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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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ihm endlich einen von Hanf geflochtenen Zopf an den Kopf
und einen Korb auf den Rücken, gab ihm eine Laterne in die
Hand und hieß ihn das Gesellenbrod suchen. Während er so
dastand, fragte der Altgesell in den gewöhnlichen Formalien die
Gesellschaft, ob einer oder der andere noch etwas gegen ihn zu
erinnern habe, worauf diese dann erwiderte: sie wisse nichts
als Liebes und Gutes von ihm
; nun nahm man ihm den
Korb ab und der Altgesell redete ihn wie einen einwandernden
Gesellen an: Hui Seiler bist Du des Handwerks? Antwort:
ich weiß nicht anders. Dann erst reichte er ihm das Gesellen-
brod, welches in ein wenig Brod und Salz bestand. Der Ge-
brauch hat jedenfalls einen tiefern Sinn, der durch öftere Tra-
dition und thörichte Ausübung in neuerer Zeit verunstaltet ist.
Zunächst finden wir darin eine Bestätigung dessen, was Wilda
in seinem Gildewesen Seite 300 sagt, daß die Handwerker, als
ihre politischen Verhältnisse sich schon glücklich gestaltet hatten,
sich dennoch die Armen nannten, denn daß in dem Gebrauch
ein Bild der Dürftigkeit und Demuth liegt, ist klar; auch bei
der Umschau der Schlosser und Hutmacher werden die Meister
arm genannt.

Mit vielem Reden ist das Gesellenmachen der Hufschmiede
verbunden, besonders die Vorsage, welche dem neuen Gesellen
gehalten wird, sehr lang und mit einigen Ceremonien durchwebt,
sie enthält aber manche gute Lehren für einen jungen Menschen,
die noch in diesem Augenblick nicht zwecklos seyn würden. Wir
wollen einen Satz ausheben, der, obgleich in neuer Sprache, doch
sehr alt seyn mag.

Der Altgesell spricht zu einem der Zeugen:
Mit Gunst Schmied, schlag eine Hitze mit; darauf
nimmt dieser das Wort:

Wenn du vors Thor kommst, so wirf drei Federn auf, *)
die eine wird fliegen rechts, die andere wird fliegen übers Was-
ser, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirst
du nun folgen? Die erste könnte dich auf einen Abweg führen

*) Grimms Rechtsalterthümer S. 83.

ihm endlich einen von Hanf geflochtenen Zopf an den Kopf
und einen Korb auf den Rücken, gab ihm eine Laterne in die
Hand und hieß ihn das Geſellenbrod ſuchen. Während er ſo
daſtand, fragte der Altgeſell in den gewöhnlichen Formalien die
Geſellſchaft, ob einer oder der andere noch etwas gegen ihn zu
erinnern habe, worauf dieſe dann erwiderte: ſie wiſſe nichts
als Liebes und Gutes von ihm
; nun nahm man ihm den
Korb ab und der Altgeſell redete ihn wie einen einwandernden
Geſellen an: Hui Seiler biſt Du des Handwerks? Antwort:
ich weiß nicht anders. Dann erſt reichte er ihm das Geſellen-
brod, welches in ein wenig Brod und Salz beſtand. Der Ge-
brauch hat jedenfalls einen tiefern Sinn, der durch öftere Tra-
dition und thörichte Ausübung in neuerer Zeit verunſtaltet iſt.
Zunächſt finden wir darin eine Beſtätigung deſſen, was Wilda
in ſeinem Gildeweſen Seite 300 ſagt, daß die Handwerker, als
ihre politiſchen Verhältniſſe ſich ſchon glücklich geſtaltet hatten,
ſich dennoch die Armen nannten, denn daß in dem Gebrauch
ein Bild der Dürftigkeit und Demuth liegt, iſt klar; auch bei
der Umſchau der Schloſſer und Hutmacher werden die Meiſter
arm genannt.

Mit vielem Reden iſt das Geſellenmachen der Hufſchmiede
verbunden, beſonders die Vorſage, welche dem neuen Geſellen
gehalten wird, ſehr lang und mit einigen Ceremonien durchwebt,
ſie enthält aber manche gute Lehren für einen jungen Menſchen,
die noch in dieſem Augenblick nicht zwecklos ſeyn würden. Wir
wollen einen Satz ausheben, der, obgleich in neuer Sprache, doch
ſehr alt ſeyn mag.

Der Altgeſell ſpricht zu einem der Zeugen:
Mit Gunſt Schmied, ſchlag eine Hitze mit; darauf
nimmt dieſer das Wort:

Wenn du vors Thor kommſt, ſo wirf drei Federn auf, *)
die eine wird fliegen rechts, die andere wird fliegen übers Waſ-
ſer, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirſt
du nun folgen? Die erſte könnte dich auf einen Abweg führen

*) Grimms Rechtsalterthümer S. 83.
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[31/0041] ihm endlich einen von Hanf geflochtenen Zopf an den Kopf und einen Korb auf den Rücken, gab ihm eine Laterne in die Hand und hieß ihn das Geſellenbrod ſuchen. Während er ſo daſtand, fragte der Altgeſell in den gewöhnlichen Formalien die Geſellſchaft, ob einer oder der andere noch etwas gegen ihn zu erinnern habe, worauf dieſe dann erwiderte: ſie wiſſe nichts als Liebes und Gutes von ihm; nun nahm man ihm den Korb ab und der Altgeſell redete ihn wie einen einwandernden Geſellen an: Hui Seiler biſt Du des Handwerks? Antwort: ich weiß nicht anders. Dann erſt reichte er ihm das Geſellen- brod, welches in ein wenig Brod und Salz beſtand. Der Ge- brauch hat jedenfalls einen tiefern Sinn, der durch öftere Tra- dition und thörichte Ausübung in neuerer Zeit verunſtaltet iſt. Zunächſt finden wir darin eine Beſtätigung deſſen, was Wilda in ſeinem Gildeweſen Seite 300 ſagt, daß die Handwerker, als ihre politiſchen Verhältniſſe ſich ſchon glücklich geſtaltet hatten, ſich dennoch die Armen nannten, denn daß in dem Gebrauch ein Bild der Dürftigkeit und Demuth liegt, iſt klar; auch bei der Umſchau der Schloſſer und Hutmacher werden die Meiſter arm genannt. Mit vielem Reden iſt das Geſellenmachen der Hufſchmiede verbunden, beſonders die Vorſage, welche dem neuen Geſellen gehalten wird, ſehr lang und mit einigen Ceremonien durchwebt, ſie enthält aber manche gute Lehren für einen jungen Menſchen, die noch in dieſem Augenblick nicht zwecklos ſeyn würden. Wir wollen einen Satz ausheben, der, obgleich in neuer Sprache, doch ſehr alt ſeyn mag. Der Altgeſell ſpricht zu einem der Zeugen: Mit Gunſt Schmied, ſchlag eine Hitze mit; darauf nimmt dieſer das Wort: Wenn du vors Thor kommſt, ſo wirf drei Federn auf, *) die eine wird fliegen rechts, die andere wird fliegen übers Waſ- ſer, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirſt du nun folgen? Die erſte könnte dich auf einen Abweg führen *) Grimms Rechtsalterthümer S. 83.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/41>, abgerufen am 18.04.2024.