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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Sittenpolizei, und daneben auf fragmentarische Aeußerungen über die
Volksbildung beschränken, während das Berufsbildungsrecht noch gar
nicht in die Staatswissenschaft aufgenommen wird, eben so wenig die
Presse; die Hauptvertreter dieses Stadiums sind auch hier Justi und
Sonnenfels. Das zweite Stadium hat bereits einen viel bestimmtern
Charakter; dasselbe entwickelt nämlich zwei Richtungen zu gleicher Zeit.
Die erste gehört der mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts entstehen-
den neuen Gestalt des Staatsrechts an, welches allmählig, nachdem
auch hier J. H. Berg in seinem Deutschen Polizeirecht Bahn gebrochen
(s. Bd. II. Recht der Unterrichtspolizei, als Theil des Rechts der "Wohl-
fahrtspolizei" Hauptstück VI, S. 299--365) sich über die, noch von
Pütter im Jus publicum ausschließlich vertretene Ansicht erhebt, die
nur da von dem öffentlichen Recht des Bildungswesens spricht, wo es
sich darum handelt, wer das Recht habe Academias, Universitates,
ac gymnasia, scholas et societates literarias
zu gründen, von denen
schon das alte Jus publicum anerkennt, daß "status eos in suo cujus-
que territorio instituere possunt. Pütter, Inst. Juris Publ. L. VIII,

§. 359 (Auffassung des gesammten Bildungswesens als Regalität).
Hat doch Pütter nicht einmal in seiner Literatur des deutschen Staats-
rechts eine andere als die der Universitäten aufgenommen.

Erst später wird dasselbe in die Darstellung des positiven Ver-
waltungsrechts aufgenommen, freilich noch immer mit enger Beschränkung
auf die corporativen Ordnungen der Universitäten und ihres Rechts.
Den Uebergang von dem Pütterschen Standpunkt zur Berücksichtigung
des gesammten Unterrichtswesens im positiven deutschen Staatsrecht
bildet Gönner in seinem überhaupt sehr beachtenswerthen Teutschen
Staatsrecht
1805, §. 370, der schon ein vollständiges System an-
deutet. Ihm folgen, ohne über ihn hinaus zu gelangen, Mauren-
brecher
, Deutsches Staatsrecht, §. 197 (nur ganz beiläufig von der
Bildungspolizei, sonst mehrfach von Universitäten), Zachariä, Deut-
sches Staats- und Bundesrecht II. §. 178 (Schulen und Universitäten
unter "Polizeihoheit"). -- Diese Richtung war allerdings wesentlich
dadurch bedingt, daß es noch kein öffentliches Bildungsrecht für Deutsch-
land
gab, außer den Universitäten und der Presse, und daß der In-
halt dieses Rechts gar nichts anderes blieb, als eine Bildungspolizei.
Die deutschen Staatsrechtslehrer hatten daher materiell gar keinen
andern Gegenstand, als eben jenes höchst beschränkte Bundesrecht
des deutschen Bildungswesens. Erst mit der Reichsverfassung von 1849
gewann dasselbe auch in den Territorialverfassungen einigen Raum, und
was hier gesammelt werden konnte, hat Zöpfl in seiner fleißigen, aber
systemlosen Weise gesammelt. (Deutsches Strafrecht, Bd. II. mehrfach.)

Stein, die Verwaltungslehre. V. 2

Sittenpolizei, und daneben auf fragmentariſche Aeußerungen über die
Volksbildung beſchränken, während das Berufsbildungsrecht noch gar
nicht in die Staatswiſſenſchaft aufgenommen wird, eben ſo wenig die
Preſſe; die Hauptvertreter dieſes Stadiums ſind auch hier Juſti und
Sonnenfels. Das zweite Stadium hat bereits einen viel beſtimmtern
Charakter; daſſelbe entwickelt nämlich zwei Richtungen zu gleicher Zeit.
Die erſte gehört der mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts entſtehen-
den neuen Geſtalt des Staatsrechts an, welches allmählig, nachdem
auch hier J. H. Berg in ſeinem Deutſchen Polizeirecht Bahn gebrochen
(ſ. Bd. II. Recht der Unterrichtspolizei, als Theil des Rechts der „Wohl-
fahrtspolizei“ Hauptſtück VI, S. 299—365) ſich über die, noch von
Pütter im Jus publicum ausſchließlich vertretene Anſicht erhebt, die
nur da von dem öffentlichen Recht des Bildungsweſens ſpricht, wo es
ſich darum handelt, wer das Recht habe Academias, Universitates,
ac gymnasia, scholas et societates literarias
zu gründen, von denen
ſchon das alte Jus publicum anerkennt, daß „status eos in suo cujus-
que territorio instituere possunt. Pütter, Inst. Juris Publ. L. VIII,

§. 359 (Auffaſſung des geſammten Bildungsweſens als Regalität).
Hat doch Pütter nicht einmal in ſeiner Literatur des deutſchen Staats-
rechts eine andere als die der Univerſitäten aufgenommen.

