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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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was Wir für den Staat sind, nämlich Bürger, also nicht
auf unser Bürgerthum, sondern auf das, was Wir für
einander
sind, nämlich darauf, daß Jeder von Uns nur
durch den Andern existirt, der, indem er für meine Bedürfnisse
sorgt, zugleich von Mir die seinigen befriedigt sieht. Er ar¬
beitet z. B. für meine Kleidung (Schneider), Ich für sein
Vergnügungsbedürfniß (Comödienschreiber, Seiltänzer u. s. w.),
er für meine Nahrung (Landwirth u. s. w.), Ich für seine Be¬
lehrung (Gelehrter u. s. w.). Also das Arbeiterthum ist
unsere Würde und unsere -- Gleichheit.

Welchen Vortheil bringt Uns das Bürgerthum? Lasten!
Und wie hoch schlägt man unsere Arbeit an? So niedrig als
möglich! Arbeit ist aber gleichwohl unser einziger Werth; daß
Wir Arbeiter sind, das ist das Beste an Uns, das ist un¬
sere Bedeutung in der Welt, und darum muß es auch unsere
Geltung weiden und muß zur Geltung kommen. Was
könnt Ihr Uns entgegenstellen? Doch auch nur -- Arbeit.
Nur für Arbeit oder Leistungen sind Wir Euch eine Recom¬
pense schuldig, nicht für eure bloße Existenz; auch nicht für
das, was Ihr für Euch seid, sondern nur für das, was Ihr
für Uns seid. Wodurch habt Ihr Ansprüche an Uns? Etwa
durch eure hohe Geburt u. s. w. ? Nein, nur durch das, was
Ihr Uns Erwünschtes oder Nützliches leistet. So sei es denn
auch so: Wir wollen Euch nur so viel werth sein, als Wir
Euch leisten; Ihr aber sollt desgleichen von Uns gehalten
weiden. Die Leistungen bestimmen den Werth, d.h. die¬
jenigen Leistungen, die Uns etwas werth sind, also die Ar¬
beiten für einander, die gemeinnützigen Arbeiten.
Jeder sei in den Augen des Andern ein Arbeiter. Wer
Nützliches verrichtet, der steht Keinem nach, oder -- alle Ar¬

was Wir für den Staat ſind, nämlich Bürger, alſo nicht
auf unſer Bürgerthum, ſondern auf das, was Wir für
einander
ſind, nämlich darauf, daß Jeder von Uns nur
durch den Andern exiſtirt, der, indem er für meine Bedürfniſſe
ſorgt, zugleich von Mir die ſeinigen befriedigt ſieht. Er ar¬
beitet z. B. für meine Kleidung (Schneider), Ich für ſein
Vergnügungsbedürfniß (Comödienſchreiber, Seiltänzer u. ſ. w.),
er für meine Nahrung (Landwirth u. ſ. w.), Ich für ſeine Be¬
lehrung (Gelehrter u. ſ. w.). Alſo das Arbeiterthum iſt
unſere Würde und unſere — Gleichheit.

Welchen Vortheil bringt Uns das Bürgerthum? Laſten!
Und wie hoch ſchlägt man unſere Arbeit an? So niedrig als
möglich! Arbeit iſt aber gleichwohl unſer einziger Werth; daß
Wir Arbeiter ſind, das iſt das Beſte an Uns, das iſt un¬
ſere Bedeutung in der Welt, und darum muß es auch unſere
Geltung weiden und muß zur Geltung kommen. Was
könnt Ihr Uns entgegenſtellen? Doch auch nur — Arbeit.
Nur für Arbeit oder Leiſtungen ſind Wir Euch eine Recom¬
penſe ſchuldig, nicht für eure bloße Exiſtenz; auch nicht für
das, was Ihr für Euch ſeid, ſondern nur für das, was Ihr
für Uns ſeid. Wodurch habt Ihr Anſprüche an Uns? Etwa
durch eure hohe Geburt u. ſ. w. ? Nein, nur durch das, was
Ihr Uns Erwünſchtes oder Nützliches leiſtet. So ſei es denn
auch ſo: Wir wollen Euch nur ſo viel werth ſein, als Wir
Euch leiſten; Ihr aber ſollt desgleichen von Uns gehalten
weiden. Die Leiſtungen beſtimmen den Werth, d.h. die¬
jenigen Leiſtungen, die Uns etwas werth ſind, alſo die Ar¬
beiten für einander, die gemeinnützigen Arbeiten.
Jeder ſei in den Augen des Andern ein Arbeiter. Wer
Nützliches verrichtet, der ſteht Keinem nach, oder — alle Ar¬

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[157/0165] was Wir für den Staat ſind, nämlich Bürger, alſo nicht auf unſer Bürgerthum, ſondern auf das, was Wir für einander ſind, nämlich darauf, daß Jeder von Uns nur durch den Andern exiſtirt, der, indem er für meine Bedürfniſſe ſorgt, zugleich von Mir die ſeinigen befriedigt ſieht. Er ar¬ beitet z. B. für meine Kleidung (Schneider), Ich für ſein Vergnügungsbedürfniß (Comödienſchreiber, Seiltänzer u. ſ. w.), er für meine Nahrung (Landwirth u. ſ. w.), Ich für ſeine Be¬ lehrung (Gelehrter u. ſ. w.). Alſo das Arbeiterthum iſt unſere Würde und unſere — Gleichheit. Welchen Vortheil bringt Uns das Bürgerthum? Laſten! Und wie hoch ſchlägt man unſere Arbeit an? So niedrig als möglich! Arbeit iſt aber gleichwohl unſer einziger Werth; daß Wir Arbeiter ſind, das iſt das Beſte an Uns, das iſt un¬ ſere Bedeutung in der Welt, und darum muß es auch unſere Geltung weiden und muß zur Geltung kommen. Was könnt Ihr Uns entgegenſtellen? Doch auch nur — Arbeit. Nur für Arbeit oder Leiſtungen ſind Wir Euch eine Recom¬ penſe ſchuldig, nicht für eure bloße Exiſtenz; auch nicht für das, was Ihr für Euch ſeid, ſondern nur für das, was Ihr für Uns ſeid. Wodurch habt Ihr Anſprüche an Uns? Etwa durch eure hohe Geburt u. ſ. w. ? Nein, nur durch das, was Ihr Uns Erwünſchtes oder Nützliches leiſtet. So ſei es denn auch ſo: Wir wollen Euch nur ſo viel werth ſein, als Wir Euch leiſten; Ihr aber ſollt desgleichen von Uns gehalten weiden. Die Leiſtungen beſtimmen den Werth, d.h. die¬ jenigen Leiſtungen, die Uns etwas werth ſind, alſo die Ar¬ beiten für einander, die gemeinnützigen Arbeiten. Jeder ſei in den Augen des Andern ein Arbeiter. Wer Nützliches verrichtet, der ſteht Keinem nach, oder — alle Ar¬

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/165>, abgerufen am 28.03.2024.