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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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weit die natürliche Bedeutung des Wortes Gesellschaft. Es
stellt sich dabei heraus, daß die Gesellschaft nicht durch Mich
und Dich erzeugt wird, sondern durch ein Drittes, welches aus
Uns beiden Gesellschafter macht, und daß eben dieses Dritte
das Erschaffende, das Gesellschaft Schaffende ist.

Ebenso eine Gefängniß-Gesellschaft oder Gefängniß-Ge¬
nossenschaft (die dasselbe Gefängniß genießen). Hier gerathen
Wir schon in ein inhaltreicheres Drittes, als jenes bloß ört¬
liche, der Saal, war. Gefängniß bedeutet nicht mehr nur einen
Raum, sondern einen Raum mit ausdrücklicher Beziehung auf
seine Bewohner: es ist ja nur dadurch Gefängniß, daß es für
Gefangene bestimmt ist, ohne die es eben ein bloßes Gebäude
wäre. Wer giebt den in ihm Versammelten ein gemeinsames
Gepräge? Offenbar das Gefängniß, da sie nur mittelst des
Gefängnisses Gefangene sind. Wer bestimmt also die Lebens¬
weise der Gefängniß-Gesellschaft? Das Gefängniß! Wer
bestimmt ihren Verkehr? Etwa auch das Gefängniß? Aller¬
dings können sie nur als Gefangene in Verkehr treten, d. h.
nur so weit, als die Gefängniß-Gesetze ihn zulassen; aber daß
sie selbst, Ich mit Dir, verkehren, das kann das Gefängniß
nicht bewirken, im Gegentheil, es muß darauf bedacht sein,
solchen egoistischen, rein persönlichen Verkehr (und nur als
solcher ist er wirklich Verkehr zwischen Mir und Dir) zu ver¬
hüten. Daß Wir gemeinschaftlich eine Arbeit verrichten,
eine Maschine ziehen, überhaupt etwas ins Werk setzen, dafür
sorgt ein Gefängniß wohl; aber daß Ich vergesse, Ich sei ein
Gefangener, und mit Dir, der gleichfalls davon absieht, einen
Verkehr eingehe, das bringt dem Gefängniß Gefahr, und kann
von ihm nicht nur nicht gemacht, es darf nicht einmal zuge¬
lassen werden. Aus diesem Grunde beschließt die heilige und

weit die natürliche Bedeutung des Wortes Geſellſchaft. Es
ſtellt ſich dabei heraus, daß die Geſellſchaft nicht durch Mich
und Dich erzeugt wird, ſondern durch ein Drittes, welches aus
Uns beiden Geſellſchafter macht, und daß eben dieſes Dritte
das Erſchaffende, das Geſellſchaft Schaffende iſt.

Ebenſo eine Gefängniß-Geſellſchaft oder Gefängniß-Ge¬
noſſenſchaft (die daſſelbe Gefängniß genießen). Hier gerathen
Wir ſchon in ein inhaltreicheres Drittes, als jenes bloß ört¬
liche, der Saal, war. Gefängniß bedeutet nicht mehr nur einen
Raum, ſondern einen Raum mit ausdrücklicher Beziehung auf
ſeine Bewohner: es iſt ja nur dadurch Gefängniß, daß es für
Gefangene beſtimmt iſt, ohne die es eben ein bloßes Gebäude
wäre. Wer giebt den in ihm Verſammelten ein gemeinſames
Gepräge? Offenbar das Gefängniß, da ſie nur mittelſt des
Gefängniſſes Gefangene ſind. Wer beſtimmt alſo die Lebens¬
weiſe der Gefängniß-Geſellſchaft? Das Gefängniß! Wer
beſtimmt ihren Verkehr? Etwa auch das Gefängniß? Aller¬
dings können ſie nur als Gefangene in Verkehr treten, d. h.
nur ſo weit, als die Gefängniß-Geſetze ihn zulaſſen; aber daß
ſie ſelbſt, Ich mit Dir, verkehren, das kann das Gefängniß
nicht bewirken, im Gegentheil, es muß darauf bedacht ſein,
ſolchen egoiſtiſchen, rein perſönlichen Verkehr (und nur als
ſolcher iſt er wirklich Verkehr zwiſchen Mir und Dir) zu ver¬
hüten. Daß Wir gemeinſchaftlich eine Arbeit verrichten,
eine Maſchine ziehen, überhaupt etwas ins Werk ſetzen, dafür
ſorgt ein Gefängniß wohl; aber daß Ich vergeſſe, Ich ſei ein
Gefangener, und mit Dir, der gleichfalls davon abſieht, einen
Verkehr eingehe, das bringt dem Gefängniß Gefahr, und kann
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laſſen werden. Aus dieſem Grunde beſchließt die heilige und

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[287/0295] weit die natürliche Bedeutung des Wortes Geſellſchaft. Es ſtellt ſich dabei heraus, daß die Geſellſchaft nicht durch Mich und Dich erzeugt wird, ſondern durch ein Drittes, welches aus Uns beiden Geſellſchafter macht, und daß eben dieſes Dritte das Erſchaffende, das Geſellſchaft Schaffende iſt. Ebenſo eine Gefängniß-Geſellſchaft oder Gefängniß-Ge¬ noſſenſchaft (die daſſelbe Gefängniß genießen). Hier gerathen Wir ſchon in ein inhaltreicheres Drittes, als jenes bloß ört¬ liche, der Saal, war. Gefängniß bedeutet nicht mehr nur einen Raum, ſondern einen Raum mit ausdrücklicher Beziehung auf ſeine Bewohner: es iſt ja nur dadurch Gefängniß, daß es für Gefangene beſtimmt iſt, ohne die es eben ein bloßes Gebäude wäre. Wer giebt den in ihm Verſammelten ein gemeinſames Gepräge? Offenbar das Gefängniß, da ſie nur mittelſt des Gefängniſſes Gefangene ſind. Wer beſtimmt alſo die Lebens¬ weiſe der Gefängniß-Geſellſchaft? Das Gefängniß! Wer beſtimmt ihren Verkehr? Etwa auch das Gefängniß? Aller¬ dings können ſie nur als Gefangene in Verkehr treten, d. h. nur ſo weit, als die Gefängniß-Geſetze ihn zulaſſen; aber daß ſie ſelbſt, Ich mit Dir, verkehren, das kann das Gefängniß nicht bewirken, im Gegentheil, es muß darauf bedacht ſein, ſolchen egoiſtiſchen, rein perſönlichen Verkehr (und nur als ſolcher iſt er wirklich Verkehr zwiſchen Mir und Dir) zu ver¬ hüten. Daß Wir gemeinſchaftlich eine Arbeit verrichten, eine Maſchine ziehen, überhaupt etwas ins Werk ſetzen, dafür ſorgt ein Gefängniß wohl; aber daß Ich vergeſſe, Ich ſei ein Gefangener, und mit Dir, der gleichfalls davon abſieht, einen Verkehr eingehe, das bringt dem Gefängniß Gefahr, und kann von ihm nicht nur nicht gemacht, es darf nicht einmal zuge¬ laſſen werden. Aus dieſem Grunde beſchließt die heilige und

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/295>, abgerufen am 25.04.2024.