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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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der Stellung der Gewerke zu derselben und die Behörden mach-
ten im Unterlassungsfall diese dafür verantwortlich. Die ge-
wöhnlichsten bestanden in Hülfsleistungen bei Feuers- und Was-
sersnoth. *) Eine seltene Erscheinung in der städtischen Polizey
möchte seyn, daß die Handwerksgesellen von den Magisträten
unmittelbar in Pflichten genommen wurden, sie kommt 1568 in
Erfurt bei den Fleischern vor, wo die Gesellen derselben darauf
sehen sollten, daß nur gesundes Schlachtvieh zur Stadt gebracht
würde. Die Verordnung war insofern zweckmäßig, als die Ge-
sellen gewöhnlich das Vieh einkauften und bei wohlhabenden
Meistern sich ausschließlich mit dem Schlachten desselben be-
schäftigten; sie wurden daher zu mehr Aufmerksamkeit und Of-
fenheit angeregt; auffallend für ihre Stellung ist aber in ihrem
Eide, daß sie auch das Fleisch auf den Bänken der Meister be-
sehen sollten und dafür sogar Gebühren nehmen durften, sie
wurden dadurch offenbar städtische Polizeybeamtete. **)


*) Die Raschmachergesellen in Quedlinburg mußten, sobald sie in Arbeit
traten, dem Obermeister angeloben, bei entstehender Feuersgefahr der
Bürgerschaft zu Hülfe zu eilen. (Quedl. Innungs-S. im Magdeb.
Prov.-Archiv Nr. 24.) Daß Maurer, Zimmerleute und Schlosser bei
Feuersgefahr Hülfe leisteten, ist in jeder Stadt bekannt.
**) Eid der Fleischergesellen in Erfurt von 1568: "Der Fleischhauer
Knechte sollen die Schweine getrewlich vndt vleißig besehen dem Ar-
men Als dem Reichen, Vndt von einem Schwein nicht mehr denn
Vier Pfennig fordern auf dem Markte vnd nehmen vndt wo findichte
darunter befunden, Sollen Sie wie vor Alters Zeichnen vnd die Leute
darfür warnen, Auch gute achtung vndt aufsehen haben, Wann wan-
delbare oder angebrochene Schaffe oder ander ander Vihe hergetrieben
würde das Sie solchs warnen vnd allen Verkauf ohne Verziehen einem
Rathe vermelden. Item das Sie alle tag mit den Schetzern vnd
Achtmannen vor der Heimischen vnd fremden fleischbenke gehen sollen
vndt alles fleisch besichtigen eher es aufgehawen wirdt. Dem Armen
als dem Reichen vndt dem Reichen als dem Armen, Vndt wo solche
wandelbar befunden Das es vermöge dieser Ordnung gestraft werde
vnd das nicht lassen weder vmb leidt, gifft, gabe, gunst, freundtschafft,
feindtschafft noch keiner andern sachen willen. Alles trewlich vnd
vngefehrlich." (Urkundenbuch im Prov.-Archiv in Magdeb.)

der Stellung der Gewerke zu derſelben und die Behörden mach-
ten im Unterlaſſungsfall dieſe dafür verantwortlich. Die ge-
wöhnlichſten beſtanden in Hülfsleiſtungen bei Feuers- und Waſ-
ſersnoth. *) Eine ſeltene Erſcheinung in der ſtädtiſchen Polizey
möchte ſeyn, daß die Handwerksgeſellen von den Magiſträten
unmittelbar in Pflichten genommen wurden, ſie kommt 1568 in
Erfurt bei den Fleiſchern vor, wo die Geſellen derſelben darauf
ſehen ſollten, daß nur geſundes Schlachtvieh zur Stadt gebracht
würde. Die Verordnung war inſofern zweckmäßig, als die Ge-
ſellen gewöhnlich das Vieh einkauften und bei wohlhabenden
Meiſtern ſich ausſchließlich mit dem Schlachten deſſelben be-
ſchäftigten; ſie wurden daher zu mehr Aufmerkſamkeit und Of-
fenheit angeregt; auffallend für ihre Stellung iſt aber in ihrem
Eide, daß ſie auch das Fleiſch auf den Bänken der Meiſter be-
ſehen ſollten und dafür ſogar Gebühren nehmen durften, ſie
wurden dadurch offenbar ſtädtiſche Polizeybeamtete. **)


