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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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genossenschaftlichen Schutzverhältniß erhielt die Gastfreundschaft,
sonst eine freie Tochter natürlich guter Menschen, eine höhere,
politische Tendenz, sie wurde Ehrensache und das Band weit
verzweigter Verbindungen, denn wenn ein fremder Meister aus
der Nähe oder Ferne, besonders zu Meß- und Jahrmarktszeiten,
in eine Stadt kam, wo sein Handwerk ein Geschenk hielt, stand
ihm das Recht zu, dasselbe zu grüßen, den Willkommen zu for-

3. Würde ein Meister oder Geselle bey Aufsetzung des Willkombs
fluchen, schwören, lästern oder weltliche Lieder singen, der soll
es dem Handwerke mit 6 Groschen verbüßen, dem Herrn Stadt-
vogte seine Strafe unbenommen.

4. Würde Meister oder Gesell er sey jung oder alt bey diesem Will-
komb sich gröblich übertrinken und mit Urlaub zu reden, solches
wieder von sich geben, derselbe soll 5 Groschen Strafe zu geben
gehalten seyn.

5. Soll jedwedern zugelassen seyn über das Vermögen der Natur
nicht zu bleiben, sondern sich hinweg in des Meisters Haus zu
begeben, bey welchem er arbeitet, würde aber jemandes er sey
Meister oder Gesell den Willkomb anzunehmen sich verweigern
daß es einer Verachtung ähnlich wäre der soll dem Handwerk
6 gute Groschen Strafe dafür also balde zu geben schuldig seyn.

6. Welcher Meister oder Geselle diesen Willkomb verletzen würde,
der soll nicht allein den Schaden decken, sondern auch dem
Handwerk einen halben Thaler verfallen seyn.

7. Es soll dieser Willkomb dem Handwerksmeister anvertraut wer-
den, würde er aber hieraus selber ein Gespötte treiben oder ihme
sonst gebrauchen wenn das Handwerk nicht beysammen und er
dessen mit Bestande könne überzeuget werden, soll er solches Ver-
brechen dem Handwerke mit einem Thaler zur Strafe verbüßen.

8. Es soll auch dieser Willkomb wann ein Meisteressen gegeben
wird dabey aufgesetzt werden, jedoch daß ein jedweder ehrbarlich
und sittsamb sich bezeuge und verhalte, nicht weniger dann auch
die Meisterinnen als Meistere selbst, widrigenfalls sonst nach Be-
finden gestraft werden.
Wann dann diese Artikel zur Erbarkeit und gutem Verhalten ange-
sehen und also nützlichen und ehrlichen befunden werden, als haben
wir selbige in Kraft dieses confirmiren wollen, doch vorbehaltlich die-
selbige gestalten Sachen nach und zwar bey diesen zerrütteten bösen
und ärgerlichen Zeiten noch zu vermehren oder zu ändern.
Dessen allen zu mehrer glaubhaftigen Urkunde wir unser gemeiner
Stadt Insiegel wissentlich hier unter drucken lassen. So geschehen den
21. Juni im Jahr Christi 1661.
(L. S.)
Bürgermeister und Rath der Stadt Aschersleben.

genoſſenſchaftlichen Schutzverhältniß erhielt die Gaſtfreundſchaft,
ſonſt eine freie Tochter natürlich guter Menſchen, eine höhere,
politiſche Tendenz, ſie wurde Ehrenſache und das Band weit
verzweigter Verbindungen, denn wenn ein fremder Meiſter aus
der Nähe oder Ferne, beſonders zu Meß- und Jahrmarktszeiten,
in eine Stadt kam, wo ſein Handwerk ein Geſchenk hielt, ſtand
ihm das Recht zu, daſſelbe zu grüßen, den Willkommen zu for-

3. Würde ein Meiſter oder Geſelle bey Aufſetzung des Willkombs
fluchen, ſchwören, läſtern oder weltliche Lieder ſingen, der ſoll
es dem Handwerke mit 6 Groſchen verbüßen, dem Herrn Stadt-
vogte ſeine Strafe unbenommen.

4. Würde Meiſter oder Geſell er ſey jung oder alt bey dieſem Will-
komb ſich gröblich übertrinken und mit Urlaub zu reden, ſolches
wieder von ſich geben, derſelbe ſoll 5 Groſchen Strafe zu geben
gehalten ſeyn.

5. Soll jedwedern zugelaſſen ſeyn über das Vermögen der Natur
nicht zu bleiben, ſondern ſich hinweg in des Meiſters Haus zu
begeben, bey welchem er arbeitet, würde aber jemandes er ſey
Meiſter oder Geſell den Willkomb anzunehmen ſich verweigern
daß es einer Verachtung ähnlich wäre der ſoll dem Handwerk
6 gute Groſchen Strafe dafür alſo balde zu geben ſchuldig ſeyn.

6. Welcher Meiſter oder Geſelle dieſen Willkomb verletzen würde,
der ſoll nicht allein den Schaden decken, ſondern auch dem
Handwerk einen halben Thaler verfallen ſeyn.

