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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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die Kranken, Kinder, Greise, kurz die Arbeitsunfähigen unter¬
hält? Diese vermögen noch immer gar manches z. B. ihr
Leben zu erhalten, statt es sich zu nehmen. Vermögen sie es
über Euch, daß Ihr ihren Fortbestand begehrt, so haben sie
eine Gewalt über Euch. Wer platterdings keine Macht über
Euch übte, dem würdet Ihr nichts gewähren; er könnte ver¬
kommen.

Also was Du vermagst, ist dein Vermögen! Ver¬
magst Du Tausenden Lust zu bereiten, so werden Tausende
Dich dafür honoriren, es stände ja in deiner Gewalt, es zu
unterlassen, daher müssen sie deine That erkaufen. Vermagst
Du keinen für Dich einzunehmen, so magst Du eben ver¬
hungern.

Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor den Unver¬
mögenderen nichts voraus haben?

Wir sitzen Alle im Vollen; soll Ich nun nicht zulangen,
so gut Ich kann, und nur abwarten, wie viel Mir bei einer
gleichen Theilung bleibt?

Gegen die Concurrenz erhebt sich das Princip der Lum¬
pengesellschaft, die -- Vertheilung.

Für einen bloßen Theil, Theil der Gesellschaft, angese¬
hen zu werden, erträgt der Einzelne nicht, weil er mehr ist;
seine Einzigkeit wehrt diese beschränkte Auffassung ab.

Daher erwartet er sein Vermögen nicht von der Zuthei¬
lung Anderer, und schon in der Arbeitergesellschaft entsteht das
Bedenken, daß bei einer gleichen Vertheilung der Starke durch
den Schwachen ausgebeutet werde; er erwartet sein Vermögen
vielmehr von sich und sagt nun: was Ich zu haben vermag,
das ist mein Vermögen. Welch' Vermögen besitzt nicht das
Kind in seinem Lächeln, seinem Spielen, seinem Geschrei, kurz

die Kranken, Kinder, Greiſe, kurz die Arbeitsunfähigen unter¬
hält? Dieſe vermögen noch immer gar manches z. B. ihr
Leben zu erhalten, ſtatt es ſich zu nehmen. Vermögen ſie es
über Euch, daß Ihr ihren Fortbeſtand begehrt, ſo haben ſie
eine Gewalt über Euch. Wer platterdings keine Macht über
Euch übte, dem würdet Ihr nichts gewähren; er könnte ver¬
kommen.

Alſo was Du vermagſt, iſt dein Vermögen! Ver¬
magſt Du Tauſenden Luſt zu bereiten, ſo werden Tauſende
Dich dafür honoriren, es ſtände ja in deiner Gewalt, es zu
unterlaſſen, daher müſſen ſie deine That erkaufen. Vermagſt
Du keinen für Dich einzunehmen, ſo magſt Du eben ver¬
hungern.

Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor den Unver¬
mögenderen nichts voraus haben?

Wir ſitzen Alle im Vollen; ſoll Ich nun nicht zulangen,
ſo gut Ich kann, und nur abwarten, wie viel Mir bei einer
gleichen Theilung bleibt?

Gegen die Concurrenz erhebt ſich das Princip der Lum¬
pengeſellſchaft, die — Vertheilung.

Für einen bloßen Theil, Theil der Geſellſchaft, angeſe¬
hen zu werden, erträgt der Einzelne nicht, weil er mehr iſt;
ſeine Einzigkeit wehrt dieſe beſchränkte Auffaſſung ab.

Daher erwartet er ſein Vermögen nicht von der Zuthei¬
lung Anderer, und ſchon in der Arbeitergeſellſchaft entſteht das
Bedenken, daß bei einer gleichen Vertheilung der Starke durch
den Schwachen ausgebeutet werde; er erwartet ſein Vermögen
vielmehr von ſich und ſagt nun: was Ich zu haben vermag,
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[351/0359] die Kranken, Kinder, Greiſe, kurz die Arbeitsunfähigen unter¬ hält? Dieſe vermögen noch immer gar manches z. B. ihr Leben zu erhalten, ſtatt es ſich zu nehmen. Vermögen ſie es über Euch, daß Ihr ihren Fortbeſtand begehrt, ſo haben ſie eine Gewalt über Euch. Wer platterdings keine Macht über Euch übte, dem würdet Ihr nichts gewähren; er könnte ver¬ kommen. Alſo was Du vermagſt, iſt dein Vermögen! Ver¬ magſt Du Tauſenden Luſt zu bereiten, ſo werden Tauſende Dich dafür honoriren, es ſtände ja in deiner Gewalt, es zu unterlaſſen, daher müſſen ſie deine That erkaufen. Vermagſt Du keinen für Dich einzunehmen, ſo magſt Du eben ver¬ hungern. Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor den Unver¬ mögenderen nichts voraus haben? Wir ſitzen Alle im Vollen; ſoll Ich nun nicht zulangen, ſo gut Ich kann, und nur abwarten, wie viel Mir bei einer gleichen Theilung bleibt? Gegen die Concurrenz erhebt ſich das Princip der Lum¬ pengeſellſchaft, die — Vertheilung. Für einen bloßen Theil, Theil der Geſellſchaft, angeſe¬ hen zu werden, erträgt der Einzelne nicht, weil er mehr iſt; ſeine Einzigkeit wehrt dieſe beſchränkte Auffaſſung ab. Daher erwartet er ſein Vermögen nicht von der Zuthei¬ lung Anderer, und ſchon in der Arbeitergeſellſchaft entſteht das Bedenken, daß bei einer gleichen Vertheilung der Starke durch den Schwachen ausgebeutet werde; er erwartet ſein Vermögen vielmehr von ſich und ſagt nun: was Ich zu haben vermag, das iſt mein Vermögen. Welch' Vermögen beſitzt nicht das Kind in ſeinem Lächeln, ſeinem Spielen, ſeinem Geſchrei, kurz

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/359>, abgerufen am 28.03.2024.