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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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und Auflage, wo sie sagen: "Mit Gunst, daß ich meinen
Hut oder Filz darf auf des Herrn Vaters Tisch
legen
"; auch die Anrede der Schlosser an den Meister bei der
Umschau: "Es ist ein fremder Schlosser zugereis't
kommen, nicht in des Meisters, sondern in des Herrn
Vaters Haus
." Auch der Gebrauch, die Gesellen nicht nach
ihren Familiennamen, sondern dem Namen der Stadt zu nen-
nen, wo sie ihr Handwerk erlernt haben *), ist sehr alt und
originirt aus dem dreizehnten und zwölften Jahrhundert, wo
bürgerliche Personen, besonders Handwerker, noch keine Familien-
namen führten, und man wird zu der Annahme versucht, daß
die Meister selbst, nachdem ihre bürgerlichen Verhältnisse sich
würdiger gestaltet hatten, durch diesen Gebrauch die fremden
Gesellen von ihren Söhnen unterscheiden und den höhern
Standpunkt der vollen Gildschaft, zu der sie nur als Meister
gelangen konnten, fühlen lassen wollten.

Bisher haben wir nur von dem Geschenk und der Ehren-
schenke der Meister gesprochen, beydes finden wir auch bei
den Gesellen-Brüderschaften, besonders bei den Gewerken, wo die
Umschau eingeführt war. Die Ehrenschenke der Böttcher, bei
den Seilern Eingeschenk auch großes Geschenk genannt,
wurde ihnen bei der ersten Zusammenkunft, welcher sie beiwohn-
ten, gereicht; das Geschenk, als Unterstützung, aber durch
den umschauenden Gesellen zu Theil, und wir können, indem
wir von der Umschau und den übrigen Arten, wie die reisenden
Gesellen ein Unterkommen fanden, sprechen, auch desselben ge-
denken; bemerkenswerth für die äußere sittliche Volksbildung sind
auch hier die dabei vorkommenden Gebräuche und Gewohnheiten,
die bisher nur angedeutet werden konnten, worauf die Brüder-
schaften mit großer Strenge hielten. Bei einigen nahmen sie
schon vor den Thoren der Stadt, in welche sie einwanderten,
ihren Anfang; alle waren verpflichtet, sich vorher in einen an-
ständigern reinlichern Zustand zu setzen, als sie es sonst wohl

*) z. B. Hamburger, Berliner, Wiener etc.
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und Auflage, wo ſie ſagen: „Mit Gunſt, daß ich meinen
Hut oder Filz darf auf des Herrn Vaters Tiſch
legen
“; auch die Anrede der Schloſſer an den Meiſter bei der
Umſchau: „Es iſt ein fremder Schloſſer zugereiſ’t
kommen, nicht in des Meiſters, ſondern in des Herrn
Vaters Haus
.“ Auch der Gebrauch, die Geſellen nicht nach
ihren Familiennamen, ſondern dem Namen der Stadt zu nen-
nen, wo ſie ihr Handwerk erlernt haben *), iſt ſehr alt und
originirt aus dem dreizehnten und zwölften Jahrhundert, wo
bürgerliche Perſonen, beſonders Handwerker, noch keine Familien-
namen führten, und man wird zu der Annahme verſucht, daß
die Meiſter ſelbſt, nachdem ihre bürgerlichen Verhältniſſe ſich
würdiger geſtaltet hatten, durch dieſen Gebrauch die fremden
Geſellen von ihren Söhnen unterſcheiden und den höhern
Standpunkt der vollen Gildſchaft, zu der ſie nur als Meiſter
gelangen konnten, fühlen laſſen wollten.

Bisher haben wir nur von dem Geſchenk und der Ehren-
ſchenke der Meiſter geſprochen, beydes finden wir auch bei
den Geſellen-Brüderſchaften, beſonders bei den Gewerken, wo die
Umſchau eingeführt war. Die Ehrenſchenke der Böttcher, bei
den Seilern Eingeſchenk auch großes Geſchenk genannt,
wurde ihnen bei der erſten Zuſammenkunft, welcher ſie beiwohn-
ten, gereicht; das Geſchenk, als Unterſtützung, aber durch
den umſchauenden Geſellen zu Theil, und wir können, indem
wir von der Umſchau und den übrigen Arten, wie die reiſenden
Geſellen ein Unterkommen fanden, ſprechen, auch deſſelben ge-
denken; bemerkenswerth für die äußere ſittliche Volksbildung ſind
auch hier die dabei vorkommenden Gebräuche und Gewohnheiten,
die bisher nur angedeutet werden konnten, worauf die Brüder-
ſchaften mit großer Strenge hielten. Bei einigen nahmen ſie
ſchon vor den Thoren der Stadt, in welche ſie einwanderten,
ihren Anfang; alle waren verpflichtet, ſich vorher in einen an-
ſtändigern reinlichern Zuſtand zu ſetzen, als ſie es ſonſt wohl

*) z. B. Hamburger, Berliner, Wiener ꝛc.
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[49/0059] und Auflage, wo ſie ſagen: „Mit Gunſt, daß ich meinen Hut oder Filz darf auf des Herrn Vaters Tiſch legen“; auch die Anrede der Schloſſer an den Meiſter bei der Umſchau: „Es iſt ein fremder Schloſſer zugereiſ’t kommen, nicht in des Meiſters, ſondern in des Herrn Vaters Haus.“ Auch der Gebrauch, die Geſellen nicht nach ihren Familiennamen, ſondern dem Namen der Stadt zu nen- nen, wo ſie ihr Handwerk erlernt haben *), iſt ſehr alt und originirt aus dem dreizehnten und zwölften Jahrhundert, wo bürgerliche Perſonen, beſonders Handwerker, noch keine Familien- namen führten, und man wird zu der Annahme verſucht, daß die Meiſter ſelbſt, nachdem ihre bürgerlichen Verhältniſſe ſich würdiger geſtaltet hatten, durch dieſen Gebrauch die fremden Geſellen von ihren Söhnen unterſcheiden und den höhern Standpunkt der vollen Gildſchaft, zu der ſie nur als Meiſter gelangen konnten, fühlen laſſen wollten. Bisher haben wir nur von dem Geſchenk und der Ehren- ſchenke der Meiſter geſprochen, beydes finden wir auch bei den Geſellen-Brüderſchaften, beſonders bei den Gewerken, wo die Umſchau eingeführt war. Die Ehrenſchenke der Böttcher, bei den Seilern Eingeſchenk auch großes Geſchenk genannt, wurde ihnen bei der erſten Zuſammenkunft, welcher ſie beiwohn- ten, gereicht; das Geſchenk, als Unterſtützung, aber durch den umſchauenden Geſellen zu Theil, und wir können, indem wir von der Umſchau und den übrigen Arten, wie die reiſenden Geſellen ein Unterkommen fanden, ſprechen, auch deſſelben ge- denken; bemerkenswerth für die äußere ſittliche Volksbildung ſind auch hier die dabei vorkommenden Gebräuche und Gewohnheiten, die bisher nur angedeutet werden konnten, worauf die Brüder- ſchaften mit großer Strenge hielten. Bei einigen nahmen ſie ſchon vor den Thoren der Stadt, in welche ſie einwanderten, ihren Anfang; alle waren verpflichtet, ſich vorher in einen an- ſtändigern reinlichern Zuſtand zu ſetzen, als ſie es ſonſt wohl *) z. B. Hamburger, Berliner, Wiener ꝛc. 4

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/59>, abgerufen am 23.04.2024.