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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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So geschah es, daß die zwei Kinder den Weg
über den Hals öfter zurüklegten als die übrigen
Dörfler zusammen genommen, und da schon ihre
Mutter in Gschaid immer gewissermassen wie eine
Fremde behandelt wurde, so wurden durch diesen Um¬
stand auch die Kinder fremd, sie waren kaum Gschai¬
der, und gehörten halb nach Millsdorf hinüber.

Der Knabe Konrad hatte schon das ernste Wesen
seines Vaters, und das Mädchen Susanna nach ihrer
Mutter so genannt oder, wie man es zur Abkürzung
nannte, Sanna hatte viel Glauben zu seinen Kennt¬
nissen seiner Einsicht und seiner Macht, und gab sich
unbedingt unter seine Leitung, gerade so wie die Mut¬
ter sich unbedingt unter die Leitung der Vaters gab,
dem sie alle Einsicht und Geschiklichkeit zutraute.

An schönen Tagen konnte man Morgens die Kin¬
der durch das Thal gegen Mittag wandern sehen,
über die Wiese gehen, und dort anlangen, wo der
Wald des Halses gegen sie her schaut. Sie näherten
sich dem Walde, gingen auf seinem Wege allgemach
über die Erhöhung hinan, und kamen, ehe der Mittag
eingetreten war, auf den offenen Wiesen auf der an¬
deren Seite gegen Millsdorf hinunter. Konrad zeigte
Sanna die Wiesen, die dem Großvater gehörten,
dann gingen sie durch seine Felder, auf denen er ihr

So geſchah es, daß die zwei Kinder den Weg
über den Hals öfter zurüklegten als die übrigen
Dörfler zuſammen genommen, und da ſchon ihre
Mutter in Gſchaid immer gewiſſermaſſen wie eine
Fremde behandelt wurde, ſo wurden durch dieſen Um¬
ſtand auch die Kinder fremd, ſie waren kaum Gſchai¬
der, und gehörten halb nach Millsdorf hinüber.

Der Knabe Konrad hatte ſchon das ernſte Weſen
ſeines Vaters, und das Mädchen Suſanna nach ihrer
Mutter ſo genannt oder, wie man es zur Abkürzung
nannte, Sanna hatte viel Glauben zu ſeinen Kennt¬
niſſen ſeiner Einſicht und ſeiner Macht, und gab ſich
unbedingt unter ſeine Leitung, gerade ſo wie die Mut¬
ter ſich unbedingt unter die Leitung der Vaters gab,
dem ſie alle Einſicht und Geſchiklichkeit zutraute.

An ſchönen Tagen konnte man Morgens die Kin¬
der durch das Thal gegen Mittag wandern ſehen,
über die Wieſe gehen, und dort anlangen, wo der
Wald des Halſes gegen ſie her ſchaut. Sie näherten
ſich dem Walde, gingen auf ſeinem Wege allgemach
über die Erhöhung hinan, und kamen, ehe der Mittag
eingetreten war, auf den offenen Wieſen auf der an¬
deren Seite gegen Millsdorf hinunter. Konrad zeigte
Sanna die Wieſen, die dem Großvater gehörten,
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[31/0042] So geſchah es, daß die zwei Kinder den Weg über den Hals öfter zurüklegten als die übrigen Dörfler zuſammen genommen, und da ſchon ihre Mutter in Gſchaid immer gewiſſermaſſen wie eine Fremde behandelt wurde, ſo wurden durch dieſen Um¬ ſtand auch die Kinder fremd, ſie waren kaum Gſchai¬ der, und gehörten halb nach Millsdorf hinüber. Der Knabe Konrad hatte ſchon das ernſte Weſen ſeines Vaters, und das Mädchen Suſanna nach ihrer Mutter ſo genannt oder, wie man es zur Abkürzung nannte, Sanna hatte viel Glauben zu ſeinen Kennt¬ niſſen ſeiner Einſicht und ſeiner Macht, und gab ſich unbedingt unter ſeine Leitung, gerade ſo wie die Mut¬ ter ſich unbedingt unter die Leitung der Vaters gab, dem ſie alle Einſicht und Geſchiklichkeit zutraute. An ſchönen Tagen konnte man Morgens die Kin¬ der durch das Thal gegen Mittag wandern ſehen, über die Wieſe gehen, und dort anlangen, wo der Wald des Halſes gegen ſie her ſchaut. Sie näherten ſich dem Walde, gingen auf ſeinem Wege allgemach über die Erhöhung hinan, und kamen, ehe der Mittag eingetreten war, auf den offenen Wieſen auf der an¬ deren Seite gegen Millsdorf hinunter. Konrad zeigte Sanna die Wieſen, die dem Großvater gehörten, dann gingen ſie durch ſeine Felder, auf denen er ihr

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/42>, abgerufen am 29.03.2024.