*) Die Raſchmachergeſellen in Quedlinburg mußten, ſobald ſie in Arbeit
traten, dem Obermeiſter angeloben, bei entſtehender Feuersgefahr der
Bürgerſchaft zu Hülfe zu eilen. (Quedl. Innungs-S. im Magdeb.
Prov.-Archiv Nr. 24.) Daß Maurer, Zimmerleute und Schloſſer bei
Feuersgefahr Hülfe leiſteten, iſt in jeder Stadt bekannt.
**) Eid der Fleiſchergeſellen in Erfurt von 1568: „Der Fleiſchhauer
Knechte ſollen die Schweine getrewlich vndt vleißig beſehen dem Ar-
men Als dem Reichen, Vndt von einem Schwein nicht mehr denn
Vier Pfennig fordern auf dem Markte vnd nehmen vndt wo findichte
darunter befunden, Sollen Sie wie vor Alters Zeichnen vnd die Leute
darfür warnen, Auch gute achtung vndt aufſehen haben, Wann wan-
delbare oder angebrochene Schaffe oder ander ander Vihe hergetrieben
würde das Sie ſolchs warnen vnd allen Verkauf ohne Verziehen einem
Rathe vermelden. Item das Sie alle tag mit den Schetzern vnd
Achtmannen vor der Heimiſchen vnd fremden fleiſchbenke gehen ſollen
vndt alles fleiſch beſichtigen eher es aufgehawen wirdt. Dem Armen
als dem Reichen vndt dem Reichen als dem Armen, Vndt wo ſolche
wandelbar befunden Das es vermöge dieſer Ordnung geſtraft werde
vnd das nicht laſſen weder vmb leidt, gifft, gabe, gunſt, freundtſchafft,
feindtſchafft noch keiner andern ſachen willen. Alles trewlich vnd
vngefehrlich.“ (Urkundenbuch im Prov.-Archiv in Magdeb.)
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[12/0022] der Stellung der Gewerke zu derſelben und die Behörden mach- ten im Unterlaſſungsfall dieſe dafür verantwortlich. Die ge- wöhnlichſten beſtanden in Hülfsleiſtungen bei Feuers- und Waſ- ſersnoth. *) Eine ſeltene Erſcheinung in der ſtädtiſchen Polizey möchte ſeyn, daß die Handwerksgeſellen von den Magiſträten unmittelbar in Pflichten genommen wurden, ſie kommt 1568 in Erfurt bei den Fleiſchern vor, wo die Geſellen derſelben darauf ſehen ſollten, daß nur geſundes Schlachtvieh zur Stadt gebracht würde. Die Verordnung war inſofern zweckmäßig, als die Ge- ſellen gewöhnlich das Vieh einkauften und bei wohlhabenden Meiſtern ſich ausſchließlich mit dem Schlachten deſſelben be- ſchäftigten; ſie wurden daher zu mehr Aufmerkſamkeit und Of- fenheit angeregt; auffallend für ihre Stellung iſt aber in ihrem Eide, daß ſie auch das Fleiſch auf den Bänken der Meiſter be- ſehen ſollten und dafür ſogar Gebühren nehmen durften, ſie wurden dadurch offenbar ſtädtiſche Polizeybeamtete. **) *) Die Raſchmachergeſellen in Quedlinburg mußten, ſobald ſie in Arbeit traten, dem Obermeiſter angeloben, bei entſtehender Feuersgefahr der Bürgerſchaft zu Hülfe zu eilen. (Quedl. Innungs-S. im Magdeb. Prov.-Archiv Nr. 24.) Daß Maurer, Zimmerleute und Schloſſer bei Feuersgefahr Hülfe leiſteten, iſt in jeder Stadt bekannt. **) Eid der Fleiſchergeſellen in Erfurt von 1568: „Der Fleiſchhauer Knechte ſollen die Schweine getrewlich vndt vleißig beſehen dem Ar- men Als dem Reichen, Vndt von einem Schwein nicht mehr denn Vier Pfennig fordern auf dem Markte vnd nehmen vndt wo findichte darunter befunden, Sollen Sie wie vor Alters Zeichnen vnd die Leute darfür warnen, Auch gute achtung vndt aufſehen haben, Wann wan- delbare oder angebrochene Schaffe oder ander ander Vihe hergetrieben würde das Sie ſolchs warnen vnd allen Verkauf ohne Verziehen einem Rathe vermelden. Item das Sie alle tag mit den Schetzern vnd Achtmannen vor der Heimiſchen vnd fremden fleiſchbenke gehen ſollen vndt alles fleiſch beſichtigen eher es aufgehawen wirdt. Dem Armen als dem Reichen vndt dem Reichen als dem Armen, Vndt wo ſolche wandelbar befunden Das es vermöge dieſer Ordnung geſtraft werde vnd das nicht laſſen weder vmb leidt, gifft, gabe, gunſt, freundtſchafft, feindtſchafft noch keiner andern ſachen willen. Alles trewlich vnd vngefehrlich.“ (Urkundenbuch im Prov.-Archiv in Magdeb.)

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/22>, abgerufen am 29.03.2024.