Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

in seinem bloßen Dasein. Bist Du im Stande, seinem Verlan¬
gen zu widerstehen oder reichst Du ihm als Mutter nicht die
Brust, als Vater so viel von deiner Habe, als es bedarf? Es
zwingt Euch, darum besitzt es das, was Ihr das Eure nennt.

Ist Mir an deiner Person gelegen, so zahlst Du Mir
schon mit deiner Existenz; ist's Mir nur um eine deiner Ei¬
genschaften zu thun, so hat etwa deine Willfährigkeit oder
dein Beistand einen Werth (Geldwerth) für Mich, und Ich
erkaufe ihn.

Weißt Du Dir keinen andern, als einen Geldwerth in
meiner Schätzung zu geben, so kann der Fall eintreten, von
dem Uns die Geschichte erzählt, daß nämlich deutsche Landes¬
kinder nach Amerika verkauft wurden. Sollten sie, die sich
verhandeln ließen, dem Verkäufer mehr werth sein? Ihm war
das baare Geld lieber, als diese lebendige Waare, die sich
ihm nicht kostbar zu machen verstand. Daß er in ihr nichts
Werthvolleres entdeckte, war allerdings ein Mangel seines Ver¬
mögens; aber ein Schelm giebt mehr als er hat. Wie sollte
er Achtung zeigen, da er sie nicht hatte, ja kaum für solches
Pack haben konnte!

Egoistisch verfahrt Ihr, wenn Ihr einander weder als
Inhaber noch als Lumpe oder Arbeiter achtet, sondern als
einen Theil eures Vermögens, als "brauchbare Subjecte".
Dann werdet Ihr weder dem Inhaber ("Eigenthümer") für
seine Habe etwas geben, noch dem, der arbeitet, sondern allein
dem, den Ihr braucht. Brauchen Wir einen König? fragen
sich die Nordamerikaner, und antworten: Nicht einen Heller
ist er und seine Arbeit Uns werth.

Sagt man, die Concurrenz stelle Alles Allen offen, so ist
der Ausdruck nicht genau, und man faßt es besser so: sie macht

in ſeinem bloßen Daſein. Biſt Du im Stande, ſeinem Verlan¬
gen zu widerſtehen oder reichſt Du ihm als Mutter nicht die
Bruſt, als Vater ſo viel von deiner Habe, als es bedarf? Es
zwingt Euch, darum beſitzt es das, was Ihr das Eure nennt.

Iſt Mir an deiner Perſon gelegen, ſo zahlſt Du Mir
ſchon mit deiner Exiſtenz; iſt's Mir nur um eine deiner Ei¬
genſchaften zu thun, ſo hat etwa deine Willfährigkeit oder
dein Beiſtand einen Werth (Geldwerth) für Mich, und Ich
erkaufe ihn.

Weißt Du Dir keinen andern, als einen Geldwerth in
meiner Schätzung zu geben, ſo kann der Fall eintreten, von
dem Uns die Geſchichte erzählt, daß nämlich deutſche Landes¬
kinder nach Amerika verkauft wurden. Sollten ſie, die ſich
verhandeln ließen, dem Verkäufer mehr werth ſein? Ihm war
das baare Geld lieber, als dieſe lebendige Waare, die ſich
ihm nicht koſtbar zu machen verſtand. Daß er in ihr nichts
Werthvolleres entdeckte, war allerdings ein Mangel ſeines Ver¬
mögens; aber ein Schelm giebt mehr als er hat. Wie ſollte
er Achtung zeigen, da er ſie nicht hatte, ja kaum für ſolches
Pack haben konnte!

Egoiſtiſch verfahrt Ihr, wenn Ihr einander weder als
Inhaber noch als Lumpe oder Arbeiter achtet, ſondern als
einen Theil eures Vermögens, als „brauchbare Subjecte“.
Dann werdet Ihr weder dem Inhaber („Eigenthümer“) für
ſeine Habe etwas geben, noch dem, der arbeitet, ſondern allein
dem, den Ihr braucht. Brauchen Wir einen König? fragen
ſich die Nordamerikaner, und antworten: Nicht einen Heller
iſt er und ſeine Arbeit Uns werth.

