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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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höchsten Geiste die kleineren "geistigen Wesen" halten können!
"Der Mensch" wirft die falschen Götzen nieder.

Was der Kritiker also für jetzt beabsichtigt, das ist die
Betrachtung der "Masse", die er vor "den Menschen" hinstellen
wird, um sie von diesem aus zu bekämpfen. "Was ist jetzt
der Gegenstand der Kritik?" -- "Die Masse, ein geistiges
Wesen!" Sie wird der Kritiker "kennen lernen" und finden,
daß sie mit dem Menschen in Widerspruch stehe, er wird dar¬
thun, daß sie unmenschlich sei, und dieser Beweis wird ihm
eben so wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche
und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das
Unmenschliche sei.

Die Masse wird definirt als "das bedeutendste Erzeugniß
der Revolution, als die getäuschte Menge, welche die Illusionen
der politischen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung
des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenlosen Verstimmung
übergeben haben". Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬
sultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte
Theil ist das Bürgerthum (Bourgeoisie, Philister u. s. w.),
der unbefriedigte ist die -- Masse. Gehört der Kritiker, so
gestellt, nicht selbst zur "Masse"?

Aber die Unbefriedigten befinden sich noch in großer Un¬
klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert sich erst in einer
"grenzenlosen Verstimmung". Deren will nun der gleichfalls
unbefriedigte Kritiker Meister werden: er kann nicht mehr wollen
und erreichen, als jenes "geistige Wesen", die Masse, aus ihrer
Verstimmung herausbringen, und die nur Verstimmten "heben",
d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden
Revolutionsresultaten geben, -- er kann das Haupt der Masse
werden, ihr entschiedener Wortführer. Darum will er auch

höchſten Geiſte die kleineren „geiſtigen Weſen“ halten können!
„Der Menſch“ wirft die falſchen Götzen nieder.

Was der Kritiker alſo für jetzt beabſichtigt, das iſt die
Betrachtung der „Maſſe“, die er vor „den Menſchen“ hinſtellen
wird, um ſie von dieſem aus zu bekämpfen. „Was iſt jetzt
der Gegenſtand der Kritik?“ — „Die Maſſe, ein geiſtiges
Weſen!“ Sie wird der Kritiker „kennen lernen“ und finden,
daß ſie mit dem Menſchen in Widerſpruch ſtehe, er wird dar¬
thun, daß ſie unmenſchlich ſei, und dieſer Beweis wird ihm
eben ſo wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche
und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das
Unmenſchliche ſei.

Die Maſſe wird definirt als „das bedeutendſte Erzeugniß
der Revolution, als die getäuſchte Menge, welche die Illuſionen
der politiſchen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung
des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenloſen Verſtimmung
übergeben haben“. Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬
ſultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte
Theil iſt das Bürgerthum (Bourgeoiſie, Philiſter u. ſ. w.),
der unbefriedigte iſt die — Maſſe. Gehört der Kritiker, ſo
geſtellt, nicht ſelbſt zur „Maſſe“?

Aber die Unbefriedigten befinden ſich noch in großer Un¬
klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert ſich erſt in einer
„grenzenloſen Verſtimmung“. Deren will nun der gleichfalls
unbefriedigte Kritiker Meiſter werden: er kann nicht mehr wollen
und erreichen, als jenes „geiſtige Weſen“, die Maſſe, aus ihrer
Verſtimmung herausbringen, und die nur Verſtimmten „heben“,
d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden
Revolutionsreſultaten geben, — er kann das Haupt der Maſſe
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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/200>, abgerufen am 16.04.2024.