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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Menschen einen Himmel erbaut, als die vom caucasischen
Menschenstamme, so lange sie in ihrer mongolischen Färbung
es mit dem Himmel zu thun haben, die entgegengesetzte Auf¬
gabe, die Aufgabe, jenen Himmel der Sitte zu stürmen, die
himmelstürmende Thätigkeit übernahmen. Alle Menschen¬
satzung zu unterwühlen, um über dem aufgeräumten Bauplatz
eine neue und -- bessere zu schaffen, alle Sitte zu verderben,
um immer neue und -- bessere Sitten an die Stelle derselben
zu setzen u. s. w., darauf beschränkt sich ihre That. Ist sie
so aber schon rein und wirklich das, was sie zu sein trachtet,
und erreicht sie ihr letztes Absehen? Nein, sie ist in diesem
Erschaffen eines "Besseren" mit dem Mongolenthum be¬
haftet. Sie stürmt den Himmel nur, um wieder einen Him¬
mel zu machen, sie stürzt eine alte Gewalt nur, um eine neue
Gewalt zu legitimiren, sie -- verbessert nur. Gleichwohl
ist der Zielpunkt, so oft er auch bei jedem neuen Ansatz aus
den Augen verschwinden mag, der wirkliche, vollendete Sturz
des Himmels, der Sitte u. s. w., kurz des nur gegen die
Welt gesicherten Menschen, der Isolirung oder Innerlich¬
keit
des Menschen. Durch den Himmel der Cultur sucht sich
der Mensch von der Welt zu isoliren, ihre feindselige Macht zu
brechen. Diese Himmelsisolirung muß aber gleichfalls gebrochen
werden, und das wahre Ende des Himmelstürmens ist der --
Himmelssturz, die Himmelsvernichtung. Das Verbessern und
Reformiren ist das Mongolenthum des Caucasiers, weil er
dadurch von neuem wieder setzt, was vorher schon war, nämlich
eine Satzung, ein Allgemeines, einen Himmel. Er hegt die
unversöhnlichste Feindschaft gegen den Himmel und baut doch täg¬
lich neue Himmel: Himmel auf Himmel thürmend erdrückt er
nur einen durch den andern, der Himmel der Juden zerstört den

Menſchen einen Himmel erbaut, als die vom caucaſiſchen
Menſchenſtamme, ſo lange ſie in ihrer mongoliſchen Färbung
es mit dem Himmel zu thun haben, die entgegengeſetzte Auf¬
gabe, die Aufgabe, jenen Himmel der Sitte zu ſtürmen, die
himmelſtürmende Thätigkeit übernahmen. Alle Menſchen¬
ſatzung zu unterwühlen, um über dem aufgeräumten Bauplatz
eine neue und — beſſere zu ſchaffen, alle Sitte zu verderben,
um immer neue und — beſſere Sitten an die Stelle derſelben
zu ſetzen u. ſ. w., darauf beſchränkt ſich ihre That. Iſt ſie
ſo aber ſchon rein und wirklich das, was ſie zu ſein trachtet,
und erreicht ſie ihr letztes Abſehen? Nein, ſie iſt in dieſem
Erſchaffen eines „Beſſeren“ mit dem Mongolenthum be¬
haftet. Sie ſtürmt den Himmel nur, um wieder einen Him¬
mel zu machen, ſie ſtürzt eine alte Gewalt nur, um eine neue
Gewalt zu legitimiren, ſie — verbeſſert nur. Gleichwohl
iſt der Zielpunkt, ſo oft er auch bei jedem neuen Anſatz aus
den Augen verſchwinden mag, der wirkliche, vollendete Sturz
des Himmels, der Sitte u. ſ. w., kurz des nur gegen die
Welt geſicherten Menſchen, der Iſolirung oder Innerlich¬
keit
des Menſchen. Durch den Himmel der Cultur ſucht ſich
der Menſch von der Welt zu iſoliren, ihre feindſelige Macht zu
brechen. Dieſe Himmelsiſolirung muß aber gleichfalls gebrochen
werden, und das wahre Ende des Himmelſtürmens iſt der —
Himmelsſturz, die Himmelsvernichtung. Das Verbeſſern und
Reformiren iſt das Mongolenthum des Caucaſiers, weil er
dadurch von neuem wieder ſetzt, was vorher ſchon war, nämlich
eine Satzung, ein Allgemeines, einen Himmel. Er hegt die
unverſöhnlichſte Feindſchaft gegen den Himmel und baut doch täg¬
lich neue Himmel: Himmel auf Himmel thürmend erdrückt er
nur einen durch den andern, der Himmel der Juden zerſtört den

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[91/0099] Menſchen einen Himmel erbaut, als die vom caucaſiſchen Menſchenſtamme, ſo lange ſie in ihrer mongoliſchen Färbung es mit dem Himmel zu thun haben, die entgegengeſetzte Auf¬ gabe, die Aufgabe, jenen Himmel der Sitte zu ſtürmen, die himmelſtürmende Thätigkeit übernahmen. Alle Menſchen¬ ſatzung zu unterwühlen, um über dem aufgeräumten Bauplatz eine neue und — beſſere zu ſchaffen, alle Sitte zu verderben, um immer neue und — beſſere Sitten an die Stelle derſelben zu ſetzen u. ſ. w., darauf beſchränkt ſich ihre That. Iſt ſie ſo aber ſchon rein und wirklich das, was ſie zu ſein trachtet, und erreicht ſie ihr letztes Abſehen? Nein, ſie iſt in dieſem Erſchaffen eines „Beſſeren“ mit dem Mongolenthum be¬ haftet. Sie ſtürmt den Himmel nur, um wieder einen Him¬ mel zu machen, ſie ſtürzt eine alte Gewalt nur, um eine neue Gewalt zu legitimiren, ſie — verbeſſert nur. Gleichwohl iſt der Zielpunkt, ſo oft er auch bei jedem neuen Anſatz aus den Augen verſchwinden mag, der wirkliche, vollendete Sturz des Himmels, der Sitte u. ſ. w., kurz des nur gegen die Welt geſicherten Menſchen, der Iſolirung oder Innerlich¬ keit des Menſchen. Durch den Himmel der Cultur ſucht ſich der Menſch von der Welt zu iſoliren, ihre feindſelige Macht zu brechen. Dieſe Himmelsiſolirung muß aber gleichfalls gebrochen werden, und das wahre Ende des Himmelſtürmens iſt der — Himmelsſturz, die Himmelsvernichtung. Das Verbeſſern und Reformiren iſt das Mongolenthum des Caucaſiers, weil er dadurch von neuem wieder ſetzt, was vorher ſchon war, nämlich eine Satzung, ein Allgemeines, einen Himmel. Er hegt die unverſöhnlichſte Feindſchaft gegen den Himmel und baut doch täg¬ lich neue Himmel: Himmel auf Himmel thürmend erdrückt er nur einen durch den andern, der Himmel der Juden zerſtört den

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/99>, abgerufen am 28.03.2024.