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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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zeigen, wie sie aufgesprungen sei, wie sie mich genom¬
men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen
eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach
auf dem Steine sizen geblieben sei.

"Du bist ein kleines Närrlein," sagte der Gro߬
vater, "und der alte Andreas ist ein arger Schalk, er
hat immer solche Streiche ausgeführt, und wird jezt
heimlich und wiederholt bei sich lachen, daß er den
Einfall gehabt hat. Dieser Hergang bessert deine
Sache sehr. Aber siehst du, auch der alte Andreas, so
übel wir seine Sache ansehen mögen, ist nicht so
schuldig, als wir andern uns denken; denn woher
soll denn der alte Andreas wissen, daß die Wagen¬
schmiere für die Leute eine so schrekende Sache ist,
und daß sie in einem Hause eine solche Unordnung
anrichten kann; denn für ihn ist sie eine Waare, mit
der er immer umgeht, die ihm seine Nahrung gibt,
die er liebt, und die er sich immer frisch holt, wenn
sie ihm ausgeht. Und wie soll er von gewaschenen
Fußböden etwas wissen, da er Jahr aus Jahr ein
bei Regen und Sonnenschein mit seinem Fasse auf der
Strasse ist, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer
Scheune schläft, und an seinen Kleidern Heu oder
Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht;
sie mußte glauben, daß du dir leichtsinniger Weise die

zeigen, wie ſie aufgeſprungen ſei, wie ſie mich genom¬
men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen
eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach
auf dem Steine ſizen geblieben ſei.

„Du biſt ein kleines Närrlein,“ ſagte der Gro߬
vater, „und der alte Andreas iſt ein arger Schalk, er
hat immer ſolche Streiche ausgeführt, und wird jezt
heimlich und wiederholt bei ſich lachen, daß er den
Einfall gehabt hat. Dieſer Hergang beſſert deine
Sache ſehr. Aber ſiehst du, auch der alte Andreas, ſo
übel wir ſeine Sache anſehen mögen, iſt nicht ſo
ſchuldig, als wir andern uns denken; denn woher
ſoll denn der alte Andreas wiſſen, daß die Wagen¬
ſchmiere für die Leute eine ſo ſchrekende Sache iſt,
und daß ſie in einem Hauſe eine ſolche Unordnung
anrichten kann; denn für ihn iſt ſie eine Waare, mit
der er immer umgeht, die ihm ſeine Nahrung gibt,
die er liebt, und die er ſich immer friſch holt, wenn
ſie ihm ausgeht. Und wie ſoll er von gewaſchenen
Fußböden etwas wiſſen, da er Jahr aus Jahr ein
bei Regen und Sonnenſchein mit ſeinem Faſſe auf der
Straſſe iſt, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer
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[32/0045] zeigen, wie ſie aufgeſprungen ſei, wie ſie mich genom¬ men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach auf dem Steine ſizen geblieben ſei. „Du biſt ein kleines Närrlein,“ ſagte der Gro߬ vater, „und der alte Andreas iſt ein arger Schalk, er hat immer ſolche Streiche ausgeführt, und wird jezt heimlich und wiederholt bei ſich lachen, daß er den Einfall gehabt hat. Dieſer Hergang beſſert deine Sache ſehr. Aber ſiehst du, auch der alte Andreas, ſo übel wir ſeine Sache anſehen mögen, iſt nicht ſo ſchuldig, als wir andern uns denken; denn woher ſoll denn der alte Andreas wiſſen, daß die Wagen¬ ſchmiere für die Leute eine ſo ſchrekende Sache iſt, und daß ſie in einem Hauſe eine ſolche Unordnung anrichten kann; denn für ihn iſt ſie eine Waare, mit der er immer umgeht, die ihm ſeine Nahrung gibt, die er liebt, und die er ſich immer friſch holt, wenn ſie ihm ausgeht. Und wie ſoll er von gewaſchenen Fußböden etwas wiſſen, da er Jahr aus Jahr ein bei Regen und Sonnenſchein mit ſeinem Faſſe auf der Straſſe iſt, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer Scheune ſchläft, und an ſeinen Kleidern Heu oder Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht; ſie mußte glauben, daß du dir leichtſinniger Weiſe die

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/45>, abgerufen am 28.03.2024.