Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

als solchen nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf ei¬
nen Eigenthümer, verlegt ihn aber ins Jenseits.

Eigenthümer ist weder Gott noch der Mensch (die "mensch¬
liche Gesellschaft"), sondern der Einzelne.


Proud'hon (auch Weitling) glaubt das Schlimmste vom
Eigenthum auszusagen, wenn er es einen Diebstahl (vol)
nennt. Ganz abgesehen von der verfänglichen Frage, was
gegen den Diebstahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen
Wir nur: Ist der Begriff "Diebstahl" überhaupt anders mög¬
lich, als wenn man den Begriff "Eigenthum" gelten läßt.
Wie kann man stehlen, wenn nicht schon Eigenthum vorhan¬
den ist? Was Keinem gehört, kann nicht gestohlen werden:
das Wasser, welches Einer aus dem Meere schöpft, stiehlt
er nicht. Mithin ist nicht das Eigenthum Diebstahl, sondern
durch das Eigenthum erst wird ein Diebstahl möglich. Auch
muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als Ei¬
genthum Aller
betrachtet: ist Etwas "Eigenthum Aller",
so stiehlt freilich der Einzelne, der sich's zueignet.

Das Privateigenthum lebt von der Gnade des Rechts.
Nur im Rechte hat es seine Gewähr -- Besitz ist ja noch
nicht Eigenthum, er wird erst "das Meinige" durch Zustim¬
mung des Rechts --; es ist keine Thatsache, nicht un fait.
wie Proud'hon meint, sondern eine Fiction, ein Gedanke. Das
ist das Rechtseigenthum, rechtliches Eigenthum, garantirtes
Eigenthum. Nicht durch Mich ist es mein, sondern durch's
-- Recht.

Dennoch ist Eigenthum der Ausdruck für die unum¬
schränkte Herrschaft
über Etwas (Ding, Thier, Mensch),

als ſolchen nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf ei¬
nen Eigenthümer, verlegt ihn aber ins Jenſeits.

Eigenthümer iſt weder Gott noch der Menſch (die „menſch¬
liche Geſellſchaft“), ſondern der Einzelne.


Proud'hon (auch Weitling) glaubt das Schlimmſte vom
Eigenthum auszuſagen, wenn er es einen Diebſtahl (vol)
nennt. Ganz abgeſehen von der verfänglichen Frage, was
gegen den Diebſtahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen
Wir nur: Iſt der Begriff „Diebſtahl“ überhaupt anders mög¬
lich, als wenn man den Begriff „Eigenthum“ gelten läßt.
Wie kann man ſtehlen, wenn nicht ſchon Eigenthum vorhan¬
den iſt? Was Keinem gehört, kann nicht geſtohlen werden:
das Waſſer, welches Einer aus dem Meere ſchöpft, ſtiehlt
er nicht. Mithin iſt nicht das Eigenthum Diebſtahl, ſondern
durch das Eigenthum erſt wird ein Diebſtahl möglich. Auch
muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als Ei¬
genthum Aller
betrachtet: iſt Etwas „Eigenthum Aller“,
ſo ſtiehlt freilich der Einzelne, der ſich's zueignet.

Das Privateigenthum lebt von der Gnade des Rechts.
Nur im Rechte hat es ſeine Gewähr — Beſitz iſt ja noch
nicht Eigenthum, er wird erſt „das Meinige“ durch Zuſtim¬
mung des Rechts —; es iſt keine Thatſache, nicht un fait.
wie Proud'hon meint, ſondern eine Fiction, ein Gedanke. Das
iſt das Rechtseigenthum, rechtliches Eigenthum, garantirtes
Eigenthum. Nicht durch Mich iſt es mein, ſondern durch's
Recht.

Dennoch iſt Eigenthum der Ausdruck für die unum¬
ſchränkte Herrſchaft
über Etwas (Ding, Thier, Menſch),

