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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Paraguay aufwärts, nach der Hauptstadt Cuyaba -- war abgebrochen. Noch am
Tage unserer Ankunft, den 26. Februar 1887, suchten wir, um Zuverlässiges über
unsere Aussichten zu erfahren, den Chef des Telegraphenwesens, Herrn Baron
de Capanema auf, der als Milchbruder und Freund Dom Pedros grossen Einfluss
besass. Er empfahl uns, möglichst bald eine Audienz bei Sr. Majestät zu erbitten,
damit uns von Seiten der Behörden die Wege geebnet seien, und war auch so
liebenswürdig, uns sofort durch eine Depesche anzumelden. Der Kaiser war
zum Staatsrat in Rio anwesend, fuhr aber den nächsten Morgen in die Sommer-
residenz Petropolis und bestellte uns dorthin. Wir durchkreuzten also schon am
folgenden Tage wieder die herrliche Bai nach dem am Nordufer gelegenen Maua,
wo der Zug der Gebirgsbahn die Dampferreisenden aufnimmt.

Unserm Boot nicht weit voraus fuhr die kaiserliche Yacht. Ein lieber
Freund begleitete uns, Herr Haupt, Senhor Octavio genannt, der in Petropolis
wohnte und sich zur Erfüllung seiner Berufspflichten täglich nach der Stadt be-
gab; er steht unter denen, die uns durch kleine und grosse Dienstleistungen nur
die Annehmlichkeiten unseres Aufenthaltes empfinden liessen, in erster Reihe
und ist unserm Unternehmen von unendlichem Nutzen gewesen.

Auf der Landungsbrücke wartete der Zug. Dort stand auch der Kaiser
mit dem Marquez de Paranagua, dem Vorsitzenden der geographischen Gesellschaft,
und winkte uns heran, als wir vorbeischreiten wollten. Er befahl uns auf 12 Uhr
in den Palast. Pünktlich traten wir an und pünktlich erschien der beste aller
Brasilier. Mit freundlichen Worten dankte er mir für die Widmung des Buches
über die erste Schingu-Expedition, erkundigte sich in seiner lebhaft eindringen-
den Art nach den neuen Plänen und entliess uns mit guten Wünschen, deren
Verwirklichung zu unterstützen die Behörden angewiesen werden sollten.

Von dem Kaiser gingen wir zum Ackerbauminister Prado. Mit ihm, einem
Paulisten, wurde eingehend die Möglichkeit erörtert, durch die Provinz Sao Paulo
über Land nach dem Matogrosso zu gehen. Allein von dem an und für sich
verlockenden Plan mussten wir wegen unserer zahlreichen Kisten und Kasten,
deren Transport äusserst schwierig und kostspielig gewesen wäre, ohne Weiteres
Abstand nehmen. Bei Prado trafen wir auch zum ersten Male mit dem soeben
zum Senator des Kaiserreichs erwählten Herrn d'Escragnolle Taunay, dem
glänzendsten Schriftsteller und Redner des Instituto Historico zusammen, der von
jenem Tage an unser Unternehmen gefördert hat, so oft wir mit einer Bitte zu
ihm kamen. Endlich machten wir pflichtschuldigst dem deutschen Gesandten,
Herrn Grafen Dönhoff, unsere Aufwartung; wir fanden seine Wohnung nicht
ohne längeres Umherirren, da wir nach dem "ministro allemao" gefragt hatten
und irrtümlicher Weise nicht zu dem Diener des Staates, sondern zu dem Geist-
lichen, dem Diener des Herrn, gewiesen wurden.

Am nächsten Morgen waren wir wieder in Rio; die Hoffnung nach Cuyaba
zu kommen, mussten wir vorläufig aufgeben. Es war eine traurige Geschichte.
Anfang März mit dem fahrplanmässigen Dampfer abreisend, wären wir im April

Paraguay aufwärts, nach der Hauptstadt Cuyabá — war abgebrochen. Noch am
Tage unserer Ankunft, den 26. Februar 1887, suchten wir, um Zuverlässiges über
unsere Aussichten zu erfahren, den Chef des Telegraphenwesens, Herrn Baron
de Capanema auf, der als Milchbruder und Freund Dom Pedros grossen Einfluss
besass. Er empfahl uns, möglichst bald eine Audienz bei Sr. Majestät zu erbitten,
damit uns von Seiten der Behörden die Wege geebnet seien, und war auch so
liebenswürdig, uns sofort durch eine Depesche anzumelden. Der Kaiser war
zum Staatsrat in Rio anwesend, fuhr aber den nächsten Morgen in die Sommer-
residenz Petropolis und bestellte uns dorthin. Wir durchkreuzten also schon am
folgenden Tage wieder die herrliche Bai nach dem am Nordufer gelegenen Mauá,
wo der Zug der Gebirgsbahn die Dampferreisenden aufnimmt.

Unserm Boot nicht weit voraus fuhr die kaiserliche Yacht. Ein lieber
Freund begleitete uns, Herr Haupt, Senhor Octavio genannt, der in Petropolis
wohnte und sich zur Erfüllung seiner Berufspflichten täglich nach der Stadt be-
gab; er steht unter denen, die uns durch kleine und grosse Dienstleistungen nur
die Annehmlichkeiten unseres Aufenthaltes empfinden liessen, in erster Reihe
und ist unserm Unternehmen von unendlichem Nutzen gewesen.