Sagt man, die Concurrenz ſtelle Alles Allen offen, ſo iſt
der Ausdruck nicht genau, und man faßt es beſſer ſo: ſie macht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="352"/>
in &#x017F;einem bloßen Da&#x017F;ein. Bi&#x017F;t Du im Stande, &#x017F;einem Verlan¬<lb/>
gen zu wider&#x017F;tehen oder reich&#x017F;t Du ihm als Mutter nicht die<lb/>
Bru&#x017F;t, als Vater &#x017F;o viel von deiner Habe, als es bedarf? Es<lb/>
zwingt Euch, darum be&#x017F;itzt es das, was Ihr das Eure nennt.</p><lb/>
            <p>I&#x017F;t Mir an deiner Per&#x017F;on gelegen, &#x017F;o zahl&#x017F;t Du Mir<lb/>
&#x017F;chon mit deiner Exi&#x017F;tenz; i&#x017F;t's Mir nur um eine deiner Ei¬<lb/>
gen&#x017F;chaften zu thun, &#x017F;o hat etwa deine Willfährigkeit oder<lb/>
dein Bei&#x017F;tand einen Werth (Geldwerth) für Mich, und Ich<lb/><hi rendition="#g">erkaufe</hi> ihn.</p><lb/>
            <p>Weißt Du Dir keinen andern, als einen Geldwerth in<lb/>
meiner Schätzung zu geben, &#x017F;o kann der Fall eintreten, von<lb/>
dem Uns die Ge&#x017F;chichte erzählt, daß nämlich deut&#x017F;che Landes¬<lb/>
kinder nach Amerika verkauft wurden. Sollten &#x017F;ie, die &#x017F;ich<lb/>
verhandeln ließen, dem Verkäufer mehr werth &#x017F;ein? Ihm war<lb/>
das baare Geld lieber, als die&#x017F;e lebendige Waare, die &#x017F;ich<lb/>
ihm nicht ko&#x017F;tbar zu machen ver&#x017F;tand. Daß er in ihr nichts<lb/>
Werthvolleres entdeckte, war allerdings ein Mangel &#x017F;eines Ver¬<lb/>
mögens; aber ein Schelm giebt mehr als er hat. Wie &#x017F;ollte<lb/>
er Achtung zeigen, da er &#x017F;ie nicht hatte, ja kaum für &#x017F;olches<lb/>
Pack haben konnte!</p><lb/>
            <p>Egoi&#x017F;ti&#x017F;ch verfahrt Ihr, wenn Ihr einander weder als<lb/>
Inhaber noch als Lumpe oder Arbeiter achtet, &#x017F;ondern als<lb/>
einen Theil eures Vermögens, als &#x201E;<hi rendition="#g">brauchbare Subjecte</hi>&#x201C;.<lb/>
Dann werdet Ihr weder dem Inhaber (&#x201E;Eigenthümer&#x201C;) für<lb/>
&#x017F;eine Habe etwas geben, noch dem, der arbeitet, &#x017F;ondern allein<lb/>
dem, den <hi rendition="#g">Ihr braucht</hi>. Brauchen Wir einen König? fragen<lb/>
&#x017F;ich die Nordamerikaner, und antworten: Nicht einen Heller<lb/>
i&#x017F;t er und &#x017F;eine Arbeit Uns werth.</p><lb/>
            <p>Sagt man, die Concurrenz &#x017F;telle Alles Allen offen, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der Ausdruck nicht genau, und man faßt es be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o: &#x017F;ie macht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0360] in ſeinem bloßen Daſein. Biſt Du im Stande, ſeinem Verlan¬ gen zu widerſtehen oder reichſt Du ihm als Mutter nicht die Bruſt, als Vater ſo viel von deiner Habe, als es bedarf? Es zwingt Euch, darum beſitzt es das, was Ihr das Eure nennt. Iſt Mir an deiner Perſon gelegen, ſo zahlſt Du Mir ſchon mit deiner Exiſtenz; iſt's Mir nur um eine deiner Ei¬ genſchaften zu thun, ſo hat etwa deine Willfährigkeit oder dein Beiſtand einen Werth (Geldwerth) für Mich, und Ich erkaufe ihn. Weißt Du Dir keinen andern, als einen Geldwerth in meiner Schätzung zu geben, ſo kann der Fall eintreten, von dem Uns die Geſchichte erzählt, daß nämlich deutſche Landes¬ kinder nach Amerika verkauft wurden. Sollten ſie, die ſich verhandeln ließen, dem Verkäufer mehr werth ſein? Ihm war das baare Geld lieber, als dieſe lebendige Waare, die ſich ihm nicht koſtbar zu machen verſtand. Daß er in ihr nichts Werthvolleres entdeckte, war allerdings ein Mangel ſeines Ver¬ mögens; aber ein Schelm giebt mehr als er hat. Wie ſollte er Achtung zeigen, da er ſie nicht hatte, ja kaum für ſolches Pack haben konnte! Egoiſtiſch verfahrt Ihr, wenn Ihr einander weder als Inhaber noch als Lumpe oder Arbeiter achtet, ſondern als einen Theil eures Vermögens, als „brauchbare Subjecte“. Dann werdet Ihr weder dem Inhaber („Eigenthümer“) für ſeine Habe etwas geben, noch dem, der arbeitet, ſondern allein dem, den Ihr braucht. Brauchen Wir einen König? fragen ſich die Nordamerikaner, und antworten: Nicht einen Heller iſt er und ſeine Arbeit Uns werth. Sagt man, die Concurrenz ſtelle Alles Allen offen, ſo iſt der Ausdruck nicht genau, und man faßt es beſſer ſo: ſie macht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/360
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/360>, abgerufen am 29.03.2024.