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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Sollten sie nun wirklich ohne Stand und "aus Rand und
Band" sein, durch keinen Stand (status) mehr gebunden
ohne allgemeines Band? Nein, es hatte ja nur deshalb der
dritte Stand sich zur Nation erklärt, um nicht ein Stand
neben andern Ständen zu bleiben, sondern der einzige
Stand
zu werden. Dieser einzige Stand ist die Nation, der
"Staat" (status). Was war nun aus dem Einzelnen ge¬
worden? Ein politischer Protestant, denn er war mit seinem
Gotte, dem Staate, in unmittelbaren Connex getreten. Er war
nicht mehr als Adliger in der Noblessenmonarchie, als Hand¬
werker in der Zunftmonarchie, sondern Er wie Alle erkannten
und bekannten nur -- Einen Herrn, den Staat, als dessen
Diener sie sämmtlich den gleichen Ehrentitel "Bürger" erhielten.

Die Bourgeoisie ist der Adel des Verdienstes, "dem
Verdienste seine Kronen" -- ihr Wahlspruch. Sie kämpfte
gegen den "faulen" Adel, denn nach ihr, dem fleißigen, durch
Fleiß und Verdienst erworbenen Adel, ist nicht der "Geborene"
frei, aber auch nicht Ich bin frei, sondern der "Verdienstvolle",
der redliche Diener (seines Königs; des Staates; des Vol¬
kes in den constitutionellen Staaten). Durch Dienen er¬
wirbt man Freiheit, d. h. erwirbt sich "Verdienste" und diente
man auch dem -- Mammon. Verdient machen muß man
sich um den Staat, d. h. um das Princip des Staates, um
den sittlichen Geist desselben. Wer diesem Geiste des Staates
dient, der ist, er lebe, welchem rechtlichen Erwerbszweige er
wolle, ein guter Bürger. In ihren Augen treiben die "Neuerer"
eine "brodlose Kunst". Nur der "Krämer" ist "praktisch",
und Krämergeist ist so gut der, der nach Beamtenstellen jagt,
als der, welcher im Handel sein Schäfchen zu scheeren oder
sonstwie sich und Andern nützlich zu werden sucht.

Sollten ſie nun wirklich ohne Stand und „aus Rand und
Band“ ſein, durch keinen Stand (status) mehr gebunden
ohne allgemeines Band? Nein, es hatte ja nur deshalb der
dritte Stand ſich zur Nation erklärt, um nicht ein Stand
neben andern Ständen zu bleiben, ſondern der einzige
Stand
zu werden. Dieſer einzige Stand iſt die Nation, der
„Staat“ (status). Was war nun aus dem Einzelnen ge¬
worden? Ein politiſcher Proteſtant, denn er war mit ſeinem
Gotte, dem Staate, in unmittelbaren Connex getreten. Er war
nicht mehr als Adliger in der Nobleſſenmonarchie, als Hand¬
werker in der Zunftmonarchie, ſondern Er wie Alle erkannten
und bekannten nur — Einen Herrn, den Staat, als deſſen
Diener ſie ſämmtlich den gleichen Ehrentitel „Bürger“ erhielten.

Die Bourgeoiſie iſt der Adel des Verdienſtes, „dem
Verdienſte ſeine Kronen“ — ihr Wahlſpruch. Sie kämpfte
gegen den „faulen“ Adel, denn nach ihr, dem fleißigen, durch
Fleiß und Verdienſt erworbenen Adel, iſt nicht der „Geborene“
frei, aber auch nicht Ich bin frei, ſondern der „Verdienſtvolle“,
der redliche Diener (ſeines Königs; des Staates; des Vol¬
kes in den conſtitutionellen Staaten). Durch Dienen er¬
wirbt man Freiheit, d. h. erwirbt ſich „Verdienſte“ und diente
man auch dem — Mammon. Verdient machen muß man
ſich um den Staat, d. h. um das Princip des Staates, um
den ſittlichen Geiſt deſſelben. Wer dieſem Geiſte des Staates
dient, der iſt, er lebe, welchem rechtlichen Erwerbszweige er
wolle, ein guter Bürger. In ihren Augen treiben die „Neuerer“
eine „brodloſe Kunſt“. Nur der „Krämer“ iſt „praktiſch“,
und Krämergeiſt iſt ſo gut der, der nach Beamtenſtellen jagt,
als der, welcher im Handel ſein Schäfchen zu ſcheeren oder
ſonſtwie ſich und Andern nützlich zu werden ſucht.

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[137/0145] Sollten ſie nun wirklich ohne Stand und „aus Rand und Band“ ſein, durch keinen Stand (status) mehr gebunden ohne allgemeines Band? Nein, es hatte ja nur deshalb der dritte Stand ſich zur Nation erklärt, um nicht ein Stand neben andern Ständen zu bleiben, ſondern der einzige Stand zu werden. Dieſer einzige Stand iſt die Nation, der „Staat“ (status). Was war nun aus dem Einzelnen ge¬ worden? Ein politiſcher Proteſtant, denn er war mit ſeinem Gotte, dem Staate, in unmittelbaren Connex getreten. Er war nicht mehr als Adliger in der Nobleſſenmonarchie, als Hand¬ werker in der Zunftmonarchie, ſondern Er wie Alle erkannten und bekannten nur — Einen Herrn, den Staat, als deſſen Diener ſie ſämmtlich den gleichen Ehrentitel „Bürger“ erhielten. Die Bourgeoiſie iſt der Adel des Verdienſtes, „dem Verdienſte ſeine Kronen“ — ihr Wahlſpruch. Sie kämpfte gegen den „faulen“ Adel, denn nach ihr, dem fleißigen, durch Fleiß und Verdienſt erworbenen Adel, iſt nicht der „Geborene“ frei, aber auch nicht Ich bin frei, ſondern der „Verdienſtvolle“, der redliche Diener (ſeines Königs; des Staates; des Vol¬ kes in den conſtitutionellen Staaten). Durch Dienen er¬ wirbt man Freiheit, d. h. erwirbt ſich „Verdienſte“ und diente man auch dem — Mammon. Verdient machen muß man ſich um den Staat, d. h. um das Princip des Staates, um den ſittlichen Geiſt deſſelben. Wer dieſem Geiſte des Staates dient, der iſt, er lebe, welchem rechtlichen Erwerbszweige er wolle, ein guter Bürger. In ihren Augen treiben die „Neuerer“ eine „brodloſe Kunſt“. Nur der „Krämer“ iſt „praktiſch“, und Krämergeiſt iſt ſo gut der, der nach Beamtenſtellen jagt, als der, welcher im Handel ſein Schäfchen zu ſcheeren oder ſonſtwie ſich und Andern nützlich zu werden ſucht.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/145>, abgerufen am 24.04.2024.