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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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sinken, so müssen jene zur entehrendsten Erhabenheit auf¬
steigen. Der Mammon der Erde und der Gott des Him¬
mels fordern beide genau denselben Grad der -- Selbstver¬
leugnung. Der Niedrige wie der Erhabene langen nach einem
"Gute", jener nach dem materiellen, dieser nach dem ideellen,
dem sogenannten "höchsten Gute", und beide ergänzen zuletzt
auch einander wieder, indem der "materiell Gesinnte" einem
ideellen Schemen Alles opfert, seiner Eitelkeit, der "geistlich
Gesinnte" einem materiellen Genusse, dem Wohlleben.

Ungemein viel glauben diejenigen zu sagen, welche den
Menschen "Uneigennützigkeit" ans Herz legen. Was verstehen
sie darunter? Wohl etwas Aehnliches als unter "Selbstver¬
leugnung". Wer aber ist dieses Selbst, das verleugnet werden
und keinen Nutzen haben soll? Du scheinst es selber sein zu
sollen. Und zu wessen Nutzen empfiehlt man Dir die uneigen¬
nützige Selbstverleugnung? Wiederum Dir zu Nutz und From¬
men, nur daß Du durch Uneigennützigkeit Deinen "wahren
Nutzen" Dir verschaffst.

Dir sollst Du nutzen, und doch sollst Du Deinen Nu¬
tzen nicht suchen.

Für uneigennützig hält man den Wohlthäter der Men¬
schen, einen Franke, welcher das Waisenhaus stiftete, einen
O'Connell, der für sein irisches Volk unermüdlich arbeitet; aber
auch den Fanatiker, der, wie der heilige Bonifacius, sein
Leben für die Heidenbekehrung einsetzt, oder wie Robespierre
alles der Tugend opfert, wie Körner für Gott, König und
Vaterland stirbt. Daher versuchen unter Andern die Gegner
O'Connells ihm eine Eigennützigkeit oder Gewinnsucht unterzu¬
schieben, wozu ihnen die O'Connell-Rente Grund zu geben

ſinken, ſo müſſen jene zur entehrendſten Erhabenheit auf¬
ſteigen. Der Mammon der Erde und der Gott des Him¬
mels fordern beide genau denſelben Grad der — Selbſtver¬
leugnung. Der Niedrige wie der Erhabene langen nach einem
„Gute“, jener nach dem materiellen, dieſer nach dem ideellen,
dem ſogenannten „höchſten Gute“, und beide ergänzen zuletzt
auch einander wieder, indem der „materiell Geſinnte“ einem
ideellen Schemen Alles opfert, ſeiner Eitelkeit, der „geiſtlich
Geſinnte“ einem materiellen Genuſſe, dem Wohlleben.

Ungemein viel glauben diejenigen zu ſagen, welche den
Menſchen „Uneigennützigkeit“ ans Herz legen. Was verſtehen
ſie darunter? Wohl etwas Aehnliches als unter „Selbſtver¬
leugnung“. Wer aber iſt dieſes Selbſt, das verleugnet werden
und keinen Nutzen haben ſoll? Du ſcheinſt es ſelber ſein zu
ſollen. Und zu weſſen Nutzen empfiehlt man Dir die uneigen¬
nützige Selbſtverleugnung? Wiederum Dir zu Nutz und From¬
men, nur daß Du durch Uneigennützigkeit Deinen „wahren
Nutzen“ Dir verſchaffſt.

Dir ſollſt Du nutzen, und doch ſollſt Du Deinen Nu¬
tzen nicht ſuchen.

Für uneigennützig hält man den Wohlthäter der Men¬
ſchen, einen Franke, welcher das Waiſenhaus ſtiftete, einen
O'Connell, der für ſein iriſches Volk unermüdlich arbeitet; aber
auch den Fanatiker, der, wie der heilige Bonifacius, ſein
Leben für die Heidenbekehrung einſetzt, oder wie Robespierre
alles der Tugend opfert, wie Körner für Gott, König und
Vaterland ſtirbt. Daher verſuchen unter Andern die Gegner
O'Connells ihm eine Eigennützigkeit oder Gewinnſucht unterzu¬
ſchieben, wozu ihnen die O'Connell-Rente Grund zu geben

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[79/0087] ſinken, ſo müſſen jene zur entehrendſten Erhabenheit auf¬ ſteigen. Der Mammon der Erde und der Gott des Him¬ mels fordern beide genau denſelben Grad der — Selbſtver¬ leugnung. Der Niedrige wie der Erhabene langen nach einem „Gute“, jener nach dem materiellen, dieſer nach dem ideellen, dem ſogenannten „höchſten Gute“, und beide ergänzen zuletzt auch einander wieder, indem der „materiell Geſinnte“ einem ideellen Schemen Alles opfert, ſeiner Eitelkeit, der „geiſtlich Geſinnte“ einem materiellen Genuſſe, dem Wohlleben. Ungemein viel glauben diejenigen zu ſagen, welche den Menſchen „Uneigennützigkeit“ ans Herz legen. Was verſtehen ſie darunter? Wohl etwas Aehnliches als unter „Selbſtver¬ leugnung“. Wer aber iſt dieſes Selbſt, das verleugnet werden und keinen Nutzen haben ſoll? Du ſcheinſt es ſelber ſein zu ſollen. Und zu weſſen Nutzen empfiehlt man Dir die uneigen¬ nützige Selbſtverleugnung? Wiederum Dir zu Nutz und From¬ men, nur daß Du durch Uneigennützigkeit Deinen „wahren Nutzen“ Dir verſchaffſt. Dir ſollſt Du nutzen, und doch ſollſt Du Deinen Nu¬ tzen nicht ſuchen. Für uneigennützig hält man den Wohlthäter der Men¬ ſchen, einen Franke, welcher das Waiſenhaus ſtiftete, einen O'Connell, der für ſein iriſches Volk unermüdlich arbeitet; aber auch den Fanatiker, der, wie der heilige Bonifacius, ſein Leben für die Heidenbekehrung einſetzt, oder wie Robespierre alles der Tugend opfert, wie Körner für Gott, König und Vaterland ſtirbt. Daher verſuchen unter Andern die Gegner O'Connells ihm eine Eigennützigkeit oder Gewinnſucht unterzu¬ ſchieben, wozu ihnen die O'Connell-Rente Grund zu geben

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/87>, abgerufen am 25.04.2024.