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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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die, welche einen abweichenden Begriff vom Menschen durch¬
führen möchten, als diejenigen, welche sich durchsetzen wollen,
vor dem siegreichen "Menschen".

Und mit welcher Salbung wird hier im Namen des Ge¬
setzes, des souverainen Volkes, Gottes u. s. w. geschlachtet.
Wenn nun die Verfolgten sich vor den strengen, pfäffi¬
schen Richtern listig verbergen und wahren, so schilt man sie
"Heuchler", wie St. Just z. B. diejenigen, welche er in der
Rede gegen Danton anklagt. *)Man soll ein Narr sein und
sich ihrem Moloch überliefern.

Aus fixen Ideen entstehen die Verbrechen. Die Hei¬
ligkeit der Ehe ist eine fixe Idee. Aus der Heiligkeit folgt,
daß die Untreue ein Verbrechen ist, und es setzt daher ein
gewisses Ehegesetz eine kürzere oder längere Strafe darauf.
Aber diese Strafe muß von denen, welche die "Freiheit als
heilig" ausrufen, als ein Verbrechen wider die Freiheit ange¬
sehen werden, und nur in diesem Sinne hat auch die öffent¬
liche Meinung das Ehegesetz gebrandmarkt.

Die Gesellschaft will zwar haben, daß Jeder zu seinem
Rechte komme, aber doch nur zu dem von der Gesellschaft san¬
ctionirten, dem Gesellschaftsrechte, nicht wirklich zu seinem
Rechte. Ich aber gebe oder nehme Mir das Recht aus eige¬
ner Machtvollkommenheit, und gegen jede Uebermacht bin Ich
der unbußfertigste Verbrecher. Eigener und Schöpfer meines
Rechts -- erkenne ich keine andere Rechtsquelle als -- Mich,
weder Gott, noch den Staat, noch die Natur, noch auch den
Menschen selbst mit seinen "ewigen Menschenrechten", weder
göttliches noch menschliches Recht.

*) S. Politische Reden 10. S. 153.

die, welche einen abweichenden Begriff vom Menſchen durch¬
führen möchten, als diejenigen, welche ſich durchſetzen wollen,
vor dem ſiegreichen „Menſchen“.

Und mit welcher Salbung wird hier im Namen des Ge¬
ſetzes, des ſouverainen Volkes, Gottes u. ſ. w. geſchlachtet.
Wenn nun die Verfolgten ſich vor den ſtrengen, pfäffi¬
ſchen Richtern liſtig verbergen und wahren, ſo ſchilt man ſie
„Heuchler“, wie St. Juſt z. B. diejenigen, welche er in der
Rede gegen Danton anklagt. *)Man ſoll ein Narr ſein und
ſich ihrem Moloch überliefern.

Aus fixen Ideen entſtehen die Verbrechen. Die Hei¬
ligkeit der Ehe iſt eine fixe Idee. Aus der Heiligkeit folgt,
daß die Untreue ein Verbrechen iſt, und es ſetzt daher ein
gewiſſes Ehegeſetz eine kürzere oder längere Strafe darauf.
Aber dieſe Strafe muß von denen, welche die „Freiheit als
heilig“ ausrufen, als ein Verbrechen wider die Freiheit ange¬
ſehen werden, und nur in dieſem Sinne hat auch die öffent¬
liche Meinung das Ehegeſetz gebrandmarkt.

Die Geſellſchaft will zwar haben, daß Jeder zu ſeinem
Rechte komme, aber doch nur zu dem von der Geſellſchaft ſan¬
ctionirten, dem Geſellſchaftsrechte, nicht wirklich zu ſeinem
Rechte. Ich aber gebe oder nehme Mir das Recht aus eige¬
ner Machtvollkommenheit, und gegen jede Uebermacht bin Ich
der unbußfertigſte Verbrecher. Eigener und Schöpfer meines
Rechts — erkenne ich keine andere Rechtsquelle als — Mich,
weder Gott, noch den Staat, noch die Natur, noch auch den
Menſchen ſelbſt mit ſeinen „ewigen Menſchenrechten“, weder
göttliches noch menſchliches Recht.

*) S. Politiſche Reden 10. S. 153.
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[269/0277] die, welche einen abweichenden Begriff vom Menſchen durch¬ führen möchten, als diejenigen, welche ſich durchſetzen wollen, vor dem ſiegreichen „Menſchen“. Und mit welcher Salbung wird hier im Namen des Ge¬ ſetzes, des ſouverainen Volkes, Gottes u. ſ. w. geſchlachtet. Wenn nun die Verfolgten ſich vor den ſtrengen, pfäffi¬ ſchen Richtern liſtig verbergen und wahren, ſo ſchilt man ſie „Heuchler“, wie St. Juſt z. B. diejenigen, welche er in der Rede gegen Danton anklagt. *)Man ſoll ein Narr ſein und ſich ihrem Moloch überliefern. Aus fixen Ideen entſtehen die Verbrechen. Die Hei¬ ligkeit der Ehe iſt eine fixe Idee. Aus der Heiligkeit folgt, daß die Untreue ein Verbrechen iſt, und es ſetzt daher ein gewiſſes Ehegeſetz eine kürzere oder längere Strafe darauf. Aber dieſe Strafe muß von denen, welche die „Freiheit als heilig“ ausrufen, als ein Verbrechen wider die Freiheit ange¬ ſehen werden, und nur in dieſem Sinne hat auch die öffent¬ liche Meinung das Ehegeſetz gebrandmarkt. Die Geſellſchaft will zwar haben, daß Jeder zu ſeinem Rechte komme, aber doch nur zu dem von der Geſellſchaft ſan¬ ctionirten, dem Geſellſchaftsrechte, nicht wirklich zu ſeinem Rechte. Ich aber gebe oder nehme Mir das Recht aus eige¬ ner Machtvollkommenheit, und gegen jede Uebermacht bin Ich der unbußfertigſte Verbrecher. Eigener und Schöpfer meines Rechts — erkenne ich keine andere Rechtsquelle als — Mich, weder Gott, noch den Staat, noch die Natur, noch auch den Menſchen ſelbſt mit ſeinen „ewigen Menſchenrechten“, weder göttliches noch menſchliches Recht. *) S. Politiſche Reden 10. S. 153.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/277>, abgerufen am 29.03.2024.