Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

wobei er zugleich anzeigte, daß nach Ablauf von sechs Wochen
wieder Auflegen gehalten werden solle. Wenn Gesellen vorhan-
den waren, welche einer Auflage in der betreffenden Stadt noch
nicht beigewohnt hatten, so wurden sie nun aufgerufen; zu dem
Ende fragte der Altgesell:

Mit Gunst! Ist etwa ein guter fremder Schmied hier,
der noch nicht in dieser Stadt gearbeitet hat, der trete
vor und gebe seinen ehrlichen Namen zu erkennen und
lasse sich einschreiben.
Fremder Gesell. Mit Gunst bin ich niedergesessen, mit
Gunst, daß ich mag aufstehen, abschreiten, fortschreiten
und vor günstiger Meister und Gesellen Tisch treten.
Altgesell. Es sey Dir wohl vergönnt.
Fremder Gesell. Mit Gunst, was ist der günstigen Mei-
ster und Gesellen Begehr?
Altgesell. Es ist nicht allein günstiger Meister und Ge-
sellen Begehr, sondern Handwerksgebrauch und Gewohn-
heit, wenn ein Gesell acht oder vierzehn Tage in einer
Stadt gearbeitet hat, daß er sich einschreiben läßt; ist
das dein Wille (indem er ihm den Hammer vorhält),
so gelobe an. *)
Fremder Gesell (berührt den Hammer).
Altgesell. Grüß Dich Gott, mein Schmied!
Fremder. Dank Dir Gott, mein Schmied!
Altgesell. Mein Schmied, wo streich'st Du her,
Daß Deine Schuh' so staubig,
Dein Haar so krausig,
Dein Bart auf beiden Seiten
Gleich einem Schwerd herausgespitzt?
Hast einen feinen meisterlichen Bart,
Und eine feine meisterliche Art;
Mein Schmied, bist Du schon Meister gewesen,
Oder gedenk'st es noch zu werden?
*) Symbolisches Gelöbniß der Treue und des Gehorsams. Auch der
Stab des Richters wurde von Bittenden und Gelobenden berührt.
(Grimm a. a. O. S. 135.)
6

wobei er zugleich anzeigte, daß nach Ablauf von ſechs Wochen
wieder Auflegen gehalten werden ſolle. Wenn Geſellen vorhan-
den waren, welche einer Auflage in der betreffenden Stadt noch
nicht beigewohnt hatten, ſo wurden ſie nun aufgerufen; zu dem
Ende fragte der Altgeſell:

