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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Da nun die Gesellschaft nur die gemeinnützigen oder
menschlichen Arbeiten berücksichtigen kann, so bleibt, wer
Einziges leistet, ohne ihre Fürsorge, ja er kann sich durch
ihre Dazwischenkunft gestört finden. Der Einzige wird sich
wohl aus der Gesellschaft hervorarbeiten, aber die Gesellschaft
bringt keinen Einzigen hervor.

Es ist daher immer fördersam, daß Wir Uns über die
menschlichen Arbeiten einigen, damit sie nicht, wie unter
der Concurrenz, alle unsere Zeit und Mühe in Anspruch neh¬
men. In so weit wird der Communismus seine Früchte
tragen. Selbst dasjenige nämlich, wozu alle Menschen
befähigt sind oder befähigt werden können, wurde vor der
Herrschaft des Bürgerthums an Wenige geknüpft und den
Uebrigen entzogen: es war ein Privilegium. Dem Bürger¬
thum dünkte es gerecht, freizugeben Alles, was für jeden
"Menschen" dazusein schien. Aber, weil freigegeben, war es
doch Keinem gegeben, sondern vielmehr Jedem überlassen, es
durch seine menschlichen Kräfte zu erhaschen. Dadurch
ward der Sinn auf den Erwerb des Menschlichen, das fortan
Jedem winkte, gewendet, und es entstand eine Richtung, welche
man unter dem Namen des "Materialismus" so laut bekla¬
gen hört.

Ihrem Laufe sucht der Communismus Einhalt zu thun,
indem er den Glauben verbreitet, daß das Menschliche so vie¬
ler Plage nicht werth sei und bei einer gescheidten Einrichtung
ohne den großen Aufwand von Zeit und Kräften, wie es zeit¬
her erforderlich schien, gewonnen werden könne.

Für wen soll aber Zeit gewonnen werden? Wozu braucht
der Mensch mehr Zeit, als nöthig ist, seine abgespannten Ar¬
beitskräfte zu erfrischen? Hier schweigt der Communismus.

Da nun die Geſellſchaft nur die gemeinnützigen oder
menſchlichen Arbeiten berückſichtigen kann, ſo bleibt, wer
Einziges leiſtet, ohne ihre Fürſorge, ja er kann ſich durch
ihre Dazwiſchenkunft geſtört finden. Der Einzige wird ſich
wohl aus der Geſellſchaft hervorarbeiten, aber die Geſellſchaft
bringt keinen Einzigen hervor.

Es iſt daher immer förderſam, daß Wir Uns über die
menſchlichen Arbeiten einigen, damit ſie nicht, wie unter
der Concurrenz, alle unſere Zeit und Mühe in Anſpruch neh¬
men. In ſo weit wird der Communismus ſeine Früchte
tragen. Selbſt dasjenige nämlich, wozu alle Menſchen
befähigt ſind oder befähigt werden können, wurde vor der
Herrſchaft des Bürgerthums an Wenige geknüpft und den
Uebrigen entzogen: es war ein Privilegium. Dem Bürger¬
thum dünkte es gerecht, freizugeben Alles, was für jeden
„Menſchen“ dazuſein ſchien. Aber, weil freigegeben, war es
doch Keinem gegeben, ſondern vielmehr Jedem überlaſſen, es
durch ſeine menſchlichen Kräfte zu erhaſchen. Dadurch
ward der Sinn auf den Erwerb des Menſchlichen, das fortan
Jedem winkte, gewendet, und es entſtand eine Richtung, welche
man unter dem Namen des „Materialismus“ ſo laut bekla¬
gen hört.

Ihrem Laufe ſucht der Communismus Einhalt zu thun,
indem er den Glauben verbreitet, daß das Menſchliche ſo vie¬
ler Plage nicht werth ſei und bei einer geſcheidten Einrichtung
ohne den großen Aufwand von Zeit und Kräften, wie es zeit¬
her erforderlich ſchien, gewonnen werden könne.

Für wen ſoll aber Zeit gewonnen werden? Wozu braucht
der Menſch mehr Zeit, als nöthig iſt, ſeine abgeſpannten Ar¬
beitskräfte zu erfriſchen? Hier ſchweigt der Communismus.

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[356/0364] Da nun die Geſellſchaft nur die gemeinnützigen oder menſchlichen Arbeiten berückſichtigen kann, ſo bleibt, wer Einziges leiſtet, ohne ihre Fürſorge, ja er kann ſich durch ihre Dazwiſchenkunft geſtört finden. Der Einzige wird ſich wohl aus der Geſellſchaft hervorarbeiten, aber die Geſellſchaft bringt keinen Einzigen hervor. Es iſt daher immer förderſam, daß Wir Uns über die menſchlichen Arbeiten einigen, damit ſie nicht, wie unter der Concurrenz, alle unſere Zeit und Mühe in Anſpruch neh¬ men. In ſo weit wird der Communismus ſeine Früchte tragen. Selbſt dasjenige nämlich, wozu alle Menſchen befähigt ſind oder befähigt werden können, wurde vor der Herrſchaft des Bürgerthums an Wenige geknüpft und den Uebrigen entzogen: es war ein Privilegium. Dem Bürger¬ thum dünkte es gerecht, freizugeben Alles, was für jeden „Menſchen“ dazuſein ſchien. Aber, weil freigegeben, war es doch Keinem gegeben, ſondern vielmehr Jedem überlaſſen, es durch ſeine menſchlichen Kräfte zu erhaſchen. Dadurch ward der Sinn auf den Erwerb des Menſchlichen, das fortan Jedem winkte, gewendet, und es entſtand eine Richtung, welche man unter dem Namen des „Materialismus“ ſo laut bekla¬ gen hört. Ihrem Laufe ſucht der Communismus Einhalt zu thun, indem er den Glauben verbreitet, daß das Menſchliche ſo vie¬ ler Plage nicht werth ſei und bei einer geſcheidten Einrichtung ohne den großen Aufwand von Zeit und Kräften, wie es zeit¬ her erforderlich ſchien, gewonnen werden könne. Für wen ſoll aber Zeit gewonnen werden? Wozu braucht der Menſch mehr Zeit, als nöthig iſt, ſeine abgeſpannten Ar¬ beitskräfte zu erfriſchen? Hier ſchweigt der Communismus.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/364>, abgerufen am 29.03.2024.