Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Erbe und Ihr habt das Gerichtssiegel des Executors abge¬
brochen. Jetzt ist ja Alles ein Erbe, sei es schon geerbt oder
erwarte es seinen Erben. Ist es das Eure, was laßt Ihr's
Euch versiegeln, warum achtet Ihr das Siegel?

Warum aber sollt Ihr kein neues Geld creiren? Ver¬
nichtet Ihr denn die Waare, indem Ihr das Erbgepräge von
ihr nehmt? Nun, das Geld ist eine Waare, und zwar ein
wesentliches Mittel oder Vermögen. Denn es schützt vor
der Verknöcherung des Vermögens, hält es im Fluß und be¬
wirkt seinen Umsatz. Wißt Ihr ein besseres Tauschmittel, im¬
merhin; doch wird es wieder ein "Geld" sein. Nicht das
Geld thut Euch Schaden, sondern euer Unvermögen, es zu
nehmen. Laßt euer Vermögen wirken, nehmt Euch zusammen,
und es wird an Geld -- an eurem Gelde, dem Gelde eures
Gepräges -- nicht fehlen. Arbeiten aber, das nenne Ich
nicht "euer Vermögen wirken lassen". Die nur "Arbeit suchen"
und "tüchtig arbeiten wollen", bereiten sich selbst die unaus¬
bleibliche -- Arbeitlosigkeit.

Vom Gelde hängt Glück und Unglück ab. Es ist darum
in der Bürgerperiode eine Macht, weil es nur wie ein Mäd¬
chen umworben, von Niemand unauflöslich geehelicht wird.
Alle Romantik und Ritterlichkeit des Werbens um einen
theuren Gegenstand lebt in der Concurrenz wieder auf. Das
Geld, ein Gegenstand der Sehnsucht, wird von den kühnen
"Industrierittern" entführt.

Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Der Lump
hat das Glück; er führt sie in sein Hauswesen, die "Gesell¬
schaft", ein und vernichtet die Jungfrau. In seinem Hause
ist sie nicht mehr Braut, sondern Frau, und mit der Jung¬
fräulichkeit geht auch der Geschlechtsname verloren. Als Haus¬

Erbe und Ihr habt das Gerichtsſiegel des Executors abge¬
brochen. Jetzt iſt ja Alles ein Erbe, ſei es ſchon geerbt oder
erwarte es ſeinen Erben. Iſt es das Eure, was laßt Ihr's
Euch verſiegeln, warum achtet Ihr das Siegel?

Warum aber ſollt Ihr kein neues Geld creiren? Ver¬
nichtet Ihr denn die Waare, indem Ihr das Erbgepräge von
ihr nehmt? Nun, das Geld iſt eine Waare, und zwar ein
weſentliches Mittel oder Vermögen. Denn es ſchützt vor
der Verknöcherung des Vermögens, hält es im Fluß und be¬
wirkt ſeinen Umſatz. Wißt Ihr ein beſſeres Tauſchmittel, im¬
merhin; doch wird es wieder ein „Geld“ ſein. Nicht das
Geld thut Euch Schaden, ſondern euer Unvermögen, es zu
nehmen. Laßt euer Vermögen wirken, nehmt Euch zuſammen,
und es wird an Geld — an eurem Gelde, dem Gelde eures
Gepräges — nicht fehlen. Arbeiten aber, das nenne Ich
nicht „euer Vermögen wirken laſſen“. Die nur „Arbeit ſuchen“
und „tüchtig arbeiten wollen“, bereiten ſich ſelbſt die unaus¬
bleibliche — Arbeitloſigkeit.

Vom Gelde hängt Glück und Unglück ab. Es iſt darum
in der Bürgerperiode eine Macht, weil es nur wie ein Mäd¬
chen umworben, von Niemand unauflöslich geehelicht wird.
Alle Romantik und Ritterlichkeit des Werbens um einen
theuren Gegenſtand lebt in der Concurrenz wieder auf. Das
Geld, ein Gegenſtand der Sehnſucht, wird von den kühnen
„Induſtrierittern“ entführt.

Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Der Lump
hat das Glück; er führt ſie in ſein Hausweſen, die „Geſell¬
ſchaft“, ein und vernichtet die Jungfrau. In ſeinem Hauſe
iſt ſie nicht mehr Braut, ſondern Frau, und mit der Jung¬
fräulichkeit geht auch der Geſchlechtsname verloren. Als Haus¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0372" n="364"/><hi rendition="#g">Erbe</hi> und Ihr habt das Gerichts&#x017F;iegel des Executors abge¬<lb/>
brochen. Jetzt i&#x017F;t ja Alles ein Erbe, &#x017F;ei es &#x017F;chon geerbt oder<lb/>
erwarte es &#x017F;einen Erben. I&#x017F;t es das Eure, was laßt Ihr's<lb/>
Euch ver&#x017F;iegeln, warum achtet Ihr das Siegel?</p><lb/>
            <p>Warum aber &#x017F;ollt Ihr kein neues Geld creiren? Ver¬<lb/>
nichtet Ihr denn die Waare, indem Ihr das Erbgepräge von<lb/>
ihr nehmt? Nun, das Geld i&#x017F;t eine Waare, und zwar ein<lb/>
we&#x017F;entliches <hi rendition="#g">Mittel</hi> oder Vermögen. Denn es &#x017F;chützt vor<lb/>
der Verknöcherung des Vermögens, hält es im Fluß und be¬<lb/>
wirkt &#x017F;einen Um&#x017F;atz. Wißt Ihr ein be&#x017F;&#x017F;eres Tau&#x017F;chmittel, im¬<lb/>
merhin; doch wird es wieder ein &#x201E;Geld&#x201C; &#x017F;ein. Nicht das<lb/>
Geld thut Euch Schaden, &#x017F;ondern euer Unvermögen, es zu<lb/>
nehmen. Laßt euer Vermögen wirken, nehmt Euch zu&#x017F;ammen,<lb/>
und es wird an Geld &#x2014; an eurem Gelde, dem Gelde <hi rendition="#g">eures</hi><lb/>
Gepräges &#x2014; nicht fehlen. Arbeiten aber, das nenne Ich<lb/>
nicht &#x201E;euer Vermögen wirken la&#x017F;&#x017F;en&#x201C;. Die nur &#x201E;Arbeit &#x017F;uchen&#x201C;<lb/>
und &#x201E;tüchtig arbeiten wollen&#x201C;, bereiten &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die unaus¬<lb/>
bleibliche &#x2014; Arbeitlo&#x017F;igkeit.</p><lb/>
            <p>Vom Gelde hängt Glück und Unglück ab. Es i&#x017F;t darum<lb/>
in der Bürgerperiode eine Macht, weil es nur wie ein Mäd¬<lb/>
chen umworben, von Niemand unauflöslich geehelicht wird.<lb/>
Alle Romantik und Ritterlichkeit des <hi rendition="#g">Werbens</hi> um einen<lb/>
theuren Gegen&#x017F;tand lebt in der Concurrenz wieder auf. Das<lb/>
Geld, ein Gegen&#x017F;tand der Sehn&#x017F;ucht, wird von den kühnen<lb/>
&#x201E;Indu&#x017F;trierittern&#x201C; entführt.</p><lb/>
            <p>Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Der Lump<lb/>
hat das Glück; er führt &#x017F;ie in &#x017F;ein Hauswe&#x017F;en, die &#x201E;Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft&#x201C;, ein und vernichtet die Jungfrau. In &#x017F;einem Hau&#x017F;e<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie nicht mehr Braut, &#x017F;ondern Frau, und mit der Jung¬<lb/>
fräulichkeit geht auch der Ge&#x017F;chlechtsname verloren. Als Haus¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0372] Erbe und Ihr habt das Gerichtsſiegel des Executors abge¬ brochen. Jetzt iſt ja Alles ein Erbe, ſei es ſchon geerbt oder erwarte es ſeinen Erben. Iſt es das Eure, was laßt Ihr's Euch verſiegeln, warum achtet Ihr das Siegel? Warum aber ſollt Ihr kein neues Geld creiren? Ver¬ nichtet Ihr denn die Waare, indem Ihr das Erbgepräge von ihr nehmt? Nun, das Geld iſt eine Waare, und zwar ein weſentliches Mittel oder Vermögen. Denn es ſchützt vor der Verknöcherung des Vermögens, hält es im Fluß und be¬ wirkt ſeinen Umſatz. Wißt Ihr ein beſſeres Tauſchmittel, im¬ merhin; doch wird es wieder ein „Geld“ ſein. Nicht das Geld thut Euch Schaden, ſondern euer Unvermögen, es zu nehmen. Laßt euer Vermögen wirken, nehmt Euch zuſammen, und es wird an Geld — an eurem Gelde, dem Gelde eures Gepräges — nicht fehlen. Arbeiten aber, das nenne Ich nicht „euer Vermögen wirken laſſen“. Die nur „Arbeit ſuchen“ und „tüchtig arbeiten wollen“, bereiten ſich ſelbſt die unaus¬ bleibliche — Arbeitloſigkeit. Vom Gelde hängt Glück und Unglück ab. Es iſt darum in der Bürgerperiode eine Macht, weil es nur wie ein Mäd¬ chen umworben, von Niemand unauflöslich geehelicht wird. Alle Romantik und Ritterlichkeit des Werbens um einen theuren Gegenſtand lebt in der Concurrenz wieder auf. Das Geld, ein Gegenſtand der Sehnſucht, wird von den kühnen „Induſtrierittern“ entführt. Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Der Lump hat das Glück; er führt ſie in ſein Hausweſen, die „Geſell¬ ſchaft“, ein und vernichtet die Jungfrau. In ſeinem Hauſe iſt ſie nicht mehr Braut, ſondern Frau, und mit der Jung¬ fräulichkeit geht auch der Geſchlechtsname verloren. Als Haus¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/372
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/372>, abgerufen am 23.04.2024.