Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Er richtete das Haus sehr schön zusammen, und
in dem Waarengewölbe glänzten auf den Brettern die
Schuhe, Bundstiefel und Stiefel; und wenn am Sonn¬
tage die ganze Bevölkerung des Thales herein kam,
und man bei den vier Linden des Plazes stand, ging
man gerne zu dem Schusterhause hin, und sah durch
die Gläser in die Waarenstube, wo die Käufer und
Besteller waren.

Nach seiner Vorliebe zu den Bergen machte er
auch jezt die Gebirgsbundschuhe am besten. Er pflegte
in der Wirthsstube zu sagen: Es gäbe keinen, der ihm
einen fremden Gebirgsbundschuh zeigen könne, der
sich mit einem seinigen vergleichen lasse. "Sie wissen
es nicht," pflegte er beizufügen, "sie haben es in ihrem
Leben nicht erfahren, wie ein solcher Schuh sein muß,
daß der gestirnte Himmel der Nägel recht auf der
Sohle size, und das gebührende Eisen enthalte, daß
der Schuh außen hart sei, damit kein Geröllstein,
wie scharf er auch sei, empfunden werde, und daß er
sich von Innen doch weich und zärtlich wie ein Hand¬
schuh an die Füsse lege."

Der Schuster hatte sich ein sehr großes Buch
machen lassen, in welches er alle verfertigte Waare
eintrug, die Namen derer beifügte, die den Stoff ge¬
liefert, und die Waare gekauft hatten, und eine kurze

Er richtete das Haus ſehr ſchön zuſammen, und
in dem Waarengewölbe glänzten auf den Brettern die
Schuhe, Bundſtiefel und Stiefel; und wenn am Sonn¬
tage die ganze Bevölkerung des Thales herein kam,
und man bei den vier Linden des Plazes ſtand, ging
man gerne zu dem Schuſterhauſe hin, und ſah durch
die Gläſer in die Waarenſtube, wo die Käufer und
Beſteller waren.

Nach ſeiner Vorliebe zu den Bergen machte er
auch jezt die Gebirgsbundſchuhe am beſten. Er pflegte
in der Wirthsſtube zu ſagen: Es gäbe keinen, der ihm
einen fremden Gebirgsbundſchuh zeigen könne, der
ſich mit einem ſeinigen vergleichen laſſe. „Sie wiſſen
es nicht,“ pflegte er beizufügen, „ſie haben es in ihrem
Leben nicht erfahren, wie ein ſolcher Schuh ſein muß,
daß der geſtirnte Himmel der Nägel recht auf der
Sohle ſize, und das gebührende Eiſen enthalte, daß
der Schuh außen hart ſei, damit kein Geröllſtein,
wie ſcharf er auch ſei, empfunden werde, und daß er
ſich von Innen doch weich und zärtlich wie ein Hand¬
ſchuh an die Füſſe lege.“

Der Schuſter hatte ſich ein ſehr großes Buch
machen laſſen, in welches er alle verfertigte Waare
eintrug, die Namen derer beifügte, die den Stoff ge¬
liefert, und die Waare gekauft hatten, und eine kurze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0036" n="25"/>
        <p>Er richtete das Haus &#x017F;ehr &#x017F;chön zu&#x017F;ammen, und<lb/>
in dem Waarengewölbe glänzten auf den Brettern die<lb/>
Schuhe, Bund&#x017F;tiefel und Stiefel; und wenn am Sonn¬<lb/>
tage die ganze Bevölkerung des Thales herein kam,<lb/>
und man bei den vier Linden des Plazes &#x017F;tand, ging<lb/>
man gerne zu dem Schu&#x017F;terhau&#x017F;e hin, und &#x017F;ah durch<lb/>
die Glä&#x017F;er in die Waaren&#x017F;tube, wo die Käufer und<lb/>
Be&#x017F;teller waren.</p><lb/>
        <p>Nach &#x017F;einer Vorliebe zu den Bergen machte er<lb/>
auch jezt die Gebirgsbund&#x017F;chuhe am be&#x017F;ten. Er pflegte<lb/>
in der Wirths&#x017F;tube zu &#x017F;agen: Es gäbe keinen, der ihm<lb/>
einen fremden Gebirgsbund&#x017F;chuh zeigen könne, der<lb/>
&#x017F;ich mit einem &#x017F;einigen vergleichen la&#x017F;&#x017F;e. &#x201E;Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
es nicht,&#x201C; pflegte er beizufügen, &#x201E;&#x017F;ie haben es in ihrem<lb/>
Leben nicht erfahren, wie ein &#x017F;olcher Schuh &#x017F;ein muß,<lb/>
daß der ge&#x017F;tirnte Himmel der Nägel recht auf der<lb/>
Sohle &#x017F;ize, und das gebührende Ei&#x017F;en enthalte, daß<lb/>
der Schuh außen hart &#x017F;ei, damit kein Geröll&#x017F;tein,<lb/>
wie &#x017F;charf er auch &#x017F;ei, empfunden werde, und daß er<lb/>
&#x017F;ich von Innen doch weich und zärtlich wie ein Hand¬<lb/>
&#x017F;chuh an die Fü&#x017F;&#x017F;e lege.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Schu&#x017F;ter hatte &#x017F;ich ein &#x017F;ehr großes Buch<lb/>
machen la&#x017F;&#x017F;en, in welches er alle verfertigte Waare<lb/>
eintrug, die Namen derer beifügte, die den Stoff ge¬<lb/>
liefert, und die Waare gekauft hatten, und eine kurze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0036] Er richtete das Haus ſehr ſchön zuſammen, und in dem Waarengewölbe glänzten auf den Brettern die Schuhe, Bundſtiefel und Stiefel; und wenn am Sonn¬ tage die ganze Bevölkerung des Thales herein kam, und man bei den vier Linden des Plazes ſtand, ging man gerne zu dem Schuſterhauſe hin, und ſah durch die Gläſer in die Waarenſtube, wo die Käufer und Beſteller waren. Nach ſeiner Vorliebe zu den Bergen machte er auch jezt die Gebirgsbundſchuhe am beſten. Er pflegte in der Wirthsſtube zu ſagen: Es gäbe keinen, der ihm einen fremden Gebirgsbundſchuh zeigen könne, der ſich mit einem ſeinigen vergleichen laſſe. „Sie wiſſen es nicht,“ pflegte er beizufügen, „ſie haben es in ihrem Leben nicht erfahren, wie ein ſolcher Schuh ſein muß, daß der geſtirnte Himmel der Nägel recht auf der Sohle ſize, und das gebührende Eiſen enthalte, daß der Schuh außen hart ſei, damit kein Geröllſtein, wie ſcharf er auch ſei, empfunden werde, und daß er ſich von Innen doch weich und zärtlich wie ein Hand¬ ſchuh an die Füſſe lege.“ Der Schuſter hatte ſich ein ſehr großes Buch machen laſſen, in welches er alle verfertigte Waare eintrug, die Namen derer beifügte, die den Stoff ge¬ liefert, und die Waare gekauft hatten, und eine kurze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/36
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/36>, abgerufen am 28.03.2024.