrheit verbreiten, ist das schänd-
lichste und für die Menschheit schädlichste
Geschäfte, welchem sich ein Schriftsteller
preis geben kann; aber Wahrheit zurückbe-
halten wo es Noth thut (und daß es je-
zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht
bewiesen werden) ist ein Verdienst, welches
zwar nur undankbare Früchte trägt, zu des-
sen Erwerbung aber ein sehr aufgeklärter
und durch praktische Welt und Menschen-

Buͤchermachern auf den Hals werfen kann,
ohne daß ſie daruͤber unwillig zu werden
oder zu erroͤthen brauchen, giebt es den-
noch einen, gegen den ſich das Gefuͤhl je-
des ehrlichen Mannes empoͤrt. Dieſer
Vorwurf, den der Verfaſſer von einer ge-
wiſſen Klaſſe von Leſern ſchon bey der
bloßen Anſicht des Titelblattes erwartet,
iſt nichts geringers als — die goͤttliche
Wahrheit in der geſchloßnen Hand
behalten zuhaben
.

Wahrheit und Unwahrheit ſtehen be-
kanntlich ſehr weit auseinander. Gefliſ-
ſentlich Unwahrheit verbreiten, iſt das ſchaͤnd-
lichſte und fuͤr die Menſchheit ſchaͤdlichſte
Geſchaͤfte, welchem ſich ein Schriftſteller
preis geben kann; aber Wahrheit zuruͤckbe-
halten wo es Noth thut (und daß es je-
zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht
bewieſen werden) iſt ein Verdienſt, welches
zwar nur undankbare Fruͤchte traͤgt, zu deſ-
ſen Erwerbung aber ein ſehr aufgeklaͤrter
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[X/0020] Buͤchermachern auf den Hals werfen kann, ohne daß ſie daruͤber unwillig zu werden oder zu erroͤthen brauchen, giebt es den- noch einen, gegen den ſich das Gefuͤhl je- des ehrlichen Mannes empoͤrt. Dieſer Vorwurf, den der Verfaſſer von einer ge- wiſſen Klaſſe von Leſern ſchon bey der bloßen Anſicht des Titelblattes erwartet, iſt nichts geringers als — die goͤttliche Wahrheit in der geſchloßnen Hand behalten zuhaben. Wahrheit und Unwahrheit ſtehen be- kanntlich ſehr weit auseinander. Gefliſ- ſentlich Unwahrheit verbreiten, iſt das ſchaͤnd- lichſte und fuͤr die Menſchheit ſchaͤdlichſte Geſchaͤfte, welchem ſich ein Schriftſteller preis geben kann; aber Wahrheit zuruͤckbe- halten wo es Noth thut (und daß es je- zuweilen Noth thut, darf hier wol nicht bewieſen werden) iſt ein Verdienſt, welches zwar nur undankbare Fruͤchte traͤgt, zu deſ- ſen Erwerbung aber ein ſehr aufgeklaͤrter und durch praktiſche Welt und Menſchen-

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/20>, abgerufen am 28.03.2024.