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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Werkstatt seyn, und darf sie am späten Abend erst dann verlas-
sen, wenn alle Geräthe und Instrumente an ihren Ort gebracht
sind. Eine strenge Subordination ist seine beständige Aufseherinn,
jeder Fehler wird gerügt; selbst außer dem Hause des Meisters
war noch am Ende des letzten Jahrhunderts sein Wille in Be-
zug auf Aufwand und Sitte beschränkt; nicht sowohl durch
buchstäbliche Vorschriften, als durch alte in christlicher Moral
begründete Gewohnheiten. Ueberall wo die Lehrburschen mit
einem Meister oder Gesellen ihres Handwerks zusammentrafen,
mußten sie denselben Ehrerbietung bezeigen. An öffentliche Ver-
gnügungsorte durften sie nur in Begleitung ihrer Angehörigen
gehen. Allen auszeichnenden Aufwand, wohin der früher ge-
bräuchliche Haarpuder und der Stock als Zierden gehörten,
mußten sie vermeiden. Die Statuten verpflichteten sie auch zum
Gehorsam gegen die Meisterinn und Gesellen, und wenn erstere
auf ihre Ausbildung für häusliche Ordnung, Reinlichkeit, ruhiges,
sittiges Betragen im Hause wirkte, so waren es oft geschickte
Gesellen, die sie unterrichteten, besonders in großen Werkstätten,
wo der Meister mit ihrer Unterweisung sich nicht immer befassen
konnte. Vorsichtige Eltern wählten daher immer solche Lehrmei-
ster für ihre Söhne, die nicht allein den Ruf der Geschicklichkeit
hatten, stets Gesellen beschäftigten, sondern auch einen soliden
Haushalt führten; deren Frauen als rechtschaffene gutmüthige
Hausmütter bekannt waren. Wie manche ungezogene Knaben
und nach dem Erscheinen des erwähnten Reichsgesetzes, die Söhne
geringer Handarbeiter, die zunächst viel üble Gewohnheiten mit
sich ins Haus brachten, sind durch die würdigen Gattinnen ihrer
Lehrmeister zur Ordnung und zu anständig bürgerlichem Betragen
geleitet worden, während Meister und Gesellen sie im Handwerk
unterwiesen. Aus solchen Häusern gingen dann kräftige junge
Männer hervor, welche an Gehorsam und ausdauernde Thätig-
keit gewöhnt, zu der Hoffnung berechtigten, daß sie in ihrem Ge-
sellenstande ihre Fähigkeiten weiter ausbilden und dereinst tüch-
tige Meister werden würden.

Nach abgelaufenen Lehrjahren stellte der Meister den bishe-
rigen Lehrling der Innung oder dem Handwerk vor und erklärte:

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Werkſtatt ſeyn, und darf ſie am ſpäten Abend erſt dann verlaſ-
ſen, wenn alle Geräthe und Inſtrumente an ihren Ort gebracht
ſind. Eine ſtrenge Subordination iſt ſeine beſtändige Aufſeherinn,
jeder Fehler wird gerügt; ſelbſt außer dem Hauſe des Meiſters
war noch am Ende des letzten Jahrhunderts ſein Wille in Be-
zug auf Aufwand und Sitte beſchränkt; nicht ſowohl durch
buchſtäbliche Vorſchriften, als durch alte in chriſtlicher Moral
begründete Gewohnheiten. Ueberall wo die Lehrburſchen mit
einem Meiſter oder Geſellen ihres Handwerks zuſammentrafen,
mußten ſie denſelben Ehrerbietung bezeigen. An öffentliche Ver-
gnügungsorte durften ſie nur in Begleitung ihrer Angehörigen
gehen. Allen auszeichnenden Aufwand, wohin der früher ge-
bräuchliche Haarpuder und der Stock als Zierden gehörten,
mußten ſie vermeiden. Die Statuten verpflichteten ſie auch zum
Gehorſam gegen die Meiſterinn und Geſellen, und wenn erſtere
auf ihre Ausbildung für häusliche Ordnung, Reinlichkeit, ruhiges,
ſittiges Betragen im Hauſe wirkte, ſo waren es oft geſchickte
Geſellen, die ſie unterrichteten, beſonders in großen Werkſtätten,
wo der Meiſter mit ihrer Unterweiſung ſich nicht immer befaſſen
konnte. Vorſichtige Eltern wählten daher immer ſolche Lehrmei-
ſter für ihre Söhne, die nicht allein den Ruf der Geſchicklichkeit
hatten, ſtets Geſellen beſchäftigten, ſondern auch einen ſoliden
Haushalt führten; deren Frauen als rechtſchaffene gutmüthige
Hausmütter bekannt waren. Wie manche ungezogene Knaben
und nach dem Erſcheinen des erwähnten Reichsgeſetzes, die Söhne
geringer Handarbeiter, die zunächſt viel üble Gewohnheiten mit
ſich ins Haus brachten, ſind durch die würdigen Gattinnen ihrer
Lehrmeiſter zur Ordnung und zu anſtändig bürgerlichem Betragen
geleitet worden, während Meiſter und Geſellen ſie im Handwerk
unterwieſen. Aus ſolchen Häuſern gingen dann kräftige junge
Männer hervor, welche an Gehorſam und ausdauernde Thätig-
keit gewöhnt, zu der Hoffnung berechtigten, daß ſie in ihrem Ge-
ſellenſtande ihre Fähigkeiten weiter ausbilden und dereinſt tüch-
tige Meiſter werden würden.

