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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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die "Majestät" (denn in der "Majestät" haben Gott und Fürst
ihr eigentliches Wesen), zu der Ich im religiösen Verhältniß
stehe. -- Wie der souveraine Regent, so würde auch das sou¬
veraine Volk von keinem Gesetze erreicht werden. Der ganze
E. Bauersche Versuch läuft auf einen Herren-Wechsel
hinaus. Statt das Volk frei machen zu wollen, hätte er auf
die einzig realisirbare Freiheit, auf die seinige, bedacht sein sollen.

Im constitutionellen Staate ist endlich der Absolutis¬
mus
selbst in Kampf mit sich gekommen, da er in eine Zwei¬
heit zersprengt wurde: es will die Regierung absolut sein,
und das Volk will absolut sein. Diese beiden Absoluten wer¬
den sich aneinander aufreiben.

E. Bauer eifert dagegen, daß der Regent durch die Ge¬
burt
, durch den Zufall gegeben sei. Wenn nun aber "das
Volk die einzige Macht im Staate" (S. 132) geworden sein
wird, haben Wir dann nicht an ihm einen Herrn aus Zu¬
fall
? Was ist denn das Volk? Das Volk ist immer nur
der Leib der Regierung gewesen: es sind Viele unter Einem
Hute (Fürstenhut) oder Viele unter Einer Verfassung. Und
die Verfassung ist der -- Fürst. Fürsten und Völker werden
so lange bestehen, als nicht beide zusammenfallen. Sind
unter Einer Verfassung mancherlei "Völker", z. B. in der alt¬
persischen Monarchie und heute, so gelten diese "Völker" nur
als "Provinzen". Für Mich ist jedenfalls das Volk eine --
zufällige Macht, eine Natur-Gewalt, ein Feind, den Ich be¬
siegen muß.

Was hat man unter einem "organisirten" Volke sich vor¬
zustellen (ebendaselbst S. 132)? Ein Volk, "das keine Re¬
gierung mehr hat", das sich selbst regiert. Also worin kein
Ich hervorragt, ein durch den Ostracismus organisirtes Volk.

die „Majeſtät“ (denn in der „Majeſtät“ haben Gott und Fürſt
ihr eigentliches Weſen), zu der Ich im religiöſen Verhältniß
ſtehe. — Wie der ſouveraine Regent, ſo würde auch das ſou¬
veraine Volk von keinem Geſetze erreicht werden. Der ganze
E. Bauerſche Verſuch läuft auf einen Herren-Wechſel
hinaus. Statt das Volk frei machen zu wollen, hätte er auf
die einzig realiſirbare Freiheit, auf die ſeinige, bedacht ſein ſollen.

Im conſtitutionellen Staate iſt endlich der Abſolutis¬
mus
ſelbſt in Kampf mit ſich gekommen, da er in eine Zwei¬
heit zerſprengt wurde: es will die Regierung abſolut ſein,
und das Volk will abſolut ſein. Dieſe beiden Abſoluten wer¬
den ſich aneinander aufreiben.

E. Bauer eifert dagegen, daß der Regent durch die Ge¬
burt
, durch den Zufall gegeben ſei. Wenn nun aber „das
Volk die einzige Macht im Staate“ (S. 132) geworden ſein
wird, haben Wir dann nicht an ihm einen Herrn aus Zu¬
fall
? Was iſt denn das Volk? Das Volk iſt immer nur
der Leib der Regierung geweſen: es ſind Viele unter Einem
Hute (Fürſtenhut) oder Viele unter Einer Verfaſſung. Und
die Verfaſſung iſt der — Fürſt. Fürſten und Völker werden
ſo lange beſtehen, als nicht beide zuſammenfallen. Sind
unter Einer Verfaſſung mancherlei „Völker“, z. B. in der alt¬
perſiſchen Monarchie und heute, ſo gelten dieſe „Völker“ nur
als „Provinzen“. Für Mich iſt jedenfalls das Volk eine —
zufällige Macht, eine Natur-Gewalt, ein Feind, den Ich be¬
ſiegen muß.

Was hat man unter einem „organiſirten“ Volke ſich vor¬
zuſtellen (ebendaſelbſt S. 132)? Ein Volk, „das keine Re¬
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Ich hervorragt, ein durch den Oſtracismus organiſirtes Volk.

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[302/0310] die „Majeſtät“ (denn in der „Majeſtät“ haben Gott und Fürſt ihr eigentliches Weſen), zu der Ich im religiöſen Verhältniß ſtehe. — Wie der ſouveraine Regent, ſo würde auch das ſou¬ veraine Volk von keinem Geſetze erreicht werden. Der ganze E. Bauerſche Verſuch läuft auf einen Herren-Wechſel hinaus. Statt das Volk frei machen zu wollen, hätte er auf die einzig realiſirbare Freiheit, auf die ſeinige, bedacht ſein ſollen. Im conſtitutionellen Staate iſt endlich der Abſolutis¬ mus ſelbſt in Kampf mit ſich gekommen, da er in eine Zwei¬ heit zerſprengt wurde: es will die Regierung abſolut ſein, und das Volk will abſolut ſein. Dieſe beiden Abſoluten wer¬ den ſich aneinander aufreiben. E. Bauer eifert dagegen, daß der Regent durch die Ge¬ burt, durch den Zufall gegeben ſei. Wenn nun aber „das Volk die einzige Macht im Staate“ (S. 132) geworden ſein wird, haben Wir dann nicht an ihm einen Herrn aus Zu¬ fall? Was iſt denn das Volk? Das Volk iſt immer nur der Leib der Regierung geweſen: es ſind Viele unter Einem Hute (Fürſtenhut) oder Viele unter Einer Verfaſſung. Und die Verfaſſung iſt der — Fürſt. Fürſten und Völker werden ſo lange beſtehen, als nicht beide zuſammenfallen. Sind unter Einer Verfaſſung mancherlei „Völker“, z. B. in der alt¬ perſiſchen Monarchie und heute, ſo gelten dieſe „Völker“ nur als „Provinzen“. Für Mich iſt jedenfalls das Volk eine — zufällige Macht, eine Natur-Gewalt, ein Feind, den Ich be¬ ſiegen muß. Was hat man unter einem „organiſirten“ Volke ſich vor¬ zuſtellen (ebendaſelbſt S. 132)? Ein Volk, „das keine Re¬ gierung mehr hat“, das ſich ſelbſt regiert. Alſo worin kein Ich hervorragt, ein durch den Oſtracismus organiſirtes Volk.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/310>, abgerufen am 28.03.2024.