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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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ken finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner. In der
Geisterzeit wuchsen Mir die Gedanken über den Kopf, dessen
Geburten sie doch waren; wie Fieberphantasien umschwebten
und erschütterten sie Mich, eine schauervolle Macht. Die Ge¬
danken waren für sich selbst leibhaftig geworden, waren
Gespenster, wie Gott, Kaiser, Papst, Vaterland u. s. w.
Zerstöre Ich ihre Leibhaftigkeit, so nehme Ich sie in die Meinige
zurück und sage: Ich allein bin leibhaftig. Und nun nehme
Ich die Welt als das, was sie Mir ist, als die Meinige,
als Mein Eigenthum: Ich beziehe alles auf Mich.

Stieß Ich als Geist die Welt zurück in tiefster Weltver¬
achtung, so stoße Ich als Eigner die Geister oder Ideen zu¬
rück in ihre "Eitelkeit". Sie haben keine Macht mehr über
Mich, wie über den Geist keine "Gewalt der Erde" eine
Macht hat.

Das Kind war realistisch, in den Dingen dieser Welt
befangen, bis ihm nach, und nach hinter eben diese Dinge zu
kommen gelang; der Jüngling war idealistisch, von Gedanken
begeistert, bis er sich zum Manne hinaufarbeitete, dem egoisti¬
schen, der mit den Dingen und Gedanken nach Herzenslust
gebahrt und sein persönliches Interesse über alles setzt. End¬
lich der Greis? Wenn Ich einer werde, so ist noch Zeit ge¬
nug, davon zu sprechen.


ken finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner. In der
Geiſterzeit wuchſen Mir die Gedanken über den Kopf, deſſen
Geburten ſie doch waren; wie Fieberphantaſien umſchwebten
und erſchütterten ſie Mich, eine ſchauervolle Macht. Die Ge¬
danken waren für ſich ſelbſt leibhaftig geworden, waren
Geſpenſter, wie Gott, Kaiſer, Papſt, Vaterland u. ſ. w.
Zerſtöre Ich ihre Leibhaftigkeit, ſo nehme Ich ſie in die Meinige
zurück und ſage: Ich allein bin leibhaftig. Und nun nehme
Ich die Welt als das, was ſie Mir iſt, als die Meinige,
als Mein Eigenthum: Ich beziehe alles auf Mich.

Stieß Ich als Geiſt die Welt zurück in tiefſter Weltver¬
achtung, ſo ſtoße Ich als Eigner die Geiſter oder Ideen zu¬
rück in ihre „Eitelkeit“. Sie haben keine Macht mehr über
Mich, wie über den Geiſt keine „Gewalt der Erde“ eine
Macht hat.

Das Kind war realiſtiſch, in den Dingen dieſer Welt
befangen, bis ihm nach, und nach hinter eben dieſe Dinge zu
kommen gelang; der Jüngling war idealiſtiſch, von Gedanken
begeiſtert, bis er ſich zum Manne hinaufarbeitete, dem egoiſti¬
ſchen, der mit den Dingen und Gedanken nach Herzensluſt
gebahrt und ſein perſönliches Intereſſe über alles ſetzt. End¬
lich der Greis? Wenn Ich einer werde, ſo iſt noch Zeit ge¬
nug, davon zu ſprechen.


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[20/0028] ken finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner. In der Geiſterzeit wuchſen Mir die Gedanken über den Kopf, deſſen Geburten ſie doch waren; wie Fieberphantaſien umſchwebten und erſchütterten ſie Mich, eine ſchauervolle Macht. Die Ge¬ danken waren für ſich ſelbſt leibhaftig geworden, waren Geſpenſter, wie Gott, Kaiſer, Papſt, Vaterland u. ſ. w. Zerſtöre Ich ihre Leibhaftigkeit, ſo nehme Ich ſie in die Meinige zurück und ſage: Ich allein bin leibhaftig. Und nun nehme Ich die Welt als das, was ſie Mir iſt, als die Meinige, als Mein Eigenthum: Ich beziehe alles auf Mich. Stieß Ich als Geiſt die Welt zurück in tiefſter Weltver¬ achtung, ſo ſtoße Ich als Eigner die Geiſter oder Ideen zu¬ rück in ihre „Eitelkeit“. Sie haben keine Macht mehr über Mich, wie über den Geiſt keine „Gewalt der Erde“ eine Macht hat. Das Kind war realiſtiſch, in den Dingen dieſer Welt befangen, bis ihm nach, und nach hinter eben dieſe Dinge zu kommen gelang; der Jüngling war idealiſtiſch, von Gedanken begeiſtert, bis er ſich zum Manne hinaufarbeitete, dem egoiſti¬ ſchen, der mit den Dingen und Gedanken nach Herzensluſt gebahrt und ſein perſönliches Intereſſe über alles ſetzt. End¬ lich der Greis? Wenn Ich einer werde, ſo iſt noch Zeit ge¬ nug, davon zu ſprechen.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/28>, abgerufen am 29.03.2024.