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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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winn". Wer aber aus Liebe zu schnödem Gewinne handelt,
thut das zwar seinetwegen, wie es überhaupt nichts giebt, was
man nicht um sein selbst willen thäte, unter andern auch Alles,
was zu Gottes Ehre geschieht; jedoch ist er, für den er den
Gewinn sucht, ein Sklave des Gewinnes, nicht erhaben über
Gewinn, ist Einer, welcher dem Gewinn, dem Geldsack an¬
gehört, nicht sich, ist nicht sein eigen. Muß ein Mensch, den
die Leidenschaft der Habgier beherrscht, nicht den Geboten die¬
ser Herrin folgen, und wenn ihn einmal eine schwache Gut¬
müthigkeit beschleicht, erscheint dieß nicht eben nur als ein
Ausnahmsfall gerade derselben Art, wie fromme Gläubige zu¬
weilen von der Leitung ihres Herrn verlassen und von den
Künsten des "Teufels" berückt werden? Also ein Habgieriger
ist kein Eigener, sondern ein Knecht, und er kann nichts um
seinetwillen thun, ohne es zugleich um seines Herrn willen zu
thun, -- gerade wie der Gottesfürchtige.

Berühmt ist der Eidbruch, welchen Franz II. gegen Kaiser
Karl V. beging. Nicht etwa später, als er sein Versprechen
reiflich erwog, sondern sogleich, als er den Schwur leistete,
nahm ihn König Franz in Gedanken sowohl, als durch eine
heimliche, vor seinen Räthen urkundlich unterschriebene Pro¬
testation zurück: er sprach einen vorbedachten Meineid aus.
Seine Freilassung zu erkaufen zeigte sich Franz nicht abgeneigt,
nur schien ihm der Preis, welchen Karl darauf setzte, zu hoch
und unbillig. Betrug sich auch Karl knickerig, als er mög¬
lichst viel zu erpressen suchte, so war es doch lumpig von Franz,
seine Freiheit um ein niedrigeres Lösegeld einhandeln zu wollen,
und seine späteren Handlungen, worunter noch ein zweiter
Wortbruch vorkommt, beweisen sattsam, wie ihn der Schacher¬
geist geknechtet hielt und zum lumpigen Betrüger machte. In¬

winn“. Wer aber aus Liebe zu ſchnödem Gewinne handelt,
thut das zwar ſeinetwegen, wie es überhaupt nichts giebt, was
man nicht um ſein ſelbſt willen thäte, unter andern auch Alles,
was zu Gottes Ehre geſchieht; jedoch iſt er, für den er den
Gewinn ſucht, ein Sklave des Gewinnes, nicht erhaben über
Gewinn, iſt Einer, welcher dem Gewinn, dem Geldſack an¬
gehört, nicht ſich, iſt nicht ſein eigen. Muß ein Menſch, den
die Leidenſchaft der Habgier beherrſcht, nicht den Geboten die¬
ſer Herrin folgen, und wenn ihn einmal eine ſchwache Gut¬
müthigkeit beſchleicht, erſcheint dieß nicht eben nur als ein
Ausnahmsfall gerade derſelben Art, wie fromme Gläubige zu¬
weilen von der Leitung ihres Herrn verlaſſen und von den
Künſten des „Teufels“ berückt werden? Alſo ein Habgieriger
iſt kein Eigener, ſondern ein Knecht, und er kann nichts um
ſeinetwillen thun, ohne es zugleich um ſeines Herrn willen zu
thun, — gerade wie der Gottesfürchtige.

Berühmt iſt der Eidbruch, welchen Franz II. gegen Kaiſer
Karl V. beging. Nicht etwa ſpäter, als er ſein Verſprechen
reiflich erwog, ſondern ſogleich, als er den Schwur leiſtete,
nahm ihn König Franz in Gedanken ſowohl, als durch eine
heimliche, vor ſeinen Räthen urkundlich unterſchriebene Pro¬
teſtation zurück: er ſprach einen vorbedachten Meineid aus.
Seine Freilaſſung zu erkaufen zeigte ſich Franz nicht abgeneigt,
nur ſchien ihm der Preis, welchen Karl darauf ſetzte, zu hoch
und unbillig. Betrug ſich auch Karl knickerig, als er mög¬
lichſt viel zu erpreſſen ſuchte, ſo war es doch lumpig von Franz,
ſeine Freiheit um ein niedrigeres Löſegeld einhandeln zu wollen,
und ſeine ſpäteren Handlungen, worunter noch ein zweiter
Wortbruch vorkommt, beweiſen ſattſam, wie ihn der Schacher¬
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[400/0408] winn“. Wer aber aus Liebe zu ſchnödem Gewinne handelt, thut das zwar ſeinetwegen, wie es überhaupt nichts giebt, was man nicht um ſein ſelbſt willen thäte, unter andern auch Alles, was zu Gottes Ehre geſchieht; jedoch iſt er, für den er den Gewinn ſucht, ein Sklave des Gewinnes, nicht erhaben über Gewinn, iſt Einer, welcher dem Gewinn, dem Geldſack an¬ gehört, nicht ſich, iſt nicht ſein eigen. Muß ein Menſch, den die Leidenſchaft der Habgier beherrſcht, nicht den Geboten die¬ ſer Herrin folgen, und wenn ihn einmal eine ſchwache Gut¬ müthigkeit beſchleicht, erſcheint dieß nicht eben nur als ein Ausnahmsfall gerade derſelben Art, wie fromme Gläubige zu¬ weilen von der Leitung ihres Herrn verlaſſen und von den Künſten des „Teufels“ berückt werden? Alſo ein Habgieriger iſt kein Eigener, ſondern ein Knecht, und er kann nichts um ſeinetwillen thun, ohne es zugleich um ſeines Herrn willen zu thun, — gerade wie der Gottesfürchtige. Berühmt iſt der Eidbruch, welchen Franz II. gegen Kaiſer Karl V. beging. Nicht etwa ſpäter, als er ſein Verſprechen reiflich erwog, ſondern ſogleich, als er den Schwur leiſtete, nahm ihn König Franz in Gedanken ſowohl, als durch eine heimliche, vor ſeinen Räthen urkundlich unterſchriebene Pro¬ teſtation zurück: er ſprach einen vorbedachten Meineid aus. Seine Freilaſſung zu erkaufen zeigte ſich Franz nicht abgeneigt, nur ſchien ihm der Preis, welchen Karl darauf ſetzte, zu hoch und unbillig. Betrug ſich auch Karl knickerig, als er mög¬ lichſt viel zu erpreſſen ſuchte, ſo war es doch lumpig von Franz, ſeine Freiheit um ein niedrigeres Löſegeld einhandeln zu wollen, und ſeine ſpäteren Handlungen, worunter noch ein zweiter Wortbruch vorkommt, beweiſen ſattſam, wie ihn der Schacher¬ geiſt geknechtet hielt und zum lumpigen Betrüger machte. In¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/408>, abgerufen am 18.04.2024.