Erſt ſpäter wird daſſelbe in die Darſtellung des poſitiven Ver-
waltungsrechts aufgenommen, freilich noch immer mit enger Beſchränkung
auf die corporativen Ordnungen der Univerſitäten und ihres Rechts.
Den Uebergang von dem Pütterſchen Standpunkt zur Berückſichtigung
des geſammten Unterrichtsweſens im poſitiven deutſchen Staatsrecht
bildet Gönner in ſeinem überhaupt ſehr beachtenswerthen Teutſchen
Staatsrecht
1805, §. 370, der ſchon ein vollſtändiges Syſtem an-
deutet. Ihm folgen, ohne über ihn hinaus zu gelangen, Mauren-
brecher
, Deutſches Staatsrecht, §. 197 (nur ganz beiläufig von der
Bildungspolizei, ſonſt mehrfach von Univerſitäten), Zachariä, Deut-
ſches Staats- und Bundesrecht II. §. 178 (Schulen und Univerſitäten
unter „Polizeihoheit“). — Dieſe Richtung war allerdings weſentlich
dadurch bedingt, daß es noch kein öffentliches Bildungsrecht für Deutſch-
land
gab, außer den Univerſitäten und der Preſſe, und daß der In-
halt dieſes Rechts gar nichts anderes blieb, als eine Bildungspolizei.
Die deutſchen Staatsrechtslehrer hatten daher materiell gar keinen
andern Gegenſtand, als eben jenes höchſt beſchränkte Bundesrecht
des deutſchen Bildungsweſens. Erſt mit der Reichsverfaſſung von 1849
gewann daſſelbe auch in den Territorialverfaſſungen einigen Raum, und
was hier geſammelt werden konnte, hat Zöpfl in ſeiner fleißigen, aber
ſyſtemloſen Weiſe geſammelt. (Deutſches Strafrecht, Bd. II. mehrfach.)

Stein, die Verwaltungslehre. V. 2
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[17/0045] Sittenpolizei, und daneben auf fragmentariſche Aeußerungen über die Volksbildung beſchränken, während das Berufsbildungsrecht noch gar nicht in die Staatswiſſenſchaft aufgenommen wird, eben ſo wenig die Preſſe; die Hauptvertreter dieſes Stadiums ſind auch hier Juſti und Sonnenfels. Das zweite Stadium hat bereits einen viel beſtimmtern Charakter; daſſelbe entwickelt nämlich zwei Richtungen zu gleicher Zeit. Die erſte gehört der mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts entſtehen- den neuen Geſtalt des Staatsrechts an, welches allmählig, nachdem auch hier J. H. Berg in ſeinem Deutſchen Polizeirecht Bahn gebrochen (ſ. Bd. II. Recht der Unterrichtspolizei, als Theil des Rechts der „Wohl- fahrtspolizei“ Hauptſtück VI, S. 299—365) ſich über die, noch von Pütter im Jus publicum ausſchließlich vertretene Anſicht erhebt, die nur da von dem öffentlichen Recht des Bildungsweſens ſpricht, wo es ſich darum handelt, wer das Recht habe Academias, Universitates, ac gymnasia, scholas et societates literarias zu gründen, von denen ſchon das alte Jus publicum anerkennt, daß „status eos in suo cujus- que territorio instituere possunt. Pütter, Inst. Juris Publ. L. VIII, §. 359 (Auffaſſung des geſammten Bildungsweſens als Regalität). Hat doch Pütter nicht einmal in ſeiner Literatur des deutſchen Staats- rechts eine andere als die der Univerſitäten aufgenommen. Erſt ſpäter wird daſſelbe in die Darſtellung des poſitiven Ver- waltungsrechts aufgenommen, freilich noch immer mit enger Beſchränkung auf die corporativen Ordnungen der Univerſitäten und ihres Rechts. Den Uebergang von dem Pütterſchen Standpunkt zur Berückſichtigung des geſammten Unterrichtsweſens im poſitiven deutſchen Staatsrecht bildet Gönner in ſeinem überhaupt ſehr beachtenswerthen Teutſchen Staatsrecht 1805, §. 370, der ſchon ein vollſtändiges Syſtem an- deutet. Ihm folgen, ohne über ihn hinaus zu gelangen, Mauren- brecher, Deutſches Staatsrecht, §. 197 (nur ganz beiläufig von der Bildungspolizei, ſonſt mehrfach von Univerſitäten), Zachariä, Deut- ſches Staats- und Bundesrecht II. §. 178 (Schulen und Univerſitäten unter „Polizeihoheit“). — Dieſe Richtung war allerdings weſentlich dadurch bedingt, daß es noch kein öffentliches Bildungsrecht für Deutſch- land gab, außer den Univerſitäten und der Preſſe, und daß der In- halt dieſes Rechts gar nichts anderes blieb, als eine Bildungspolizei. Die deutſchen Staatsrechtslehrer hatten daher materiell gar keinen andern Gegenſtand, als eben jenes höchſt beſchränkte Bundesrecht des deutſchen Bildungsweſens. Erſt mit der Reichsverfaſſung von 1849 gewann daſſelbe auch in den Territorialverfaſſungen einigen Raum, und was hier geſammelt werden konnte, hat Zöpfl in ſeiner fleißigen, aber ſyſtemloſen Weiſe geſammelt. (Deutſches Strafrecht, Bd. II. mehrfach.) Stein, die Verwaltungslehre. V. 2

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/45>, abgerufen am 25.04.2024.