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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Das Geschenk der Meister, als Unterstützung, wurde den
reisenden Gesellen auf verschiedene Weise zu Theil, auch hatte der
größere oder geringere Betrieb des betreffenden Handwerks viel Ein-
fluß auf die Höhe desselben. Die Buchbinder, in großen Städten,
zahlten für sie ein bestimmtes Geldquantum auf der Herberge, wo-
für sie bei gehöriger Wirthlichkeit einen auch wohl zwei Tage leben
konnten. Die Fleischer und Bäcker reichten ihnen eine beliebige
Gabe, die sie Zehrpfennig nannten, und von den Reisenden von
den Meistern persönlich eingeholt wurde. *) Bei den Seilern
und Steinmetzen war es von der Tageszeit abhängig, wann der
Fremde ankam; erstere bekamen Geld, wenn sie des Vormittags
ankamen, und gingen weiter, nach vier Uhr Nachmittags mußte
man ihnen Abendessen und Nachtlager reichen. Den Steinmetzen
wurde in alter Zeit ein übliches Tagelohn als Geschenk verab-
reicht, wenn sie noch vor dem Schluß der Hütte ankamen. **)
Ehe die Herbergen in Gasthäuser verlegt wurden, bewirtheten sie
die Meister nach der Reihefolge, was sie Umzech nannten,
z. B. Böttcher und Seiler ***); dies erinnert an die frühere
innige Verbrüderung der Innungen in ganz Deutschland, in der-
selben hat auch der Gebrauch seine Wurzel, wonach die Gesellen
ihren Herbergswirth und dessen Frau und Kinder Vater, Mutter,
Bruder und Schwester nennen. Die reisenden Gesellen waren

*) Auch die Schmiedegesellen holten sich das Geschenk und gingen von
einer Werkstatt zur andern.
**) Kompt ein wandergesell Ee man ruhe anschlegt, der verdient das taglon.
(Stieglitz, Kirche der heiligen Kunigunde.)
***) Wenn ein Geselle des Böttcher-Handwerks wandern komt und bittet
um Herberge, soll es ihm nicht versaget, sondern nach Gewohnheit
ein Lager, Essen und Trinken gegeben werden, bey Strafe eines
Mfl. Welchem Gesellen aber also Handwerksgewohnheit erzeiget
würde, der soll sich gegen den Meister, so ihn beherberget hat, und
alle die Seinigen, züchtig, ehrlich, mit keuschem Mund und reiner
Hand verhalten, und wo der Meister seiner alsobald zur Arbeit be-
gehrte, demselben vor andern arbeiten, bedürfte aber der Meister seiner
nicht, so soll er durch einen Gesellen oder Lehrjungen, oder jüngsten
Meister, um Arbeit umschicken lassen, welcher Geselle aber sich hiewider
hielte, der soll nicht gelitten, sondern ihm nachgeschrieben werden, biß
er sich auf seine Kosten verantwortet hat. Art. 9 der Böttcher In-
nungs-Artikel zu Wernigerode von 1682. (Prov.-Archiv.)

Das Geſchenk der Meiſter, als Unterſtützung, wurde den
reiſenden Geſellen auf verſchiedene Weiſe zu Theil, auch hatte der
größere oder geringere Betrieb des betreffenden Handwerks viel Ein-
fluß auf die Höhe deſſelben. Die Buchbinder, in großen Städten,
zahlten für ſie ein beſtimmtes Geldquantum auf der Herberge, wo-
für ſie bei gehöriger Wirthlichkeit einen auch wohl zwei Tage leben
konnten. Die Fleiſcher und Bäcker reichten ihnen eine beliebige
Gabe, die ſie Zehrpfennig nannten, und von den Reiſenden von
den Meiſtern perſönlich eingeholt wurde. *) Bei den Seilern
und Steinmetzen war es von der Tageszeit abhängig, wann der
Fremde ankam; erſtere bekamen Geld, wenn ſie des Vormittags
ankamen, und gingen weiter, nach vier Uhr Nachmittags mußte
man ihnen Abendeſſen und Nachtlager reichen. Den Steinmetzen
wurde in alter Zeit ein übliches Tagelohn als Geſchenk verab-
reicht, wenn ſie noch vor dem Schluß der Hütte ankamen. **)
Ehe die Herbergen in Gaſthäuſer verlegt wurden, bewirtheten ſie
die Meiſter nach der Reihefolge, was ſie Umzech nannten,
z. B. Böttcher und Seiler ***); dies erinnert an die frühere
innige Verbrüderung der Innungen in ganz Deutſchland, in der-
ſelben hat auch der Gebrauch ſeine Wurzel, wonach die Geſellen
ihren Herbergswirth und deſſen Frau und Kinder Vater, Mutter,
Bruder und Schweſter nennen. Die reiſenden Geſellen waren

