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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Dergleichen Feste gaben dem Volksleben in den Städten
ein heiteres Ansehen, wenn sie von Uebertreibung frei blieben,
was jedoch bei der großen Verschiedenheit der Bildung und Nei-
gung der jungen Leute nicht zu vermeiden war.

Man hat im letzten Jahrhundert bei mehreren Gelegenhei-
ten Berechnungen der Verluste angestellt, welche durch die Ver-
säumniß am Montage für den Handwerksstand und das ganze
Publikum entstehen und große Capitalsummen als Resultat der-
selben herausgestellt *), deren Werth jedoch nur in einem künstlichen
Calcül und nicht im praktischen Leben liegt. Wenn die Hand-
werker nur immer Arbeit genug haben, so können sie die Ver-
säumniß einiger Stunden am Montage im Laufe der Woche
durch angestrengtere Thätigkeit wohl wieder gut machen, bleibt
ihnen doch in ihrem glücklichsten Zustande beinahe gar keine
Zeit zur Erholung, da sie, wie schon gedacht, oft genug halbe
Nächte und die Sonntage arbeiten müssen, um ihren Kunden
gefällig zu sein; sie ist also nur ein scheinbares Uebel, das Zeit
und indirecte Mittel sicherer beseitigen, als strenge Verbote. Der
eigentliche Mißbrauch, den die Gesellen davon machten, bestand
in gegenseitigen Ueberredungen zum absoluten Ausgehen, denen
Böswillige auch wohl Drohungen hinzufügten, wodurch sie ihre
genossenschaftliche Freiheit angriffen, auf welche sie doch so sehr
hielten, und heftige Streitigkeiten herbeizogen.


nem Sammet mit blauen und weißen Federn. Zwei von ihnen sind
phantastisch gekleidet und begleiten sie als lustige Personen. Ihr
geordneter Zug, bei welchem Jeder einen bunten Reif trägt, geht des
Vormittags von der Herberge aus in die Straßen wo Große und
Reiche wohnen, dort tanzen sie vor den Häusern in verschiedenen
Stellungen und Gruppirungen, schwenken mit Wein gefüllte Gläser
in den Reifen in künstlichen Touren und Zügen, trinken die Gesund-
heit der Herrschaften, die sie dann gewöhnlich reichlich beschenken, wo-
durch ihre bedeutenden Auslagen gedeckt werden."
*) Krünitz Encyclopädie, Thl. 21, S. 540.

Dergleichen Feſte gaben dem Volksleben in den Städten
ein heiteres Anſehen, wenn ſie von Uebertreibung frei blieben,
was jedoch bei der großen Verſchiedenheit der Bildung und Nei-
gung der jungen Leute nicht zu vermeiden war.

Man hat im letzten Jahrhundert bei mehreren Gelegenhei-
ten Berechnungen der Verluſte angeſtellt, welche durch die Ver-
ſäumniß am Montage für den Handwerksſtand und das ganze
Publikum entſtehen und große Capitalſummen als Reſultat der-
ſelben herausgeſtellt *), deren Werth jedoch nur in einem künſtlichen
Calcül und nicht im praktiſchen Leben liegt. Wenn die Hand-
werker nur immer Arbeit genug haben, ſo können ſie die Ver-
ſäumniß einiger Stunden am Montage im Laufe der Woche
durch angeſtrengtere Thätigkeit wohl wieder gut machen, bleibt
ihnen doch in ihrem glücklichſten Zuſtande beinahe gar keine
Zeit zur Erholung, da ſie, wie ſchon gedacht, oft genug halbe
Nächte und die Sonntage arbeiten müſſen, um ihren Kunden
gefällig zu ſein; ſie iſt alſo nur ein ſcheinbares Uebel, das Zeit
und indirecte Mittel ſicherer beſeitigen, als ſtrenge Verbote. Der
eigentliche Mißbrauch, den die Geſellen davon machten, beſtand
in gegenſeitigen Ueberredungen zum abſoluten Ausgehen, denen
Böswillige auch wohl Drohungen hinzufügten, wodurch ſie ihre
genoſſenſchaftliche Freiheit angriffen, auf welche ſie doch ſo ſehr
hielten, und heftige Streitigkeiten herbeizogen.


nem Sammet mit blauen und weißen Federn. Zwei von ihnen ſind
phantaſtiſch gekleidet und begleiten ſie als luſtige Perſonen. Ihr
geordneter Zug, bei welchem Jeder einen bunten Reif trägt, geht des
Vormittags von der Herberge aus in die Straßen wo Große und
Reiche wohnen, dort tanzen ſie vor den Häuſern in verſchiedenen
Stellungen und Gruppirungen, ſchwenken mit Wein gefüllte Gläſer
in den Reifen in künſtlichen Touren und Zügen, trinken die Geſund-
heit der Herrſchaften, die ſie dann gewöhnlich reichlich beſchenken, wo-
durch ihre bedeutenden Auslagen gedeckt werden.“
*) Krünitz Encyclopädie, Thl. 21, S. 540.
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[113/0123] Dergleichen Feſte gaben dem Volksleben in den Städten ein heiteres Anſehen, wenn ſie von Uebertreibung frei blieben, was jedoch bei der großen Verſchiedenheit der Bildung und Nei- gung der jungen Leute nicht zu vermeiden war. Man hat im letzten Jahrhundert bei mehreren Gelegenhei- ten Berechnungen der Verluſte angeſtellt, welche durch die Ver- ſäumniß am Montage für den Handwerksſtand und das ganze Publikum entſtehen und große Capitalſummen als Reſultat der- ſelben herausgeſtellt *), deren Werth jedoch nur in einem künſtlichen Calcül und nicht im praktiſchen Leben liegt. Wenn die Hand- werker nur immer Arbeit genug haben, ſo können ſie die Ver- ſäumniß einiger Stunden am Montage im Laufe der Woche durch angeſtrengtere Thätigkeit wohl wieder gut machen, bleibt ihnen doch in ihrem glücklichſten Zuſtande beinahe gar keine Zeit zur Erholung, da ſie, wie ſchon gedacht, oft genug halbe Nächte und die Sonntage arbeiten müſſen, um ihren Kunden gefällig zu ſein; ſie iſt alſo nur ein ſcheinbares Uebel, das Zeit und indirecte Mittel ſicherer beſeitigen, als ſtrenge Verbote. Der eigentliche Mißbrauch, den die Geſellen davon machten, beſtand in gegenſeitigen Ueberredungen zum abſoluten Ausgehen, denen Böswillige auch wohl Drohungen hinzufügten, wodurch ſie ihre genoſſenſchaftliche Freiheit angriffen, auf welche ſie doch ſo ſehr hielten, und heftige Streitigkeiten herbeizogen. ***) *) Krünitz Encyclopädie, Thl. 21, S. 540. ***) nem Sammet mit blauen und weißen Federn. Zwei von ihnen ſind phantaſtiſch gekleidet und begleiten ſie als luſtige Perſonen. Ihr geordneter Zug, bei welchem Jeder einen bunten Reif trägt, geht des Vormittags von der Herberge aus in die Straßen wo Große und Reiche wohnen, dort tanzen ſie vor den Häuſern in verſchiedenen Stellungen und Gruppirungen, ſchwenken mit Wein gefüllte Gläſer in den Reifen in künſtlichen Touren und Zügen, trinken die Geſund- heit der Herrſchaften, die ſie dann gewöhnlich reichlich beſchenken, wo- durch ihre bedeutenden Auslagen gedeckt werden.“

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/123>, abgerufen am 28.03.2024.