Auf der Landungsbrücke wartete der Zug. Dort stand auch der Kaiser
mit dem Marquez de Paranagua, dem Vorsitzenden der geographischen Gesellschaft,
und winkte uns heran, als wir vorbeischreiten wollten. Er befahl uns auf 12 Uhr
in den Palast. Pünktlich traten wir an und pünktlich erschien der beste aller
Brasilier. Mit freundlichen Worten dankte er mir für die Widmung des Buches
über die erste Schingú-Expedition, erkundigte sich in seiner lebhaft eindringen-
den Art nach den neuen Plänen und entliess uns mit guten Wünschen, deren
Verwirklichung zu unterstützen die Behörden angewiesen werden sollten.

Von dem Kaiser gingen wir zum Ackerbauminister Prado. Mit ihm, einem
Paulisten, wurde eingehend die Möglichkeit erörtert, durch die Provinz São Paulo
über Land nach dem Matogrosso zu gehen. Allein von dem an und für sich
verlockenden Plan mussten wir wegen unserer zahlreichen Kisten und Kasten,
deren Transport äusserst schwierig und kostspielig gewesen wäre, ohne Weiteres
Abstand nehmen. Bei Prado trafen wir auch zum ersten Male mit dem soeben
zum Senator des Kaiserreichs erwählten Herrn d’Escragnolle Taunay, dem
glänzendsten Schriftsteller und Redner des Instituto Historico zusammen, der von
jenem Tage an unser Unternehmen gefördert hat, so oft wir mit einer Bitte zu
ihm kamen. Endlich machten wir pflichtschuldigst dem deutschen Gesandten,
Herrn Grafen Dönhoff, unsere Aufwartung; wir fanden seine Wohnung nicht
ohne längeres Umherirren, da wir nach dem »ministro allemão« gefragt hatten
und irrtümlicher Weise nicht zu dem Diener des Staates, sondern zu dem Geist-
lichen, dem Diener des Herrn, gewiesen wurden.

Am nächsten Morgen waren wir wieder in Rio; die Hoffnung nach Cuyabá
zu kommen, mussten wir vorläufig aufgeben. Es war eine traurige Geschichte.
Anfang März mit dem fahrplanmässigen Dampfer abreisend, wären wir im April

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[2/0024] Paraguay aufwärts, nach der Hauptstadt Cuyabá — war abgebrochen. Noch am Tage unserer Ankunft, den 26. Februar 1887, suchten wir, um Zuverlässiges über unsere Aussichten zu erfahren, den Chef des Telegraphenwesens, Herrn Baron de Capanema auf, der als Milchbruder und Freund Dom Pedros grossen Einfluss besass. Er empfahl uns, möglichst bald eine Audienz bei Sr. Majestät zu erbitten, damit uns von Seiten der Behörden die Wege geebnet seien, und war auch so liebenswürdig, uns sofort durch eine Depesche anzumelden. Der Kaiser war zum Staatsrat in Rio anwesend, fuhr aber den nächsten Morgen in die Sommer- residenz Petropolis und bestellte uns dorthin. Wir durchkreuzten also schon am folgenden Tage wieder die herrliche Bai nach dem am Nordufer gelegenen Mauá, wo der Zug der Gebirgsbahn die Dampferreisenden aufnimmt. Unserm Boot nicht weit voraus fuhr die kaiserliche Yacht. Ein lieber Freund begleitete uns, Herr Haupt, Senhor Octavio genannt, der in Petropolis wohnte und sich zur Erfüllung seiner Berufspflichten täglich nach der Stadt be- gab; er steht unter denen, die uns durch kleine und grosse Dienstleistungen nur die Annehmlichkeiten unseres Aufenthaltes empfinden liessen, in erster Reihe und ist unserm Unternehmen von unendlichem Nutzen gewesen. Auf der Landungsbrücke wartete der Zug. Dort stand auch der Kaiser mit dem Marquez de Paranagua, dem Vorsitzenden der geographischen Gesellschaft, und winkte uns heran, als wir vorbeischreiten wollten. Er befahl uns auf 12 Uhr in den Palast. Pünktlich traten wir an und pünktlich erschien der beste aller Brasilier. Mit freundlichen Worten dankte er mir für die Widmung des Buches über die erste Schingú-Expedition, erkundigte sich in seiner lebhaft eindringen- den Art nach den neuen Plänen und entliess uns mit guten Wünschen, deren Verwirklichung zu unterstützen die Behörden angewiesen werden sollten. Von dem Kaiser gingen wir zum Ackerbauminister Prado. Mit ihm, einem Paulisten, wurde eingehend die Möglichkeit erörtert, durch die Provinz São Paulo über Land nach dem Matogrosso zu gehen. Allein von dem an und für sich verlockenden Plan mussten wir wegen unserer zahlreichen Kisten und Kasten, deren Transport äusserst schwierig und kostspielig gewesen wäre, ohne Weiteres Abstand nehmen. Bei Prado trafen wir auch zum ersten Male mit dem soeben zum Senator des Kaiserreichs erwählten Herrn d’Escragnolle Taunay, dem glänzendsten Schriftsteller und Redner des Instituto Historico zusammen, der von jenem Tage an unser Unternehmen gefördert hat, so oft wir mit einer Bitte zu ihm kamen. Endlich machten wir pflichtschuldigst dem deutschen Gesandten, Herrn Grafen Dönhoff, unsere Aufwartung; wir fanden seine Wohnung nicht ohne längeres Umherirren, da wir nach dem »ministro allemão« gefragt hatten und irrtümlicher Weise nicht zu dem Diener des Staates, sondern zu dem Geist- lichen, dem Diener des Herrn, gewiesen wurden. Am nächsten Morgen waren wir wieder in Rio; die Hoffnung nach Cuyabá zu kommen, mussten wir vorläufig aufgeben. Es war eine traurige Geschichte. Anfang März mit dem fahrplanmässigen Dampfer abreisend, wären wir im April

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/24>, abgerufen am 19.04.2024.