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0340" n="332"/>
als &#x017F;olchen</hi> nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf ei¬<lb/>
nen Eigenthümer, verlegt ihn aber ins Jen&#x017F;eits.</p><lb/>
            <p>Eigenthümer i&#x017F;t weder Gott noch der Men&#x017F;ch (die &#x201E;men&#x017F;ch¬<lb/>
liche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201C;), &#x017F;ondern der Einzelne.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Proud'hon (auch Weitling) glaubt das Schlimm&#x017F;te vom<lb/>
Eigenthum auszu&#x017F;agen, wenn er es einen Dieb&#x017F;tahl (<hi rendition="#aq">vol</hi>)<lb/>
nennt. Ganz abge&#x017F;ehen von der verfänglichen Frage, was<lb/>
gegen den Dieb&#x017F;tahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen<lb/>
Wir nur: I&#x017F;t der Begriff &#x201E;Dieb&#x017F;tahl&#x201C; überhaupt anders mög¬<lb/>
lich, als wenn man den Begriff &#x201E;Eigenthum&#x201C; gelten läßt.<lb/>
Wie kann man &#x017F;tehlen, wenn nicht &#x017F;chon Eigenthum vorhan¬<lb/>
den i&#x017F;t? Was Keinem gehört, kann nicht <hi rendition="#g">ge&#x017F;tohlen</hi> werden:<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er, welches Einer aus dem Meere &#x017F;chöpft, <hi rendition="#g">&#x017F;tiehlt</hi><lb/>
er <hi rendition="#g">nicht</hi>. Mithin i&#x017F;t nicht das Eigenthum Dieb&#x017F;tahl, &#x017F;ondern<lb/>
durch das Eigenthum er&#x017F;t wird ein Dieb&#x017F;tahl möglich. Auch<lb/>
muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als <hi rendition="#g">Ei¬<lb/>
genthum Aller</hi> betrachtet: i&#x017F;t Etwas &#x201E;Eigenthum Aller&#x201C;,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tiehlt freilich der Einzelne, der &#x017F;ich's zueignet.</p><lb/>
            <p>Das Privateigenthum lebt von der Gnade des <hi rendition="#g">Rechts</hi>.<lb/>
Nur im Rechte hat es &#x017F;eine Gewähr &#x2014; Be&#x017F;itz i&#x017F;t ja noch<lb/>
nicht Eigenthum, er wird er&#x017F;t &#x201E;das Meinige&#x201C; durch Zu&#x017F;tim¬<lb/>
mung des Rechts &#x2014;; es i&#x017F;t keine That&#x017F;ache, nicht <hi rendition="#aq">un fait</hi>.<lb/>
wie Proud'hon meint, &#x017F;ondern eine Fiction, ein Gedanke. Das<lb/>
i&#x017F;t das Rechtseigenthum, rechtliches Eigenthum, garantirtes<lb/>
Eigenthum. Nicht durch <hi rendition="#g">Mich</hi> i&#x017F;t es <hi rendition="#g">mein</hi>, &#x017F;ondern durch's<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#g">Recht</hi>.</p><lb/>
            <p>Dennoch i&#x017F;t Eigenthum der Ausdruck für die <hi rendition="#g">unum¬<lb/>
&#x017F;chränkte Herr&#x017F;chaft</hi> über Etwas (Ding, Thier, Men&#x017F;ch),<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0340] als ſolchen nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf ei¬ nen Eigenthümer, verlegt ihn aber ins Jenſeits. Eigenthümer iſt weder Gott noch der Menſch (die „menſch¬ liche Geſellſchaft“), ſondern der Einzelne. Proud'hon (auch Weitling) glaubt das Schlimmſte vom Eigenthum auszuſagen, wenn er es einen Diebſtahl (vol) nennt. Ganz abgeſehen von der verfänglichen Frage, was gegen den Diebſtahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen Wir nur: Iſt der Begriff „Diebſtahl“ überhaupt anders mög¬ lich, als wenn man den Begriff „Eigenthum“ gelten läßt. Wie kann man ſtehlen, wenn nicht ſchon Eigenthum vorhan¬ den iſt? Was Keinem gehört, kann nicht geſtohlen werden: das Waſſer, welches Einer aus dem Meere ſchöpft, ſtiehlt er nicht. Mithin iſt nicht das Eigenthum Diebſtahl, ſondern durch das Eigenthum erſt wird ein Diebſtahl möglich. Auch muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als Ei¬ genthum Aller betrachtet: iſt Etwas „Eigenthum Aller“, ſo ſtiehlt freilich der Einzelne, der ſich's zueignet. Das Privateigenthum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es ſeine Gewähr — Beſitz iſt ja noch nicht Eigenthum, er wird erſt „das Meinige“ durch Zuſtim¬ mung des Rechts —; es iſt keine Thatſache, nicht un fait. wie Proud'hon meint, ſondern eine Fiction, ein Gedanke. Das iſt das Rechtseigenthum, rechtliches Eigenthum, garantirtes Eigenthum. Nicht durch Mich iſt es mein, ſondern durch's — Recht. Dennoch iſt Eigenthum der Ausdruck für die unum¬ ſchränkte Herrſchaft über Etwas (Ding, Thier, Menſch),

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/340
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/340>, abgerufen am 23.04.2024.