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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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dem Haselnußgehege, das auf dem Halse ist, und
schlugen mit Steinen Nüsse auf, oder spielten, wenn
keine Nüsse waren, mit Blättern oder mit Hölzlein
oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im ersten
Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab
fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schwesterchen
Geschichten, oder wenn sie zu der rothen Unglüksäule
kamen, führte er sie ein Stük auf dem Seitenwege links
gegen die Höhen hinan, und sagte ihr, daß man da
auf den Schneeberg gelange, daß dort Felsen und
Steine seien, daß die Gemsen herum springen, und
große Vögel fliegen. Er führte sie oft über den Wald
hinaus, sie betrachteten dann den dürren Rasen und
die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte
sie wieder zurük, und brachte sie immer vor der Abend¬
dämmerung nach Hause, was ihm stets Lob eintrug.

Einmal war am heiligen Abende, da die erste
Morgendämmerung in dem Thale von Gschaid in
Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier
über den ganzen Himmel gebreitet, so daß man die
ohnedem schiefe und ferne Sonne im Südosten nur
als einen undeutlichen rothen Flek sah, überdieß war
an diesem Tage eine milde beinahe laulichte Luft
unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬
mel, wie die unveränderte und ruhige Gestalt der

dem Haſelnußgehege, das auf dem Halſe iſt, und
ſchlugen mit Steinen Nüſſe auf, oder ſpielten, wenn
keine Nüſſe waren, mit Blättern oder mit Hölzlein
oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im erſten
Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab
fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schweſterchen
Geſchichten, oder wenn ſie zu der rothen Unglükſäule
kamen, führte er ſie ein Stük auf dem Seitenwege links
gegen die Höhen hinan, und ſagte ihr, daß man da
auf den Schneeberg gelange, daß dort Felſen und
Steine ſeien, daß die Gemſen herum ſpringen, und
große Vögel fliegen. Er führte ſie oft über den Wald
hinaus, ſie betrachteten dann den dürren Raſen und
die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte
ſie wieder zurük, und brachte ſie immer vor der Abend¬
dämmerung nach Hauſe, was ihm ſtets Lob eintrug.

Einmal war am heiligen Abende, da die erſte
Morgendämmerung in dem Thale von Gſchaid in
Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier
über den ganzen Himmel gebreitet, ſo daß man die
ohnedem ſchiefe und ferne Sonne im Südoſten nur
als einen undeutlichen rothen Flek ſah, überdieß war
an dieſem Tage eine milde beinahe laulichte Luft
unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬
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[34/0045] dem Haſelnußgehege, das auf dem Halſe iſt, und ſchlugen mit Steinen Nüſſe auf, oder ſpielten, wenn keine Nüſſe waren, mit Blättern oder mit Hölzlein oder mit den weichen braunen Zöpfchen, die im erſten Frühjahre von den Zweigen der Nadelbäume herab fielen. Manchmal erzählte Konrad dem Schweſterchen Geſchichten, oder wenn ſie zu der rothen Unglükſäule kamen, führte er ſie ein Stük auf dem Seitenwege links gegen die Höhen hinan, und ſagte ihr, daß man da auf den Schneeberg gelange, daß dort Felſen und Steine ſeien, daß die Gemſen herum ſpringen, und große Vögel fliegen. Er führte ſie oft über den Wald hinaus, ſie betrachteten dann den dürren Raſen und die kleinen Sträucher der Haidekräuter; aber er führte ſie wieder zurük, und brachte ſie immer vor der Abend¬ dämmerung nach Hauſe, was ihm ſtets Lob eintrug. Einmal war am heiligen Abende, da die erſte Morgendämmerung in dem Thale von Gſchaid in Helle übergegangen war, ein dünner trokener Schleier über den ganzen Himmel gebreitet, ſo daß man die ohnedem ſchiefe und ferne Sonne im Südoſten nur als einen undeutlichen rothen Flek ſah, überdieß war an dieſem Tage eine milde beinahe laulichte Luft unbeweglich im ganzen Thale und auch an dem Him¬ mel, wie die unveränderte und ruhige Geſtalt der

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/45>, abgerufen am 29.03.2024.