Mit Gunſt! Iſt etwa ein guter fremder Schmied hier,
der noch nicht in dieſer Stadt gearbeitet hat, der trete
vor und gebe ſeinen ehrlichen Namen zu erkennen und
laſſe ſich einſchreiben.
Fremder Geſell. Mit Gunſt bin ich niedergeſeſſen, mit
Gunſt, daß ich mag aufſtehen, abſchreiten, fortſchreiten
und vor günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch treten.
Altgeſell. Es ſey Dir wohl vergönnt.
Fremder Geſell. Mit Gunſt, was iſt der günſtigen Mei-
ſter und Geſellen Begehr?
Altgeſell. Es iſt nicht allein günſtiger Meiſter und Ge-
ſellen Begehr, ſondern Handwerksgebrauch und Gewohn-
heit, wenn ein Geſell acht oder vierzehn Tage in einer
Stadt gearbeitet hat, daß er ſich einſchreiben läßt; iſt
das dein Wille (indem er ihm den Hammer vorhält),
ſo gelobe an. *)
Fremder Geſell (berührt den Hammer).
Altgeſell. Grüß Dich Gott, mein Schmied!
Fremder. Dank Dir Gott, mein Schmied!
Altgeſell. Mein Schmied, wo ſtreich’ſt Du her,
Daß Deine Schuh’ ſo ſtaubig,
Dein Haar ſo krauſig,
Dein Bart auf beiden Seiten
Gleich einem Schwerd herausgeſpitzt?
Haſt einen feinen meiſterlichen Bart,
Und eine feine meiſterliche Art;
Mein Schmied, biſt Du ſchon Meiſter geweſen,
Oder gedenk’ſt es noch zu werden?
*) Symboliſches Gelöbniß der Treue und des Gehorſams. Auch der
Stab des Richters wurde von Bittenden und Gelobenden berührt.
(Grimm a. a. O. S. 135.)
6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="81"/>
wobei er zugleich anzeigte, daß nach Ablauf von &#x017F;echs Wochen<lb/>
wieder Auflegen gehalten werden &#x017F;olle. Wenn Ge&#x017F;ellen vorhan-<lb/>
den waren, welche einer Auflage in der betreffenden Stadt noch<lb/>
nicht beigewohnt hatten, &#x017F;o wurden &#x017F;ie nun aufgerufen; zu dem<lb/>
Ende fragte der Altge&#x017F;ell:</p><lb/>
            <list>
              <item>Mit Gun&#x017F;t! I&#x017F;t etwa ein guter fremder Schmied hier,<lb/>
der noch nicht in die&#x017F;er Stadt gearbeitet hat, der trete<lb/>
vor und gebe &#x017F;einen ehrlichen Namen zu erkennen und<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich ein&#x017F;chreiben.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Fremder Ge&#x017F;ell</hi>. Mit Gun&#x017F;t bin ich niederge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, mit<lb/>
Gun&#x017F;t, daß ich mag auf&#x017F;tehen, ab&#x017F;chreiten, fort&#x017F;chreiten<lb/>
und vor gün&#x017F;tiger Mei&#x017F;ter und Ge&#x017F;ellen Ti&#x017F;ch treten.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Altge&#x017F;ell</hi>. Es &#x017F;ey Dir wohl vergönnt.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Fremder Ge&#x017F;ell</hi>. Mit Gun&#x017F;t, was i&#x017F;t der gün&#x017F;tigen Mei-<lb/>
&#x017F;ter und Ge&#x017F;ellen Begehr?</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Altge&#x017F;ell</hi>. Es i&#x017F;t nicht allein gün&#x017F;tiger Mei&#x017F;ter und Ge-<lb/>
&#x017F;ellen Begehr, &#x017F;ondern Handwerksgebrauch und Gewohn-<lb/>
heit, wenn ein Ge&#x017F;ell acht oder vierzehn Tage in einer<lb/>
Stadt gearbeitet hat, daß er &#x017F;ich ein&#x017F;chreiben läßt; i&#x017F;t<lb/>
das dein Wille (indem er ihm den Hammer vorhält),<lb/>
&#x017F;o gelobe an. <note place="foot" n="*)">Symboli&#x017F;ches Gelöbniß der Treue und des Gehor&#x017F;ams. Auch der<lb/>
Stab des Richters wurde von Bittenden und Gelobenden berührt.<lb/>
(Grimm a. a. O. S. 135.)</note></item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Fremder Ge&#x017F;ell</hi> (berührt den Hammer).</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Altge&#x017F;ell</hi>. Grüß Dich Gott, mein Schmied!</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Fremder</hi>. Dank Dir Gott, mein Schmied!</item><lb/>
              <item><hi rendition="#g">Altge&#x017F;ell</hi>. Mein Schmied, wo &#x017F;treich&#x2019;&#x017F;t Du her,<lb/><hi rendition="#et">Daß Deine Schuh&#x2019; &#x017F;o &#x017F;taubig,<lb/>
Dein Haar &#x017F;o krau&#x017F;ig,<lb/>
Dein Bart auf beiden Seiten<lb/>
Gleich einem Schwerd herausge&#x017F;pitzt?<lb/>
Ha&#x017F;t einen feinen mei&#x017F;terlichen Bart,<lb/>
Und eine feine mei&#x017F;terliche Art;<lb/>
Mein Schmied, bi&#x017F;t Du &#x017F;chon Mei&#x017F;ter gewe&#x017F;en,<lb/>
Oder gedenk&#x2019;&#x017F;t es noch zu werden?</hi></item>
            </list><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">6</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0091] wobei er zugleich anzeigte, daß nach Ablauf von ſechs Wochen wieder Auflegen gehalten werden ſolle. Wenn Geſellen vorhan- den waren, welche einer Auflage in der betreffenden Stadt noch nicht beigewohnt hatten, ſo wurden ſie nun aufgerufen; zu dem Ende fragte der Altgeſell: Mit Gunſt! Iſt etwa ein guter fremder Schmied hier, der noch nicht in dieſer Stadt gearbeitet hat, der trete vor und gebe ſeinen ehrlichen Namen zu erkennen und laſſe ſich einſchreiben. Fremder Geſell. Mit Gunſt bin ich niedergeſeſſen, mit Gunſt, daß ich mag aufſtehen, abſchreiten, fortſchreiten und vor günſtiger Meiſter und Geſellen Tiſch treten. Altgeſell. Es ſey Dir wohl vergönnt. Fremder Geſell. Mit Gunſt, was iſt der günſtigen Mei- ſter und Geſellen Begehr? Altgeſell. Es iſt nicht allein günſtiger Meiſter und Ge- ſellen Begehr, ſondern Handwerksgebrauch und Gewohn- heit, wenn ein Geſell acht oder vierzehn Tage in einer Stadt gearbeitet hat, daß er ſich einſchreiben läßt; iſt das dein Wille (indem er ihm den Hammer vorhält), ſo gelobe an. *) Fremder Geſell (berührt den Hammer). Altgeſell. Grüß Dich Gott, mein Schmied! Fremder. Dank Dir Gott, mein Schmied! Altgeſell. Mein Schmied, wo ſtreich’ſt Du her, Daß Deine Schuh’ ſo ſtaubig, Dein Haar ſo krauſig, Dein Bart auf beiden Seiten Gleich einem Schwerd herausgeſpitzt? Haſt einen feinen meiſterlichen Bart, Und eine feine meiſterliche Art; Mein Schmied, biſt Du ſchon Meiſter geweſen, Oder gedenk’ſt es noch zu werden? *) Symboliſches Gelöbniß der Treue und des Gehorſams. Auch der Stab des Richters wurde von Bittenden und Gelobenden berührt. (Grimm a. a. O. S. 135.) 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/91
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/91>, abgerufen am 24.04.2024.