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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Ist auch gar nicht nöthig, daß die Sache neu sei, wenn nur
das Bewußtsein darüber vorhanden ist. Dieses aber wird
eben nicht auf hohes Alter Anspruch machen können, wenn
man nicht etwa das ägyptische und spartanische Gesetz hierher
rechnet; denn wie wenig geläufig es sei, geht schon aus obi¬
gem Vorwurf hervor, der mit Verachtung von dem "Selbst¬
süchtigen" spricht. Wissen soll man's eben, daß jenes Ver¬
fahren des Zugreifens nicht verächtlich sei, sondern die reine
That des mit sich einigen Egoisten bekunde.

Erst wenn Ich weder von Einzelnen, noch von einer Ge¬
sammtheit erwarte, was Ich Mir selbst geben kann, erst dann
entschlüpfe Ich den Stricken der -- Liebe; erst dann hört der
Pöbel auf, Pöbel zu sein, wenn er zugreift. Nur die Scheu
des Zugreifens und die entsprechende Bestrafung desselben
macht ihn zum Pöbel. Nur daß das Zugreifen Sünde,
Verbrechen ist, nur diese Satzung schafft einen Pöbel, und daß
dieser bleibt, was er ist, daran ist sowohl er schuld, weil er
jene Satzung gelten läßt, als besonders diejenigen, welche
"selbstsüchtig" (um ihnen ihr beliebtes Wort zurückzugeben)
fordern, daß sie respectirt werde. Kurz der Mangel an Be¬
wußtsein
über jene "neue Weisheit", das alte Sünden¬
bewußtsein trägt allein die Schuld.

Gelangen die Menschen dahin, daß sie den Respect vor
dem Eigenthum verlieren, so wird jeder Eigenthum haben, wie
alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn als
Herrn nicht mehr achten. Vereine werden dann auch in
dieser Sache die Mittel des Einzelnen multipliciren und sein
angefochtenes Eigenthum sicher stellen.

Nach der Meinung der Communisten soll die Gemeinde
Eigenthümerin sein. Umgekehrt Ich bin Eigenthümer, und

Iſt auch gar nicht nöthig, daß die Sache neu ſei, wenn nur
das Bewußtſein darüber vorhanden iſt. Dieſes aber wird
eben nicht auf hohes Alter Anſpruch machen können, wenn
man nicht etwa das ägyptiſche und ſpartaniſche Geſetz hierher
rechnet; denn wie wenig geläufig es ſei, geht ſchon aus obi¬
gem Vorwurf hervor, der mit Verachtung von dem „Selbſt¬
ſüchtigen“ ſpricht. Wiſſen ſoll man's eben, daß jenes Ver¬
fahren des Zugreifens nicht verächtlich ſei, ſondern die reine
That des mit ſich einigen Egoiſten bekunde.

Erſt wenn Ich weder von Einzelnen, noch von einer Ge¬
ſammtheit erwarte, was Ich Mir ſelbſt geben kann, erſt dann
entſchlüpfe Ich den Stricken der — Liebe; erſt dann hört der
Pöbel auf, Pöbel zu ſein, wenn er zugreift. Nur die Scheu
des Zugreifens und die entſprechende Beſtrafung deſſelben
macht ihn zum Pöbel. Nur daß das Zugreifen Sünde,
Verbrechen iſt, nur dieſe Satzung ſchafft einen Pöbel, und daß
dieſer bleibt, was er iſt, daran iſt ſowohl er ſchuld, weil er
jene Satzung gelten läßt, als beſonders diejenigen, welche
„ſelbſtſüchtig“ (um ihnen ihr beliebtes Wort zurückzugeben)
fordern, daß ſie reſpectirt werde. Kurz der Mangel an Be¬
wußtſein
über jene „neue Weisheit“, das alte Sünden¬
bewußtſein trägt allein die Schuld.

Gelangen die Menſchen dahin, daß ſie den Reſpect vor
dem Eigenthum verlieren, ſo wird jeder Eigenthum haben, wie
alle Sklaven freie Menſchen werden, ſobald ſie den Herrn als
Herrn nicht mehr achten. Vereine werden dann auch in
dieſer Sache die Mittel des Einzelnen multipliciren und ſein
angefochtenes Eigenthum ſicher ſtellen.

Nach der Meinung der Communiſten ſoll die Gemeinde
Eigenthümerin ſein. Umgekehrt Ich bin Eigenthümer, und

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[342/0350] Iſt auch gar nicht nöthig, daß die Sache neu ſei, wenn nur das Bewußtſein darüber vorhanden iſt. Dieſes aber wird eben nicht auf hohes Alter Anſpruch machen können, wenn man nicht etwa das ägyptiſche und ſpartaniſche Geſetz hierher rechnet; denn wie wenig geläufig es ſei, geht ſchon aus obi¬ gem Vorwurf hervor, der mit Verachtung von dem „Selbſt¬ ſüchtigen“ ſpricht. Wiſſen ſoll man's eben, daß jenes Ver¬ fahren des Zugreifens nicht verächtlich ſei, ſondern die reine That des mit ſich einigen Egoiſten bekunde. Erſt wenn Ich weder von Einzelnen, noch von einer Ge¬ ſammtheit erwarte, was Ich Mir ſelbſt geben kann, erſt dann entſchlüpfe Ich den Stricken der — Liebe; erſt dann hört der Pöbel auf, Pöbel zu ſein, wenn er zugreift. Nur die Scheu des Zugreifens und die entſprechende Beſtrafung deſſelben macht ihn zum Pöbel. Nur daß das Zugreifen Sünde, Verbrechen iſt, nur dieſe Satzung ſchafft einen Pöbel, und daß dieſer bleibt, was er iſt, daran iſt ſowohl er ſchuld, weil er jene Satzung gelten läßt, als beſonders diejenigen, welche „ſelbſtſüchtig“ (um ihnen ihr beliebtes Wort zurückzugeben) fordern, daß ſie reſpectirt werde. Kurz der Mangel an Be¬ wußtſein über jene „neue Weisheit“, das alte Sünden¬ bewußtſein trägt allein die Schuld. Gelangen die Menſchen dahin, daß ſie den Reſpect vor dem Eigenthum verlieren, ſo wird jeder Eigenthum haben, wie alle Sklaven freie Menſchen werden, ſobald ſie den Herrn als Herrn nicht mehr achten. Vereine werden dann auch in dieſer Sache die Mittel des Einzelnen multipliciren und ſein angefochtenes Eigenthum ſicher ſtellen. Nach der Meinung der Communiſten ſoll die Gemeinde Eigenthümerin ſein. Umgekehrt Ich bin Eigenthümer, und

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/350>, abgerufen am 28.03.2024.