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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Klugheit und des Verstandes, der der Dinge mit leichter Mühe
Herr wird, und sie, ihm zu dienen, zwingt, den Geist nicht
finden, der sich aus den Dingen gar nichts macht.

Der Christ hat geistige Interessen, weil er sich erlaubt
ein geistiger Mensch zu sein; der Jude versteht diese Inter¬
essen in ihrer Reinheit nicht einmal, weil er sich nicht erlaubt,
den Dingen keinen Werth beizulegen. Zur reinen Geistig¬
keit gelangt er nicht, einer Geistigkeit, wie sie religiös z. B.
in dem allein d. h. ohne Werke rechtfertigenden Glauben der
Christen ausgedrückt ist. Ihre Geistlosigkeit entfernt die
Juden auf immer von den Christen; denn dem Geistlosen ist
der Geistige unverständlich, wie dem Geistigen der Geistlose ver¬
ächtlich ist. Die Juden haben aber nur den "Geist dieser Welt".

Der antike Scharfsinn und Tiefsinn liegt so weit vom
Geiste und der Geistigkeit der christlichen Welt entfernt, wie
die Erde vom Himmel.

Von den Dingen dieser Welt wird, wer sich als freien
Geist fühlt, nicht gedrückt und geängstigt, weil er sie nicht
achtet; soll man ihre Last noch empfinden, so muß man bor¬
nirt genug sein, auf sie Gewicht zu legen, wozu augen¬
scheinlich gehört, daß es einem noch um das "liebe Leben"
zu thun sei. Wem alles darauf ankommt, sich als freier
Geist zu wissen und zu rühren, der fragt wenig darnach, wie
kümmerlich es ihm dabei ergehe, und denkt überhaupt nicht
darüber nach, wie er seine Einrichtungen zu treffen habe, um
recht frei oder genußreich zu leben. Die Unbequemlichkeiten
des von den Dingen abhängigen Lebens stören ihn nicht,
weil er nur geistig und von Geistesnahrung lebt, im Uebrigen
aber, ohne es kaum zu wissen, nur frißt oder verschlingt, und
wenn ihm der Fraß ausgeht, zwar körperlich stirbt, als Geist

Klugheit und des Verſtandes, der der Dinge mit leichter Mühe
Herr wird, und ſie, ihm zu dienen, zwingt, den Geiſt nicht
finden, der ſich aus den Dingen gar nichts macht.

Der Chriſt hat geiſtige Intereſſen, weil er ſich erlaubt
ein geiſtiger Menſch zu ſein; der Jude verſteht dieſe Inter¬
eſſen in ihrer Reinheit nicht einmal, weil er ſich nicht erlaubt,
den Dingen keinen Werth beizulegen. Zur reinen Geiſtig¬
keit gelangt er nicht, einer Geiſtigkeit, wie ſie religiös z. B.
in dem allein d. h. ohne Werke rechtfertigenden Glauben der
Chriſten ausgedrückt iſt. Ihre Geiſtloſigkeit entfernt die
Juden auf immer von den Chriſten; denn dem Geiſtloſen iſt
der Geiſtige unverſtändlich, wie dem Geiſtigen der Geiſtloſe ver¬
ächtlich iſt. Die Juden haben aber nur den „Geiſt dieſer Welt“.

Der antike Scharfſinn und Tiefſinn liegt ſo weit vom
Geiſte und der Geiſtigkeit der chriſtlichen Welt entfernt, wie
die Erde vom Himmel.

Von den Dingen dieſer Welt wird, wer ſich als freien
Geiſt fühlt, nicht gedrückt und geängſtigt, weil er ſie nicht
achtet; ſoll man ihre Laſt noch empfinden, ſo muß man bor¬
nirt genug ſein, auf ſie Gewicht zu legen, wozu augen¬
ſcheinlich gehört, daß es einem noch um das „liebe Leben“
zu thun ſei. Wem alles darauf ankommt, ſich als freier
Geiſt zu wiſſen und zu rühren, der fragt wenig darnach, wie
kümmerlich es ihm dabei ergehe, und denkt überhaupt nicht
darüber nach, wie er ſeine Einrichtungen zu treffen habe, um
recht frei oder genußreich zu leben. Die Unbequemlichkeiten
des von den Dingen abhängigen Lebens ſtören ihn nicht,
weil er nur geiſtig und von Geiſtesnahrung lebt, im Uebrigen
aber, ohne es kaum zu wiſſen, nur frißt oder verſchlingt, und
wenn ihm der Fraß ausgeht, zwar körperlich ſtirbt, als Geiſt

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[28/0036] Klugheit und des Verſtandes, der der Dinge mit leichter Mühe Herr wird, und ſie, ihm zu dienen, zwingt, den Geiſt nicht finden, der ſich aus den Dingen gar nichts macht. Der Chriſt hat geiſtige Intereſſen, weil er ſich erlaubt ein geiſtiger Menſch zu ſein; der Jude verſteht dieſe Inter¬ eſſen in ihrer Reinheit nicht einmal, weil er ſich nicht erlaubt, den Dingen keinen Werth beizulegen. Zur reinen Geiſtig¬ keit gelangt er nicht, einer Geiſtigkeit, wie ſie religiös z. B. in dem allein d. h. ohne Werke rechtfertigenden Glauben der Chriſten ausgedrückt iſt. Ihre Geiſtloſigkeit entfernt die Juden auf immer von den Chriſten; denn dem Geiſtloſen iſt der Geiſtige unverſtändlich, wie dem Geiſtigen der Geiſtloſe ver¬ ächtlich iſt. Die Juden haben aber nur den „Geiſt dieſer Welt“. Der antike Scharfſinn und Tiefſinn liegt ſo weit vom Geiſte und der Geiſtigkeit der chriſtlichen Welt entfernt, wie die Erde vom Himmel. Von den Dingen dieſer Welt wird, wer ſich als freien Geiſt fühlt, nicht gedrückt und geängſtigt, weil er ſie nicht achtet; ſoll man ihre Laſt noch empfinden, ſo muß man bor¬ nirt genug ſein, auf ſie Gewicht zu legen, wozu augen¬ ſcheinlich gehört, daß es einem noch um das „liebe Leben“ zu thun ſei. Wem alles darauf ankommt, ſich als freier Geiſt zu wiſſen und zu rühren, der fragt wenig darnach, wie kümmerlich es ihm dabei ergehe, und denkt überhaupt nicht darüber nach, wie er ſeine Einrichtungen zu treffen habe, um recht frei oder genußreich zu leben. Die Unbequemlichkeiten des von den Dingen abhängigen Lebens ſtören ihn nicht, weil er nur geiſtig und von Geiſtesnahrung lebt, im Uebrigen aber, ohne es kaum zu wiſſen, nur frißt oder verſchlingt, und wenn ihm der Fraß ausgeht, zwar körperlich ſtirbt, als Geiſt

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/36>, abgerufen am 28.03.2024.