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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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weil el das Meinige zu einem Jenseitigen, weil er überhaupt
aus dem Meinigen, aus meinen Eigenschaften und meinem
Eigenthum, ein Fremdes, nämlich ein "Wesen" macht, kurz,
weil er Mich unter den Menschen stellt und Mir dadurch einen
"Beruf" schafft; aber auch der Form nach erklärt sich der Li¬
beralismus als Religion, wenn er für dieß höchste Wesen, den
Menschen, einen Glaubenseifer fordert, "einen Glauben, der
endlich auch einmal seinen Feuereifer beweisen wird, einen
Eifer, der unüberwindlich sein wird." *)Da der Liberalismus
aber menschliche Religion ist, so verhält sich der Bekenner der¬
selben gegen den Bekenner jeder anderen (katholischen, jüdischen
u. s. w.) tolerant, wie Friedlich der Große gegen Jeden
sich verhielt, der seine Unterthanenpfiichten verrichtet, welcher
Facon des Seligwerdens er auch zugethan sein mochte. Diese
Religion soll jetzt zur allgemein üblichen erhoben und von den
andern als bloßen "Privatnarrheiten", gegen die man übri¬
gens sich wegen ihrer Unwesentlichkeit höchst liberal verhält,
abgesondert werden.

Man kann sie die Staatsreligion, die Religion des
"freien Staates" nennen, nicht in dem bisherigen Sinne, daß
sie die vom Staate bevorzugte oder privilegirte sei, sondern als
diejenige Religion, welche der "freie Staat" von jedem der
Seinigen, er sei privatim Jude, Christ oder was sonst, zu for¬
dern nicht nur berechtigt, sondern genöthigt ist. Sie thut
nämlich dem Staate dieselben Dienste, wie die Pietät der Fa¬
milie. Soll die Familie von jedem der Ihrigen in ihrem Be¬
stande anerkannt und erhalten werden, so muß ihm das Band
des Blutes heilig, und sein Gefühl dafür das der Pietät, des

*) Br. Bauer Judenfr. S. 61.

weil el das Meinige zu einem Jenſeitigen, weil er überhaupt
aus dem Meinigen, aus meinen Eigenſchaften und meinem
Eigenthum, ein Fremdes, nämlich ein „Weſen“ macht, kurz,
weil er Mich unter den Menſchen ſtellt und Mir dadurch einen
„Beruf“ ſchafft; aber auch der Form nach erklärt ſich der Li¬
beralismus als Religion, wenn er für dieß höchſte Weſen, den
Menſchen, einen Glaubenseifer fordert, „einen Glauben, der
endlich auch einmal ſeinen Feuereifer beweiſen wird, einen
Eifer, der unüberwindlich ſein wird.“ *)Da der Liberalismus
aber menſchliche Religion iſt, ſo verhält ſich der Bekenner der¬
ſelben gegen den Bekenner jeder anderen (katholiſchen, jüdiſchen
u. ſ. w.) tolerant, wie Friedlich der Große gegen Jeden
ſich verhielt, der ſeine Unterthanenpfiichten verrichtet, welcher
Facon des Seligwerdens er auch zugethan ſein mochte. Dieſe
Religion ſoll jetzt zur allgemein üblichen erhoben und von den
andern als bloßen „Privatnarrheiten“, gegen die man übri¬
gens ſich wegen ihrer Unweſentlichkeit höchſt liberal verhält,
abgeſondert werden.

Man kann ſie die Staatsreligion, die Religion des
„freien Staates“ nennen, nicht in dem bisherigen Sinne, daß
ſie die vom Staate bevorzugte oder privilegirte ſei, ſondern als
diejenige Religion, welche der „freie Staat“ von jedem der
Seinigen, er ſei privatim Jude, Chriſt oder was ſonſt, zu for¬
dern nicht nur berechtigt, ſondern genöthigt iſt. Sie thut
nämlich dem Staate dieſelben Dienſte, wie die Pietät der Fa¬
milie. Soll die Familie von jedem der Ihrigen in ihrem Be¬
ſtande anerkannt und erhalten werden, ſo muß ihm das Band
des Blutes heilig, und ſein Gefühl dafür das der Pietät, des

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[231/0239] weil el das Meinige zu einem Jenſeitigen, weil er überhaupt aus dem Meinigen, aus meinen Eigenſchaften und meinem Eigenthum, ein Fremdes, nämlich ein „Weſen“ macht, kurz, weil er Mich unter den Menſchen ſtellt und Mir dadurch einen „Beruf“ ſchafft; aber auch der Form nach erklärt ſich der Li¬ beralismus als Religion, wenn er für dieß höchſte Weſen, den Menſchen, einen Glaubenseifer fordert, „einen Glauben, der endlich auch einmal ſeinen Feuereifer beweiſen wird, einen Eifer, der unüberwindlich ſein wird.“ *)Da der Liberalismus aber menſchliche Religion iſt, ſo verhält ſich der Bekenner der¬ ſelben gegen den Bekenner jeder anderen (katholiſchen, jüdiſchen u. ſ. w.) tolerant, wie Friedlich der Große gegen Jeden ſich verhielt, der ſeine Unterthanenpfiichten verrichtet, welcher Facon des Seligwerdens er auch zugethan ſein mochte. Dieſe Religion ſoll jetzt zur allgemein üblichen erhoben und von den andern als bloßen „Privatnarrheiten“, gegen die man übri¬ gens ſich wegen ihrer Unweſentlichkeit höchſt liberal verhält, abgeſondert werden. Man kann ſie die Staatsreligion, die Religion des „freien Staates“ nennen, nicht in dem bisherigen Sinne, daß ſie die vom Staate bevorzugte oder privilegirte ſei, ſondern als diejenige Religion, welche der „freie Staat“ von jedem der Seinigen, er ſei privatim Jude, Chriſt oder was ſonſt, zu for¬ dern nicht nur berechtigt, ſondern genöthigt iſt. Sie thut nämlich dem Staate dieſelben Dienſte, wie die Pietät der Fa¬ milie. Soll die Familie von jedem der Ihrigen in ihrem Be¬ ſtande anerkannt und erhalten werden, ſo muß ihm das Band des Blutes heilig, und ſein Gefühl dafür das der Pietät, des *) Br. Bauer Judenfr. S. 61.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/239>, abgerufen am 24.04.2024.