*) Auch die Schmiedegeſellen holten ſich das Geſchenk und gingen von
einer Werkſtatt zur andern.
**) Kompt ein wandergeſell Ee man ruhe anſchlegt, der verdient das taglon.
(Stieglitz, Kirche der heiligen Kunigunde.)
***) Wenn ein Geſelle des Böttcher-Handwerks wandern komt und bittet
um Herberge, ſoll es ihm nicht verſaget, ſondern nach Gewohnheit
ein Lager, Eſſen und Trinken gegeben werden, bey Strafe eines
Mfl. Welchem Geſellen aber alſo Handwerksgewohnheit erzeiget
würde, der ſoll ſich gegen den Meiſter, ſo ihn beherberget hat, und
alle die Seinigen, züchtig, ehrlich, mit keuſchem Mund und reiner
Hand verhalten, und wo der Meiſter ſeiner alſobald zur Arbeit be-
gehrte, demſelben vor andern arbeiten, bedürfte aber der Meiſter ſeiner
nicht, ſo ſoll er durch einen Geſellen oder Lehrjungen, oder jüngſten
Meiſter, um Arbeit umſchicken laſſen, welcher Geſelle aber ſich hiewider
hielte, der ſoll nicht gelitten, ſondern ihm nachgeſchrieben werden, biß
er ſich auf ſeine Koſten verantwortet hat. Art. 9 der Böttcher In-
nungs-Artikel zu Wernigerode von 1682. (Prov.-Archiv.)
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[47/0057] Das Geſchenk der Meiſter, als Unterſtützung, wurde den reiſenden Geſellen auf verſchiedene Weiſe zu Theil, auch hatte der größere oder geringere Betrieb des betreffenden Handwerks viel Ein- fluß auf die Höhe deſſelben. Die Buchbinder, in großen Städten, zahlten für ſie ein beſtimmtes Geldquantum auf der Herberge, wo- für ſie bei gehöriger Wirthlichkeit einen auch wohl zwei Tage leben konnten. Die Fleiſcher und Bäcker reichten ihnen eine beliebige Gabe, die ſie Zehrpfennig nannten, und von den Reiſenden von den Meiſtern perſönlich eingeholt wurde. *) Bei den Seilern und Steinmetzen war es von der Tageszeit abhängig, wann der Fremde ankam; erſtere bekamen Geld, wenn ſie des Vormittags ankamen, und gingen weiter, nach vier Uhr Nachmittags mußte man ihnen Abendeſſen und Nachtlager reichen. Den Steinmetzen wurde in alter Zeit ein übliches Tagelohn als Geſchenk verab- reicht, wenn ſie noch vor dem Schluß der Hütte ankamen. **) Ehe die Herbergen in Gaſthäuſer verlegt wurden, bewirtheten ſie die Meiſter nach der Reihefolge, was ſie Umzech nannten, z. B. Böttcher und Seiler ***); dies erinnert an die frühere innige Verbrüderung der Innungen in ganz Deutſchland, in der- ſelben hat auch der Gebrauch ſeine Wurzel, wonach die Geſellen ihren Herbergswirth und deſſen Frau und Kinder Vater, Mutter, Bruder und Schweſter nennen. Die reiſenden Geſellen waren *) Auch die Schmiedegeſellen holten ſich das Geſchenk und gingen von einer Werkſtatt zur andern. **) Kompt ein wandergeſell Ee man ruhe anſchlegt, der verdient das taglon. (Stieglitz, Kirche der heiligen Kunigunde.) ***) Wenn ein Geſelle des Böttcher-Handwerks wandern komt und bittet um Herberge, ſoll es ihm nicht verſaget, ſondern nach Gewohnheit ein Lager, Eſſen und Trinken gegeben werden, bey Strafe eines Mfl. Welchem Geſellen aber alſo Handwerksgewohnheit erzeiget würde, der ſoll ſich gegen den Meiſter, ſo ihn beherberget hat, und alle die Seinigen, züchtig, ehrlich, mit keuſchem Mund und reiner Hand verhalten, und wo der Meiſter ſeiner alſobald zur Arbeit be- gehrte, demſelben vor andern arbeiten, bedürfte aber der Meiſter ſeiner nicht, ſo ſoll er durch einen Geſellen oder Lehrjungen, oder jüngſten Meiſter, um Arbeit umſchicken laſſen, welcher Geſelle aber ſich hiewider hielte, der ſoll nicht gelitten, ſondern ihm nachgeſchrieben werden, biß er ſich auf ſeine Koſten verantwortet hat. Art. 9 der Böttcher In- nungs-Artikel zu Wernigerode von 1682. (Prov.-Archiv.)

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/57>, abgerufen am 29.03.2024.