Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Was heißt das, Wir genießen Alle "Gleichheit der poli¬
tischen Rechte"? Nur dieß, daß der Staat keine Rücksicht auf
Meine Person nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur
ein Mensch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung
zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines
Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, dessen Amt
Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafschaften
u. s. w. und später unter dem absoluten Königthum, wo erb¬
liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige
Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬
taillon, Compagnie u. s. w. zu führen, das Recht, an einer
Universität zu lesen u. s. w., er hat sie zu vergeben, weil sie
die seinigen, d. h. Staatsrechte oder "politische" Rechte sind.
Dabei ist's ihm gleich, an wen er sie ertheilt, wenn der Em¬
pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlassenen
Rechten entspringen. Wir sind ihm Alle recht und -- gleich,
Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere.
Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, spricht
der souveraine Staat, vorausgesetzt, daß der Belehnte die
Sache gehörig versteht. "Gleichheit der politischen Rechte"
hat sonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der
Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran
geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in
der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe
für die Person (persona grata) gesucht werden sollen: die
Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit
sich, daß man gesunde Glieder und ein angemessenes Maaß
von Kenntnissen besitze, aber sie hat nicht adlige Geburt zur
Bedingung; könnte hingegen selbst der verdienteste Bürgerliche
jene Charge nicht erreichen, so fände eine Ungleichheit der

Was heißt das, Wir genießen Alle „Gleichheit der poli¬
tiſchen Rechte“? Nur dieß, daß der Staat keine Rückſicht auf
Meine Perſon nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur
ein Menſch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung
zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines
Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, deſſen Amt
Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafſchaften
u. ſ. w. und ſpäter unter dem abſoluten Königthum, wo erb¬
liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige
Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬
taillon, Compagnie u. ſ. w. zu führen, das Recht, an einer
Univerſität zu leſen u. ſ. w., er hat ſie zu vergeben, weil ſie
die ſeinigen, d. h. Staatsrechte oder „politiſche“ Rechte ſind.
Dabei iſt's ihm gleich, an wen er ſie ertheilt, wenn der Em¬
pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlaſſenen
Rechten entſpringen. Wir ſind ihm Alle recht und — gleich,
Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere.
Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, ſpricht
der ſouveraine Staat, vorausgeſetzt, daß der Belehnte die
Sache gehörig verſteht. „Gleichheit der politiſchen Rechte“
hat ſonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der
Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran
geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in
der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe
für die Perſon (persona grata) geſucht werden ſollen: die
Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit
ſich, daß man geſunde Glieder und ein angemeſſenes Maaß
von Kenntniſſen beſitze, aber ſie hat nicht adlige Geburt zur
Bedingung; könnte hingegen ſelbſt der verdienteſte Bürgerliche
jene Charge nicht erreichen, ſo fände eine Ungleichheit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0143" n="135"/>
              <p>Was heißt das, Wir genießen Alle &#x201E;Gleichheit der poli¬<lb/>
ti&#x017F;chen Rechte&#x201C;? Nur dieß, daß der Staat keine Rück&#x017F;icht auf<lb/>
Meine Per&#x017F;on nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur<lb/>
ein Men&#x017F;ch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung<lb/>
zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines<lb/>
Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, de&#x017F;&#x017F;en Amt<lb/>
Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Graf&#x017F;chaften<lb/>
u. &#x017F;. w. und &#x017F;päter unter dem ab&#x017F;oluten Königthum, wo erb¬<lb/>
liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige<lb/>
Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬<lb/>
taillon, Compagnie u. &#x017F;. w. zu führen, das Recht, an einer<lb/>
Univer&#x017F;ität zu le&#x017F;en u. &#x017F;. w., er hat &#x017F;ie zu vergeben, weil &#x017F;ie<lb/>
die &#x017F;einigen, d. h. Staatsrechte oder &#x201E;politi&#x017F;che&#x201C; Rechte &#x017F;ind.<lb/>
Dabei i&#x017F;t's ihm gleich, an wen er &#x017F;ie ertheilt, wenn der Em¬<lb/>
pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überla&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Rechten ent&#x017F;pringen. Wir &#x017F;ind ihm Alle recht und &#x2014; <hi rendition="#g">gleich</hi>,<lb/>
Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere.<lb/>
Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, &#x017F;pricht<lb/>
der &#x017F;ouveraine Staat, vorausge&#x017F;etzt, daß der Belehnte die<lb/>
Sache gehörig ver&#x017F;teht. &#x201E;Gleichheit der politi&#x017F;chen Rechte&#x201C;<lb/>
hat &#x017F;onach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der<lb/>
Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran<lb/>
geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in<lb/>
der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe<lb/>
für die Per&#x017F;on (<hi rendition="#aq">persona grata</hi>) ge&#x017F;ucht werden &#x017F;ollen: die<lb/>
Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit<lb/>
&#x017F;ich, daß man ge&#x017F;unde Glieder und ein angeme&#x017F;&#x017F;enes Maaß<lb/>
von Kenntni&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;itze, aber &#x017F;ie hat nicht adlige Geburt zur<lb/>
Bedingung; könnte hingegen &#x017F;elb&#x017F;t der verdiente&#x017F;te Bürgerliche<lb/>
jene Charge nicht erreichen, &#x017F;o fände eine Ungleichheit der<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0143] Was heißt das, Wir genießen Alle „Gleichheit der poli¬ tiſchen Rechte“? Nur dieß, daß der Staat keine Rückſicht auf Meine Perſon nehme, daß Ich ihm, wie jeder Andere, nur ein Menſch bin, ohne eine andere ihm imponirende Bedeutung zu haben. Ich imponire ihm nicht als Adliger, Sohn eines Edelmannes, oder gar als Erbe eines Beamten, deſſen Amt Mir erblich zugehört (wie im Mittelalter die Grafſchaften u. ſ. w. und ſpäter unter dem abſoluten Königthum, wo erb¬ liche Aemter vorkommen). Nun hat der Staat eine unzählige Menge von Rechten zu vergeben, z. B. das Recht, ein Ba¬ taillon, Compagnie u. ſ. w. zu führen, das Recht, an einer Univerſität zu leſen u. ſ. w., er hat ſie zu vergeben, weil ſie die ſeinigen, d. h. Staatsrechte oder „politiſche“ Rechte ſind. Dabei iſt's ihm gleich, an wen er ſie ertheilt, wenn der Em¬ pfänger nur die Pflichten erfüllt, welche aus den überlaſſenen Rechten entſpringen. Wir ſind ihm Alle recht und — gleich, Einer nicht mehr und nicht weniger werth, als der Andere. Wer den Armeebefehl empfängt, das gilt Mir gleich, ſpricht der ſouveraine Staat, vorausgeſetzt, daß der Belehnte die Sache gehörig verſteht. „Gleichheit der politiſchen Rechte“ hat ſonach den Sinn, daß Jeder jedes Recht, welches der Staat zu vergeben hat, erwerben darf, wenn er nur die daran geknüpften Bedingungen erfüllt, Bedingungen, welche nur in der Natur des jedesmaligen Rechtes, nicht in einer Vorliebe für die Perſon (persona grata) geſucht werden ſollen: die Natur des Rechtes, Officier zu werden, bringt es z. B. mit ſich, daß man geſunde Glieder und ein angemeſſenes Maaß von Kenntniſſen beſitze, aber ſie hat nicht adlige Geburt zur Bedingung; könnte hingegen ſelbſt der verdienteſte Bürgerliche jene Charge nicht erreichen, ſo fände eine Ungleichheit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/143
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/143>, abgerufen am 28.03.2024.