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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag,
das bleibt mein Eigenthum; wohlan so entscheide die Gewalt
über das Eigenthum, und Ich will Alles von meiner Gewalt
erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern
lasse, macht Mich zum Leibeigenen: so möge eigene Gewalt
Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück,
welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eige¬
nen
Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine
Gewalt langt, das ist mein Eigenthum, und nehme Ich alles
als Eigenthum in Anspruch, was zu erreichen Ich Mich stark
genug fühle, und lasse Ich mein wirkliches Eigenthum soweit
reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. -- er¬
mächtige.

Hier muß der Egoismus, der Eigennutz entscheiden, nicht
das Princip der Liebe, nicht die Liebesmotive, wie Barm¬
herzigkeit, Mildthätigkeit, Gutmüthigkeit oder selbst Gerechtig¬
keit und Billigkeit (denn auch die iustitia ist ein Phänomen der
-- Liebe, ein Liebesproduct): die Liebe kennt nur Opfer und
fordert "Aufopferung".

Der Egoismus denkt nicht daran etwas aufzuopfern, sich
etwas zu vergeben; er entscheidet einfach: Was Ich brauche,
muß Ich haben und will Ich Mir verschaffen.

Alle Versuche, über das Eigenthum vernünftige Gesetze
zu geben, liefen vom Busen der Liebe in ein wüstes Meer
von Bestimmungen aus. Auch den Socialismus und Com¬
munismus kann man hiervon nicht ausnehmen. Es soll jeder
mit hinreichenden Mitteln versorgt werden, wobei wenig darauf
ankommt, ob man socialistisch sie noch in einem persönlichen
Eigenthum findet, oder communistisch aus der Gütergemein¬
schaft schöpft. Der Sinn der Einzelnen bleibt dabei derselbe,

Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag,
das bleibt mein Eigenthum; wohlan ſo entſcheide die Gewalt
über das Eigenthum, und Ich will Alles von meiner Gewalt
erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern
laſſe, macht Mich zum Leibeigenen: ſo möge eigene Gewalt
Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück,
welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eige¬
nen
Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine
Gewalt langt, das iſt mein Eigenthum, und nehme Ich alles
als Eigenthum in Anſpruch, was zu erreichen Ich Mich ſtark
genug fühle, und laſſe Ich mein wirkliches Eigenthum ſoweit
reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. — er¬
mächtige.

Hier muß der Egoismus, der Eigennutz entſcheiden, nicht
das Princip der Liebe, nicht die Liebesmotive, wie Barm¬
herzigkeit, Mildthätigkeit, Gutmüthigkeit oder ſelbſt Gerechtig¬
keit und Billigkeit (denn auch die iustitia iſt ein Phänomen der
— Liebe, ein Liebesproduct): die Liebe kennt nur Opfer und
fordert „Aufopferung“.

Der Egoismus denkt nicht daran etwas aufzuopfern, ſich
etwas zu vergeben; er entſcheidet einfach: Was Ich brauche,
muß Ich haben und will Ich Mir verſchaffen.

Alle Verſuche, über das Eigenthum vernünftige Geſetze
zu geben, liefen vom Buſen der Liebe in ein wüſtes Meer
von Beſtimmungen aus. Auch den Socialismus und Com¬
munismus kann man hiervon nicht ausnehmen. Es ſoll jeder
mit hinreichenden Mitteln verſorgt werden, wobei wenig darauf
ankommt, ob man ſocialiſtiſch ſie noch in einem perſönlichen
Eigenthum findet, oder communiſtiſch aus der Gütergemein¬
ſchaft ſchöpft. Der Sinn der Einzelnen bleibt dabei derſelbe,

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[340/0348] Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigenthum; wohlan ſo entſcheide die Gewalt über das Eigenthum, und Ich will Alles von meiner Gewalt erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern laſſe, macht Mich zum Leibeigenen: ſo möge eigene Gewalt Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück, welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eige¬ nen Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine Gewalt langt, das iſt mein Eigenthum, und nehme Ich alles als Eigenthum in Anſpruch, was zu erreichen Ich Mich ſtark genug fühle, und laſſe Ich mein wirkliches Eigenthum ſoweit reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. — er¬ mächtige. Hier muß der Egoismus, der Eigennutz entſcheiden, nicht das Princip der Liebe, nicht die Liebesmotive, wie Barm¬ herzigkeit, Mildthätigkeit, Gutmüthigkeit oder ſelbſt Gerechtig¬ keit und Billigkeit (denn auch die iustitia iſt ein Phänomen der — Liebe, ein Liebesproduct): die Liebe kennt nur Opfer und fordert „Aufopferung“. Der Egoismus denkt nicht daran etwas aufzuopfern, ſich etwas zu vergeben; er entſcheidet einfach: Was Ich brauche, muß Ich haben und will Ich Mir verſchaffen. Alle Verſuche, über das Eigenthum vernünftige Geſetze zu geben, liefen vom Buſen der Liebe in ein wüſtes Meer von Beſtimmungen aus. Auch den Socialismus und Com¬ munismus kann man hiervon nicht ausnehmen. Es ſoll jeder mit hinreichenden Mitteln verſorgt werden, wobei wenig darauf ankommt, ob man ſocialiſtiſch ſie noch in einem perſönlichen Eigenthum findet, oder communiſtiſch aus der Gütergemein¬ ſchaft ſchöpft. Der Sinn der Einzelnen bleibt dabei derſelbe,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/348>, abgerufen am 20.04.2024.