7. Es ſoll dieſer Willkomb dem Handwerksmeiſter anvertraut wer-
den, würde er aber hieraus ſelber ein Geſpötte treiben oder ihme
ſonſt gebrauchen wenn das Handwerk nicht beyſammen und er
deſſen mit Beſtande könne überzeuget werden, ſoll er ſolches Ver-
brechen dem Handwerke mit einem Thaler zur Strafe verbüßen.

8. Es ſoll auch dieſer Willkomb wann ein Meiſtereſſen gegeben
wird dabey aufgeſetzt werden, jedoch daß ein jedweder ehrbarlich
und ſittſamb ſich bezeuge und verhalte, nicht weniger dann auch
die Meiſterinnen als Meiſtere ſelbſt, widrigenfalls ſonſt nach Be-
finden geſtraft werden.
Wann dann dieſe Artikel zur Erbarkeit und gutem Verhalten ange-
ſehen und alſo nützlichen und ehrlichen befunden werden, als haben
wir ſelbige in Kraft dieſes confirmiren wollen, doch vorbehaltlich die-
ſelbige geſtalten Sachen nach und zwar bey dieſen zerrütteten böſen
und ärgerlichen Zeiten noch zu vermehren oder zu ändern.
Deſſen allen zu mehrer glaubhaftigen Urkunde wir unſer gemeiner
Stadt Inſiegel wiſſentlich hier unter drucken laſſen. So geſchehen den
21. Juni im Jahr Chriſti 1661.
(L. S.)
Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben.
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[40/0050] genoſſenſchaftlichen Schutzverhältniß erhielt die Gaſtfreundſchaft, ſonſt eine freie Tochter natürlich guter Menſchen, eine höhere, politiſche Tendenz, ſie wurde Ehrenſache und das Band weit verzweigter Verbindungen, denn wenn ein fremder Meiſter aus der Nähe oder Ferne, beſonders zu Meß- und Jahrmarktszeiten, in eine Stadt kam, wo ſein Handwerk ein Geſchenk hielt, ſtand ihm das Recht zu, daſſelbe zu grüßen, den Willkommen zu for- **) **) 3. Würde ein Meiſter oder Geſelle bey Aufſetzung des Willkombs fluchen, ſchwören, läſtern oder weltliche Lieder ſingen, der ſoll es dem Handwerke mit 6 Groſchen verbüßen, dem Herrn Stadt- vogte ſeine Strafe unbenommen. 4. Würde Meiſter oder Geſell er ſey jung oder alt bey dieſem Will- komb ſich gröblich übertrinken und mit Urlaub zu reden, ſolches wieder von ſich geben, derſelbe ſoll 5 Groſchen Strafe zu geben gehalten ſeyn. 5. Soll jedwedern zugelaſſen ſeyn über das Vermögen der Natur nicht zu bleiben, ſondern ſich hinweg in des Meiſters Haus zu begeben, bey welchem er arbeitet, würde aber jemandes er ſey Meiſter oder Geſell den Willkomb anzunehmen ſich verweigern daß es einer Verachtung ähnlich wäre der ſoll dem Handwerk 6 gute Groſchen Strafe dafür alſo balde zu geben ſchuldig ſeyn. 6. Welcher Meiſter oder Geſelle dieſen Willkomb verletzen würde, der ſoll nicht allein den Schaden decken, ſondern auch dem Handwerk einen halben Thaler verfallen ſeyn. 7. Es ſoll dieſer Willkomb dem Handwerksmeiſter anvertraut wer- den, würde er aber hieraus ſelber ein Geſpötte treiben oder ihme ſonſt gebrauchen wenn das Handwerk nicht beyſammen und er deſſen mit Beſtande könne überzeuget werden, ſoll er ſolches Ver- brechen dem Handwerke mit einem Thaler zur Strafe verbüßen. 8. Es ſoll auch dieſer Willkomb wann ein Meiſtereſſen gegeben wird dabey aufgeſetzt werden, jedoch daß ein jedweder ehrbarlich und ſittſamb ſich bezeuge und verhalte, nicht weniger dann auch die Meiſterinnen als Meiſtere ſelbſt, widrigenfalls ſonſt nach Be- finden geſtraft werden. Wann dann dieſe Artikel zur Erbarkeit und gutem Verhalten ange- ſehen und alſo nützlichen und ehrlichen befunden werden, als haben wir ſelbige in Kraft dieſes confirmiren wollen, doch vorbehaltlich die- ſelbige geſtalten Sachen nach und zwar bey dieſen zerrütteten böſen und ärgerlichen Zeiten noch zu vermehren oder zu ändern. Deſſen allen zu mehrer glaubhaftigen Urkunde wir unſer gemeiner Stadt Inſiegel wiſſentlich hier unter drucken laſſen. So geſchehen den 21. Juni im Jahr Chriſti 1661. (L. S.) Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/50>, abgerufen am 19.04.2024.