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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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kommt auch nichts Gemeinsames zu Stande, so wenig als
man ein Gewebe die gemeinsame Arbeit aller einzelnen Theile
einer Maschine nennen kann: es ist vielmehr die Arbeit der
ganzen Maschine als einer Einheit, ist Maschinenarbeit.
In derselben Art geschieht auch Alles durch die Staats¬
maschine
; denn sie bewegt das Räderwerk der einzelnen Gei¬
ster, deren keiner seinem eigenen Antriebe folgt. Jede freie
Thätigkeit sucht der Staat durch seine Censur, seine Ueber¬
wachung, seine Polizei zu hemmen, und hält diese Hemmung
für seine Pflicht, weil sie in Wahrheit Pflicht der Selbsterhal¬
tung ist. Der Staat will aus den Menschen etwas machen,
darum leben in ihm nur gemachte Menschen; jeder, der Er
Selbst sein will, ist sein Gegner und ist nichts. "Er ist nichts"
heißt so viel, als: der Staat verwendet ihn nicht, überläßt ihm
keine Stellung, kein Amt, kein Gewerbe u. dergl.

E. Bauer *)träumt in den liberalen Bestrebungen II,50
noch von einer "Regierung, welche aus dem Volke hervorgehend,
nie gegen dasselbe in Opposition stehen könne". Zwar nimmt
er (S. 69) das Wort "Regierung" selbst zurück: "In der
Republik gilt gar keine Regierung, sondern nur eine ausführende
Gewalt. Eine Gewalt, welche rein und allein aus dem Volke
hervorgeht, welche nicht dem Volke gegenüber eine selbständige
Macht, selbständige Principien, selbständige Beamten hat, son¬
dern welche in der einzigen, obersten Staatsgewalt, in dem
Volke ihre Begründung, die Quelle ihrer Macht und ihrer
Principien hat. Der Begriff Regierung paßt also gar nicht

*) Vom Nachfolgenden gilt, was in der Schlußanmerkung hinter
dem humanen Liberalismus gesagt wurde, daß es nämlich ebenfalls gleich
nach dem Erscheinen des angeführten Buches niedergeschrieben wurde.

kommt auch nichts Gemeinſames zu Stande, ſo wenig als
man ein Gewebe die gemeinſame Arbeit aller einzelnen Theile
einer Maſchine nennen kann: es iſt vielmehr die Arbeit der
ganzen Maſchine als einer Einheit, iſt Maſchinenarbeit.
In derſelben Art geſchieht auch Alles durch die Staats¬
maſchine
; denn ſie bewegt das Räderwerk der einzelnen Gei¬
ſter, deren keiner ſeinem eigenen Antriebe folgt. Jede freie
Thätigkeit ſucht der Staat durch ſeine Cenſur, ſeine Ueber¬
wachung, ſeine Polizei zu hemmen, und hält dieſe Hemmung
für ſeine Pflicht, weil ſie in Wahrheit Pflicht der Selbſterhal¬
tung iſt. Der Staat will aus den Menſchen etwas machen,
darum leben in ihm nur gemachte Menſchen; jeder, der Er
Selbſt ſein will, iſt ſein Gegner und iſt nichts. „Er iſt nichts“
heißt ſo viel, als: der Staat verwendet ihn nicht, überläßt ihm
keine Stellung, kein Amt, kein Gewerbe u. dergl.

E. Bauer *)träumt in den liberalen Beſtrebungen II,50
noch von einer „Regierung, welche aus dem Volke hervorgehend,
nie gegen daſſelbe in Oppoſition ſtehen könne“. Zwar nimmt
er (S. 69) das Wort „Regierung“ ſelbſt zurück: „In der
Republik gilt gar keine Regierung, ſondern nur eine ausführende
Gewalt. Eine Gewalt, welche rein und allein aus dem Volke
hervorgeht, welche nicht dem Volke gegenüber eine ſelbſtändige
Macht, ſelbſtändige Principien, ſelbſtändige Beamten hat, ſon¬
dern welche in der einzigen, oberſten Staatsgewalt, in dem
Volke ihre Begründung, die Quelle ihrer Macht und ihrer
Principien hat. Der Begriff Regierung paßt alſo gar nicht

*) Vom Nachfolgenden gilt, was in der Schlußanmerkung hinter
dem humanen Liberalismus geſagt wurde, daß es nämlich ebenfalls gleich
nach dem Erſcheinen des angeführten Buches niedergeſchrieben wurde.
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[299/0307] kommt auch nichts Gemeinſames zu Stande, ſo wenig als man ein Gewebe die gemeinſame Arbeit aller einzelnen Theile einer Maſchine nennen kann: es iſt vielmehr die Arbeit der ganzen Maſchine als einer Einheit, iſt Maſchinenarbeit. In derſelben Art geſchieht auch Alles durch die Staats¬ maſchine; denn ſie bewegt das Räderwerk der einzelnen Gei¬ ſter, deren keiner ſeinem eigenen Antriebe folgt. Jede freie Thätigkeit ſucht der Staat durch ſeine Cenſur, ſeine Ueber¬ wachung, ſeine Polizei zu hemmen, und hält dieſe Hemmung für ſeine Pflicht, weil ſie in Wahrheit Pflicht der Selbſterhal¬ tung iſt. Der Staat will aus den Menſchen etwas machen, darum leben in ihm nur gemachte Menſchen; jeder, der Er Selbſt ſein will, iſt ſein Gegner und iſt nichts. „Er iſt nichts“ heißt ſo viel, als: der Staat verwendet ihn nicht, überläßt ihm keine Stellung, kein Amt, kein Gewerbe u. dergl. E. Bauer *)träumt in den liberalen Beſtrebungen II,50 noch von einer „Regierung, welche aus dem Volke hervorgehend, nie gegen daſſelbe in Oppoſition ſtehen könne“. Zwar nimmt er (S. 69) das Wort „Regierung“ ſelbſt zurück: „In der Republik gilt gar keine Regierung, ſondern nur eine ausführende Gewalt. Eine Gewalt, welche rein und allein aus dem Volke hervorgeht, welche nicht dem Volke gegenüber eine ſelbſtändige Macht, ſelbſtändige Principien, ſelbſtändige Beamten hat, ſon¬ dern welche in der einzigen, oberſten Staatsgewalt, in dem Volke ihre Begründung, die Quelle ihrer Macht und ihrer Principien hat. Der Begriff Regierung paßt alſo gar nicht *) Vom Nachfolgenden gilt, was in der Schlußanmerkung hinter dem humanen Liberalismus geſagt wurde, daß es nämlich ebenfalls gleich nach dem Erſcheinen des angeführten Buches niedergeſchrieben wurde.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/307>, abgerufen am 24.04.2024.