Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Bemerkung über die Güte des Erzeugnisses beischrieb.
Die gleichartigen Fußbekleidungen hatten ihre fort¬
laufenden Zahlen, und das Buch lag in der großen
Lade seines Gewölbes.

Wenn die schöne Färberstochter von Millsdorf
auch nicht aus der Eltern Hause kam, wenn sie auch
weder Freunde noch Verwandte besuchte, so konnte es
der Schuster von Gschaid doch so machen, daß sie ihn
von ferne sah, wenn sie in die Kirche ging, wenn sie
in dem Garten war, und wenn sie aus den Fenstern
ihres Zimmers auf die Matten blikte. Wegen dieses
unausgesezten Sehens hatte es die Färberin durch
langes inständiges und ausdauerndes Flehen für
ihre Tochter dahin gebracht, daß der halsstarrige
Färber nachgab, und daß der Schuster, weil er denn
nun doch besser geworden, die schöne reiche Millsdorfe¬
rin als Eheweib nach Gschaid führte. Aber der Färber
war deßungeachtet auch ein Mann, der seinen Kopf
hatte. Ein rechter Mensch, sagte er, müsse sein Gewerbe
treiben, daß es blühe und vorwärts komme, er müsse
daher sein Weib seine Kinder sich und sein Gesinde
ernähren, Hof und Haus im Stande des Glanzes
halten, und sich noch ein Erklekliches erübrigen,
welches Leztere doch allein im Stande sei, ihm Anse¬
hen und Ehre in der Welt zu geben; darum erhalte

Bemerkung über die Güte des Erzeugniſſes beiſchrieb.
Die gleichartigen Fußbekleidungen hatten ihre fort¬
laufenden Zahlen, und das Buch lag in der großen
Lade ſeines Gewölbes.

Wenn die ſchöne Färberstochter von Millsdorf
auch nicht aus der Eltern Hauſe kam, wenn ſie auch
weder Freunde noch Verwandte beſuchte, ſo konnte es
der Schuſter von Gſchaid doch ſo machen, daß ſie ihn
von ferne ſah, wenn ſie in die Kirche ging, wenn ſie
in dem Garten war, und wenn ſie aus den Fenſtern
ihres Zimmers auf die Matten blikte. Wegen dieſes
unausgeſezten Sehens hatte es die Färberin durch
langes inſtändiges und ausdauerndes Flehen für
ihre Tochter dahin gebracht, daß der halsſtarrige
Färber nachgab, und daß der Schuſter, weil er denn
nun doch beſſer geworden, die ſchöne reiche Millsdorfe¬
rin als Eheweib nach Gſchaid führte. Aber der Färber
war deßungeachtet auch ein Mann, der ſeinen Kopf
hatte. Ein rechter Menſch, ſagte er, müſſe ſein Gewerbe
treiben, daß es blühe und vorwärts komme, er müſſe
daher ſein Weib ſeine Kinder ſich und ſein Geſinde
ernähren, Hof und Haus im Stande des Glanzes
halten, und ſich noch ein Erklekliches erübrigen,
welches Leztere doch allein im Stande ſei, ihm Anſe¬
hen und Ehre in der Welt zu geben; darum erhalte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="26"/>
Bemerkung über die Güte des Erzeugni&#x017F;&#x017F;es bei&#x017F;chrieb.<lb/>
Die gleichartigen Fußbekleidungen hatten ihre fort¬<lb/>
laufenden Zahlen, und das Buch lag in der großen<lb/>
Lade &#x017F;eines Gewölbes.</p><lb/>
        <p>Wenn die &#x017F;chöne Färberstochter von Millsdorf<lb/>
auch nicht aus der Eltern Hau&#x017F;e kam, wenn &#x017F;ie auch<lb/>
weder Freunde noch Verwandte be&#x017F;uchte, &#x017F;o konnte es<lb/>
der Schu&#x017F;ter von G&#x017F;chaid doch &#x017F;o machen, daß &#x017F;ie ihn<lb/>
von ferne &#x017F;ah, wenn &#x017F;ie in die Kirche ging, wenn &#x017F;ie<lb/>
in dem Garten war, und wenn &#x017F;ie aus den Fen&#x017F;tern<lb/>
ihres Zimmers auf die Matten blikte. Wegen die&#x017F;es<lb/>
unausge&#x017F;ezten Sehens hatte es die Färberin durch<lb/>
langes in&#x017F;tändiges und ausdauerndes Flehen für<lb/>
ihre Tochter dahin gebracht, daß der hals&#x017F;tarrige<lb/>
Färber nachgab, und daß der Schu&#x017F;ter, weil er denn<lb/>
nun doch be&#x017F;&#x017F;er geworden, die &#x017F;chöne reiche Millsdorfe¬<lb/>
rin als Eheweib nach G&#x017F;chaid führte. Aber der Färber<lb/>
war deßungeachtet auch ein Mann, der &#x017F;einen Kopf<lb/>
hatte. Ein rechter Men&#x017F;ch, &#x017F;agte er, mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ein Gewerbe<lb/>
treiben, daß es blühe und vorwärts komme, er mü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
daher &#x017F;ein Weib &#x017F;eine Kinder &#x017F;ich und &#x017F;ein Ge&#x017F;inde<lb/>
ernähren, Hof und Haus im Stande des Glanzes<lb/>
halten, und &#x017F;ich noch ein Erklekliches erübrigen,<lb/>
welches Leztere doch allein im Stande &#x017F;ei, ihm An&#x017F;<lb/>
hen und Ehre in der Welt zu geben; darum erhalte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0037] Bemerkung über die Güte des Erzeugniſſes beiſchrieb. Die gleichartigen Fußbekleidungen hatten ihre fort¬ laufenden Zahlen, und das Buch lag in der großen Lade ſeines Gewölbes. Wenn die ſchöne Färberstochter von Millsdorf auch nicht aus der Eltern Hauſe kam, wenn ſie auch weder Freunde noch Verwandte beſuchte, ſo konnte es der Schuſter von Gſchaid doch ſo machen, daß ſie ihn von ferne ſah, wenn ſie in die Kirche ging, wenn ſie in dem Garten war, und wenn ſie aus den Fenſtern ihres Zimmers auf die Matten blikte. Wegen dieſes unausgeſezten Sehens hatte es die Färberin durch langes inſtändiges und ausdauerndes Flehen für ihre Tochter dahin gebracht, daß der halsſtarrige Färber nachgab, und daß der Schuſter, weil er denn nun doch beſſer geworden, die ſchöne reiche Millsdorfe¬ rin als Eheweib nach Gſchaid führte. Aber der Färber war deßungeachtet auch ein Mann, der ſeinen Kopf hatte. Ein rechter Menſch, ſagte er, müſſe ſein Gewerbe treiben, daß es blühe und vorwärts komme, er müſſe daher ſein Weib ſeine Kinder ſich und ſein Geſinde ernähren, Hof und Haus im Stande des Glanzes halten, und ſich noch ein Erklekliches erübrigen, welches Leztere doch allein im Stande ſei, ihm Anſe¬ hen und Ehre in der Welt zu geben; darum erhalte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/37
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/37>, abgerufen am 23.04.2024.