Nach abgelaufenen Lehrjahren ſtellte der Meiſter den bishe-
rigen Lehrling der Innung oder dem Handwerk vor und erklärte:

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[19/0029] Werkſtatt ſeyn, und darf ſie am ſpäten Abend erſt dann verlaſ- ſen, wenn alle Geräthe und Inſtrumente an ihren Ort gebracht ſind. Eine ſtrenge Subordination iſt ſeine beſtändige Aufſeherinn, jeder Fehler wird gerügt; ſelbſt außer dem Hauſe des Meiſters war noch am Ende des letzten Jahrhunderts ſein Wille in Be- zug auf Aufwand und Sitte beſchränkt; nicht ſowohl durch buchſtäbliche Vorſchriften, als durch alte in chriſtlicher Moral begründete Gewohnheiten. Ueberall wo die Lehrburſchen mit einem Meiſter oder Geſellen ihres Handwerks zuſammentrafen, mußten ſie denſelben Ehrerbietung bezeigen. An öffentliche Ver- gnügungsorte durften ſie nur in Begleitung ihrer Angehörigen gehen. Allen auszeichnenden Aufwand, wohin der früher ge- bräuchliche Haarpuder und der Stock als Zierden gehörten, mußten ſie vermeiden. Die Statuten verpflichteten ſie auch zum Gehorſam gegen die Meiſterinn und Geſellen, und wenn erſtere auf ihre Ausbildung für häusliche Ordnung, Reinlichkeit, ruhiges, ſittiges Betragen im Hauſe wirkte, ſo waren es oft geſchickte Geſellen, die ſie unterrichteten, beſonders in großen Werkſtätten, wo der Meiſter mit ihrer Unterweiſung ſich nicht immer befaſſen konnte. Vorſichtige Eltern wählten daher immer ſolche Lehrmei- ſter für ihre Söhne, die nicht allein den Ruf der Geſchicklichkeit hatten, ſtets Geſellen beſchäftigten, ſondern auch einen ſoliden Haushalt führten; deren Frauen als rechtſchaffene gutmüthige Hausmütter bekannt waren. Wie manche ungezogene Knaben und nach dem Erſcheinen des erwähnten Reichsgeſetzes, die Söhne geringer Handarbeiter, die zunächſt viel üble Gewohnheiten mit ſich ins Haus brachten, ſind durch die würdigen Gattinnen ihrer Lehrmeiſter zur Ordnung und zu anſtändig bürgerlichem Betragen geleitet worden, während Meiſter und Geſellen ſie im Handwerk unterwieſen. Aus ſolchen Häuſern gingen dann kräftige junge Männer hervor, welche an Gehorſam und ausdauernde Thätig- keit gewöhnt, zu der Hoffnung berechtigten, daß ſie in ihrem Ge- ſellenſtande ihre Fähigkeiten weiter ausbilden und dereinſt tüch- tige Meiſter werden würden. Nach abgelaufenen Lehrjahren ſtellte der Meiſter den bishe- rigen Lehrling der Innung oder dem Handwerk vor und erklärte: 2*

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/29>, abgerufen am 28.03.2024.