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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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lebt, also -- loyal ist. Ob Ich loyal bin in einer Despotie
oder in einer Weitlingschen "Gesellschaft", das ist dieselbe Recht¬
losigkeit, insofern Ich in beiden Fällen nicht mein, sondern
fremdes Recht habe.

Beim Rechte fragt man immer: "Was oder Wer giebt
Mir das Recht dazu?" Antwort: Gott, die Liebe, die Ver¬
nunft, die Natur, die Humanität u. s. w. Nein, nur deine
Gewalt
, deine Macht giebt Dir das Recht (deine Vernunft
z. B. kann Dir's geben).

Der Communismus, welcher annimmt, daß die Menschen
"von Natur gleiche Rechte haben", widerlegt seinen eigenen Satz da¬
hin, daß die Menschen von Natur gar kein Recht haben. Denn er
will z. B. nicht anerkennen, daß die Aeltern "von Natur" Rechte
gegen die Kinder haben oder diese gegen jene: er hebt die Familie
auf. Die Natur giebt den Aeltern, Geschwistern u. s. w. gar kein
Recht. Ueberhaupt beruht dieser ganze revolutionnaire oder Ba¬
beufsche Grundsatz *)einer religiösen, d. h. falschen An¬
schauung. Wer kann, wenn er sich nicht auch auf dem reli¬
giösen Standpunkte befindet, nach dem "Rechte" fragen? Ist
"das Recht" nicht ein religiöser Begriff, d. h. etwas Heiliges?
"Rechtsgleichheit", wie sie die Revolution aufstellte, ist
ja nur eine andere Form für die "christliche Gleichheit", die
"Gleichheit der Brüder, der Kinder Gottes, der Christen u. s. w.",
kurz fraternite. Alle und jede Frage nach dem Rechte ver¬
dient mit Schillers Worten gegeißelt zu werden:

Jahre lang schon bedien' ich mich meiner Nase zum Riechen;
Hab' ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?
*) Vergl.: "Die Communisten in der Schweiz", Commissional¬
bericht. S. 3.

lebt, alſo — loyal iſt. Ob Ich loyal bin in einer Despotie
oder in einer Weitlingſchen „Geſellſchaft“, das iſt dieſelbe Recht¬
loſigkeit, inſofern Ich in beiden Fällen nicht mein, ſondern
fremdes Recht habe.

Beim Rechte fragt man immer: „Was oder Wer giebt
Mir das Recht dazu?“ Antwort: Gott, die Liebe, die Ver¬
nunft, die Natur, die Humanität u. ſ. w. Nein, nur deine
Gewalt
, deine Macht giebt Dir das Recht (deine Vernunft
z. B. kann Dir's geben).

Der Communismus, welcher annimmt, daß die Menſchen
„von Natur gleiche Rechte haben“, widerlegt ſeinen eigenen Satz da¬
hin, daß die Menſchen von Natur gar kein Recht haben. Denn er
will z. B. nicht anerkennen, daß die Aeltern „von Natur“ Rechte
gegen die Kinder haben oder dieſe gegen jene: er hebt die Familie
auf. Die Natur giebt den Aeltern, Geſchwiſtern u. ſ. w. gar kein
Recht. Ueberhaupt beruht dieſer ganze revolutionnaire oder Ba¬
beufſche Grundſatz *)einer religiöſen, d. h. falſchen An¬
ſchauung. Wer kann, wenn er ſich nicht auch auf dem reli¬
giöſen Standpunkte befindet, nach dem „Rechte“ fragen? Iſt
„das Recht“ nicht ein religiöſer Begriff, d. h. etwas Heiliges?
Rechtsgleichheit“, wie ſie die Revolution aufſtellte, iſt
ja nur eine andere Form für die „chriſtliche Gleichheit“, die
„Gleichheit der Brüder, der Kinder Gottes, der Chriſten u. ſ. w.“,
kurz fraternité. Alle und jede Frage nach dem Rechte ver¬
dient mit Schillers Worten gegeißelt zu werden:

Jahre lang ſchon bedien' ich mich meiner Naſe zum Riechen;
Hab' ich denn wirklich an ſie auch ein erweisliches Recht?
*) Vergl.: „Die Communiſten in der Schweiz“, Commiſſional¬
bericht. S. 3.
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[247/0255] lebt, alſo — loyal iſt. Ob Ich loyal bin in einer Despotie oder in einer Weitlingſchen „Geſellſchaft“, das iſt dieſelbe Recht¬ loſigkeit, inſofern Ich in beiden Fällen nicht mein, ſondern fremdes Recht habe. Beim Rechte fragt man immer: „Was oder Wer giebt Mir das Recht dazu?“ Antwort: Gott, die Liebe, die Ver¬ nunft, die Natur, die Humanität u. ſ. w. Nein, nur deine Gewalt, deine Macht giebt Dir das Recht (deine Vernunft z. B. kann Dir's geben). Der Communismus, welcher annimmt, daß die Menſchen „von Natur gleiche Rechte haben“, widerlegt ſeinen eigenen Satz da¬ hin, daß die Menſchen von Natur gar kein Recht haben. Denn er will z. B. nicht anerkennen, daß die Aeltern „von Natur“ Rechte gegen die Kinder haben oder dieſe gegen jene: er hebt die Familie auf. Die Natur giebt den Aeltern, Geſchwiſtern u. ſ. w. gar kein Recht. Ueberhaupt beruht dieſer ganze revolutionnaire oder Ba¬ beufſche Grundſatz *)einer religiöſen, d. h. falſchen An¬ ſchauung. Wer kann, wenn er ſich nicht auch auf dem reli¬ giöſen Standpunkte befindet, nach dem „Rechte“ fragen? Iſt „das Recht“ nicht ein religiöſer Begriff, d. h. etwas Heiliges? „Rechtsgleichheit“, wie ſie die Revolution aufſtellte, iſt ja nur eine andere Form für die „chriſtliche Gleichheit“, die „Gleichheit der Brüder, der Kinder Gottes, der Chriſten u. ſ. w.“, kurz fraternité. Alle und jede Frage nach dem Rechte ver¬ dient mit Schillers Worten gegeißelt zu werden: Jahre lang ſchon bedien' ich mich meiner Naſe zum Riechen; Hab' ich denn wirklich an ſie auch ein erweisliches Recht? *) Vergl.: „Die Communiſten in der Schweiz“, Commiſſional¬ bericht. S. 3.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/255>, abgerufen am 24.04.2024.